Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Lieferungen von Musikinstrumenten an ideale Musikvereine sind in der Regel steuerlich begünstigte Großhandelslieferungen, es sei denn, daß entgeltliche Musikaufführungen nicht zum festen Programm des belieferten Vereins gehören.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1, § 7 Abs. 3; UStDB § 11
Tatbestand
Streitig ist, ob der Steuerpflichtige, der Musikinstrumente repariert und mit Musikinstrumenten Handel treibt, in den Jahren 1958 und 1959 für Lieferungen an Musikvereine die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG, § 11 Abs. 1 UStDB in Anspruch nehmen kann.
Die Lieferungen des Steuerpflichtigen außerhalb des Großhandels betrugen in den Jahren 1957 und 1958, wenn die Lieferungen an Musikvereine nicht dazugerechnet werden, weniger, wenn sie dazugerechnet werden, mehr als 75 v. H. des Gesamtumsatzes. Das Finanzamt hat diese Umsätze abweichend von den Erklärungen des Steuerpflichtigen als Lieferungen außerhalb des Großhandels beurteilt und deshalb die vom Steuerpflichtigen begehrte Großhandelsvergünstigung ... versagt.
Auf die Berufung des Steuerpflichtigen holte das Finanzgericht ein Gutachten des Deutschen Volksmusikerbundes e. V. zu der Frage ein, ob der Erwerb von Musikinstrumenten durch Musikvereine, die sich durch entgeltliche Musikveranstaltungen unternehmerisch betätigen, hauptsächlich dieser Tätigkeit dient. In dem Gutachten ... kommt zum Ausdruck, daß die Tätigkeit der Vereine rein ideell sei, daß durch Eintrittsgelder in der Regel höchstens 15 v. H. der Unkosten gedeckt werden könnten und daß bei entgeltlichen Konzerten die Absicht auf Einnahmen gegenüber den ideellen Zielen (Förderung der Volksmusik und Pflege der bodenständigen Kultur) zurücktrete. Trotzdem gab das Finanzgericht der Berufung des Steuerpflichtigen in vollem Umfange statt. Zur Begründung dieser Entscheidung führt das Finanzgericht sinngemäß aus:
Es sei entscheidend, ob die vom Steuerpflichtigen belieferten Musikvereine die Instrumente hauptsächlich zur Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit erworben hätten. In ihrem Eigenleben seien die Vereine zwar keine Unternehmer, sie betätigten sich aber regelmäßig -- mindestens einmal jährlich -- als Unternehmer, wenn sie entgeltliche Musikaufführungen veranstalteten, und seien mit diesen Einnahmen umsatzsteuerpflichtig. Dieser Umstand müsse auch für den Lieferer seine Bedeutung haben. Es könne zwar nicht festgestellt werden, daß die Vereine die angeschafften Instrumente hauptsächlich für entgeltliche Veranstaltungen verwenden wollten. Der vereinsinterne, ideelle Verwendungszweck sei aber mit den unternehmerischen Absichten aufs engste verquickt, zumal da das Vereinsleben häufig monatelang auf die Vorbereitung der Veranstaltungen (Proben!) ausgerichtet sei. Die unternehmerische und die ideelle Vereinstätigkeit könne nur abstrakt und qualitativ, nicht aber konkret und quantitativ voneinander geschieden werden. Deshalb seien der Besteuerung Lieferungen an einen anderen Unternehmer im Sinne des § 11 UStDB zugrunde zu legen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Vorsteher des Finanzamts mit der wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassenen Rb. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Nach seiner Auffassung werden die Musikinstrumente zur Förderung der ideellen Vereinszwecke gekauft und nur gelegentlich in Abänderung des eigentlichen Erwerbszwecks für entgeltliche Veranstaltungen verwendet (§ 11 Abs. 1 Satz 3 UStDB).
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Nach § 11 Abs. 1 UStDB liegt eine durch § 7 Abs. 3 UStG steuerlich begünstigte Großhandelslieferung vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand an einen anderen Unternehmer zur Verwendung in dessen Unternehmen liefert. Diese Verwendung kann in beliebiger gewerblicher oder beruflicher Weise geschehen; insbesondere kann der Liefergegenstand nach dem Wortlaut des Gesetzes auch "zur Bewirkung gewerblicher . . . . . Leistungen" dienen. Wird ein Gegenstand sowohl zu solchen wie zu privaten Zwecken erworben, so ist der "Haupterwerbszweck" maßgebend. Eine Änderung des Erwerbszwecks nach der Lieferung bleibt unberücksichtigt.
Zutreffend hat das Finanzgericht ausgesprochen, daß den gelieferten Instrumenten nicht schon deshalb die Bestimmung zur gewerblichen Verwendung anhaftet, weil die Vereine diese Gegenstände ihren zu Vereinsbeiträgen verpflichteten Mitgliedern überlassen. Denn die Mitgliedsbeiträge sind kein Entgelt für die Gebrauchsüberlassung. Der Leistung des Vereins steht daher keine Gegenleistung gegenüber, und der Verein betätigt sich in seinem Eigenleben nicht als Unternehmer.
