Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Werbungskostenabzug bei Auslandsgruppenreisen mit gemischtem Programm
Leitsatz (NV)
Werden von einem Verkäufer für Maschinen zur Herstellung von Schnellimbißmahlzeiten im Rahmen einer Auslandsgruppenreise in die USA an verschiedenen Orten Touristenattraktionen besucht, können die Reiseaufwendungen nicht deshalb als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil an diesen Orten auch die entsprechenden Maschinen in Fast-Food-Restaurants besichtigt werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) versagte dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1983 den Abzug von Aufwendungen aus Anlaß einer USA-Reise, die er als Werbungskosten geltend gemacht hatte.
Der Kläger war seit 1981 Verkaufsleiter bei der deutschen Niederlassung eines ausländischen Unternehmens, das in den USA hergestellte Maschinen zur Fertigung von Schnellimbißmahlzeiten vertreibt. In der Zeit vom 31. Oktober bis 14. November 1983 nahm er an einer vom Bundesverband der Imbißbetriebe veranstalteten Studienreise zum Fast-Food-Markt, USA, teil. Der Arbeitgeber bescheinigte nachträglich, daß er die Reise angeregt, aber nicht bezuschußt habe. Das Gehalt wurde weiterbezahlt.
Die ersten eineinhalb Wochen hielten sich die Reiseteilnehmer in Florida auf und besuchten dort an verschiedenen Orten Touristenattraktionen, wie z. B. das Raumfahrtcenter, die Walt-Disney-Ausstellung EPCOT, Walt-Disney-World und Circus World. Die letzte halbe Woche befanden sie sich in New York, wo eine Fachmesse stattfand. Nach dem Reiseprogramm war der Besuch von Sehenswürdigkeiten stets mit der Besichtigung von Fast-Food-Gaststätten verbunden. Der Kläger unternahm die Reise mit einer Begleitperson.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es führte aus, Voraussetzung für den Werbungskostenabzug sei, daß die Reise ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen werde und die Verfolgung privater Interessen nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen sei.
Die zu beurteilende Reise habe, insbesondere was die ersten eineinhalb Wochen vor Besuch der Fachmesse in New York angehe, zwar die Merkmale aufgewiesen, die eine aus rein touristischem Interesse unternommene Reise kennzeichne, nämlich insbesondere das Aufsuchen von Sehenswürdigkeiten, verbunden mit einem häufigen Ortswechsel. Gleichwohl sei die Reise beruflich veranlaßt gewesen. Der Kläger habe zum Erweitern seiner Kenntnisse über den Einsatz von Fast Food-Maschinen in der Praxis notwendigerweise Orte aufsuchen müssen, an denen solche Maschinen eingesetzt würden. Es handele sich um Orte, an denen sich größere Menschenmengen versammelten, was regelmäßig nur der Fall sei, wenn Attraktionen geboten würden. Daß sich die Reise auch an touristischen Attraktionen orientiert habe, ergebe sich im Falle des Klägers notwendigerweise aus seiner beruflichen Stellung als Verkaufsleiter für Fast Food-Maschinen. Die berufliche Stellung des Klägers habe die Verkaufswerbung, die Fachinformation, die technische Erklärung der Funktionen und den Nachweis von geeigneten Aufstellungsorten umfaßt. An den aufgesuchten Reiseorten sei der Einsatz der vom Kläger vertriebenen Maschinen demonstriert worden. Ziel der Reise sei gewesen, die beruflichen Kenntnisse in dem Land zu erweitern, aus dem die vertriebenen Produkte stammten. Die streitigen Aufwendungen hätten unmittelbar der beruflichen Fortbildung gedient. Angesichts dessen komme es nicht darauf an, daß der Kläger die Reise in Begleitung unternommen habe. Auch der Umstand, daß der Kläger im Streitjahr private Urlaubsreisen durchgeführt habe, spreche für den beruflichen Charakter der Reise. Im übrigen habe der Kläger Anlaß gehabt, über seine tägliche Arbeit hinaus besondere berufliche Anstrengungen zu entfalten, da er erst ca. eineinhalb Jahre vor Antritt der hier zu beurteilenden Reise seine Stellung als Verkaufsleiter angenommen habe und sich dabei in einem Alter befunden habe, in dem normalerweise Arbeitnehmer nicht mehr vermittlungsfähig seien. Sinn des § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei es nicht, den Abzug von Aufwendungen, die in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stünden, zu versagen, weil die berufliche Betätigung auf einem Gebiet stattfinde, das normalerweise dem privaten Bereich zuzurechnen sei.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 und § 12 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat die Transferkosten und die auf die Reiseteile vor Erreichen von New York entfallenden Aufwendungen zu Unrecht als Werbungskosten angesehen. Ob und in welcher Höhe wegen des Besuchs einer Fachmesse in New York Werbungskosten zu berücksichtigen sind, kann nach den Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilt werden.
1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) können Aufwendungen für eine Auslandsgruppenreise gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 EStG nur anerkannt werden, wenn die Verfolgung privater Interessen sowohl nach dem Programm als auch nach der Gestaltung der Reise nahezu ausgeschlossen ist. Als gewichtige Indizien (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 1991 VI R 51/88, BFHE 164, 75, BStBl II 1991, 575) kommen einerseits die Organisation durch einen Fachverband für einen im wesentlichen gleichartigen (homogenen) Teilnehmerkreis mit konkretem Berufsbezug, also Abstellen auf die besonderen Belange des Berufs bzw. der speziellen Tätigkeit (BFH- Urteile vom 15. Dezember 1982 I R 73/79, BFHE 138, 40, BStBl II 1983, 409, und vom 22. Januar 1993 VI R 64/91, BFHE 170, 528, BStBl II 1993, 612) in Betracht -- berufliche Indizien -- und andererseits eine weit auseinandergezogene Reiseroute mit häufigem Ortswechsel und mit Besuch von Orten, die auch beliebte Ziele der Touristik darstellen -- private Indizien --. Zielt eine berufliche Informationsreise, was die Umstände der Wissensvermittlung anbelangt, darauf ab, den Teilnehmern Erholung, Vergnügungen und persönliches Erleben zu bieten und sind diese Umstände nicht nur notwendigerweise hingenommene Begleiterscheinung der beruflichen Informationsvermittlung, so kommt ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht. Insbesondere sind Aufwendungen für eine Auslandsgruppenreise zu Informationszwecken nicht erst dann vom Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen, wenn die "privaten Interessen" überwiegen. Vielmehr genügt es für einen derartigen Ausschluß, wenn bei Reisen zu Informationszwecken das Hereinspielen der privaten Lebensführung ins Gewicht fällt und nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Urteil vom 14. Juli 1988 IV R 57/87, BFHE 154, 312, BStBl II 1989, 19). Sofern bei der nämlichen Reise eindeutig abgrenzbare beruflich veranlaßte Teile mit nicht vernachlässigbaren privaten Teilen verbunden sind, können die Aufwendungen für Hin- und Rückreise nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 1992 IV R 27/91, BFHE 168, 254, BStBl II 1992, 898).
2. Die Anwendung obiger Grundsätze auf den Streitfall führt zu folgenden Ergebnissen:
a) Für den Reiseteil vor Erreichen von New York sind keine Werbungskosten zu berücksichtigen, weil dort in erster Linie touristische Ziele verfolgt und konkrete berufliche Informationen allenfalls begleitend vermittelt wurden. Wie der Kläger selbst vorträgt, war der Teilnehmerkreis insofern nicht homogen, als er als Verkäufer von Schnellimbißgeräten unter den Teilnehmern habe Kunden gewinnen wollen. Außerdem unternahm der Kläger die Reise mit einer Begleitperson (vgl. zur Ehefrau als Begleitperson BFH-Urteil vom 18. Februar 1994 VI R 53/93, BFH/NV 1994, 708). Danach kann dahinstehen, ob -- wie das FA nunmehr vorträgt -- ein maßgebender Teil der Reisegruppe lediglich aus Begleitpersonen bestand. Den Feststellungen des FG kann nicht entnommen werden, inwiefern dem Kläger als Verkäufer von Maschinen aus dem Angebot seines Arbeitgebers, die in Europa eingesetzt werden sollten, konkrete berufliche Informationen dadurch erwachsen konnten, daß er den praktischen Einsatz solcher oder ähnlicher Maschinen in den USA an verschiedenen Orten zur Kenntnis nahm. Selbst wenn man einen konkreten beruflichen Bezug annähme, könnte dies den Werbungskostenabzug nicht begründen, weil die Reisegruppe nach Programm und tatsächlicher Durchführung nicht im wesentlichen nur Besichtigungen der genannten Art vorgenommen hat, sondern sich vor allem rein touristische Attraktionen darbieten ließ.
b) Angesichts obiger Ausführungen können auch die Kosten der Reise nach und von den USA nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.
c) Eine Bewertung des Aufenthalts in New York ist mangels diesbezüglicher Feststellungen nicht möglich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche konkreten beruflichen Belange dort vom Kläger verfolgt wurden und ob -- ggf. in welchem Umfang -- daneben noch private Ziele verwirklicht werden konnten bzw. verwirklicht worden sind.
Fundstellen