Der Rechtsauffassung des Finanzgerichts ist auch insoweit beizutreten, als sie die entgeltlichen Musikveranstaltungen betrifft. Diese Aufführungen gehören zum festen Programm der Vereine, sie werden also, wenn auch nicht häufig, so doch nachhaltig durchgeführt und dienen der Erzielung von Einnahmen. Soweit die Vereine in dieser Weise tätig sind, müssen sie deshalb als umsatzsteuerpflichtige Unternehmer angesehen werden, mögen auch die Absicht und die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen, fehlen (§ 2 Abs. 1 UStG).
Nach dieser gesetzlichen Definition werden umsatzsteuerrechtlich alle Leistungen eines Unternehmers erfaßt, die objektiv dem Wirtschaftsleben zuzurechnen und mit einer wirtschaftlichen Gegenleistung verbunden sind. Dabei kommt es nicht auf das Motiv des Unternehmers, also nicht auf den subjektiven Beweggrund an, der zur Entstehung der Leistung maßgebend war. Insbesondere die Vorbereitung einer Werklieferung oder einer Werkleistung im engeren Sinn kann -- zumal bei den dem musischen oder künstlerischen Bereich angehörenden Arbeiten -- ohne jedes merkantile Streben vor sich gehen. Verwertet aber der Unternehmer das Werk oder seine für eine bestimmte Leistung erarbeiteten Fähigkeiten zu irgendeinem späteren Zeitpunkt wirtschaftlich, so gewinnt seine gesamte damit im unmittelbaren Zusammenhang stehende Tätigkeit die Qualität einer unternehmerischen im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. So sind beispielsweise Werke der bildenden Kunst, die ausschließlich dem Schöpfungsdrang oder dem Fortbildungsstreben des Künstlers entsprungen sind, mit allen ihren Vorbereitungsarbeiten (Modellen, Entwürfen, Skizzen) alsbald Ergebnisse einer Unternehmertätigkeit, wenn sie veräußert werden. Das gleiche gilt für den Arbeitsaufwand zur Beherrschung einer konkreten deklamatorischen, schauspielerischen, sportlichen oder musikalischen und ähnlichen Leistung, die der Künstler oder Sportler schließlich in einer entgeltlichen Vorführung oder Aufführung zum Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs macht.
Für den Streitfall bedeuten diese Grundsätze, daß die Musikvereine, die regelmäßig entgeltliche Aufführungen veranstalten, mit der gesamten hierzu entfalteten Tätigkeit einschließlich aller unmittelbar hierfür dienenden Vorbereitungen (Proben) umsatzsteuerrechtlich als Unternehmer anzusprechen sind, auch wenn aus der Sicht der Vereine diese gesamte Tätigkeit durch ideelle Ziele motiviert ist und nur dazu dienen soll, das Eigenleben des Vereins zu fördern. Daraus folgt, daß für alle Hilfsmittel, also auch für die Musikinstrumente, die die Musikvereine zur Vorbereitung und Aufführung von Musikveranstaltungen kaufen, nach umsatzsteuerrechtlicher Betrachtungsweise als Erwerbszweck die gewerbliche Verwendung maßgebend ist.
Die Rb. könnte deshalb nur dann Erfolg haben, wenn das Finanzgericht festgestellt hätte, daß die Vereine die im Rahmen der streitigen Umsätze erforderlichen Instrumente lediglich oder hauptsächlich zu Zwecken gekauft hätten, die mit der Vorbereitung oder Durchführung von entgeltlichen musikalischen Darbietungen nichts zu tun haben. Eine solche Feststellung konnte das Finanzgericht aber nicht treffen. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung, daß Musikvereine, zu deren Programm regelmäßige öffentliche und entgeltliche Veranstaltungen gehören, den wesentlichsten Teil ihrer Vereinsarbeit auf die Vorbereitung dieser Veranstaltungen verwenden oder -- was umsatzsteuerrechtlich gleichbedeutend ist -- die wesentlichen Ergebnisse ihrer musikalischen Vereinsarbeit zur Ausgestaltung dieser Veranstaltungen nutzen. In diesem Sinn sind auch die im Einklang mit dem Gutachten des Deutschen Volksmusikerbundes stehenden Feststellungen des Finanzgerichts zu verstehen.
Für die in der Rb. sinngemäß vorgebrachte Auffassung, in der gewerblichen Verwendung der gekauften Instrumente liege eine spätere Änderung des Erwerbszwecks, weil die Erwerber die Instrumente beim Einkauf hauptsächlich dem ideellen Vereinszweck widmeten, bietet der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Vereine die Instrumente zur Verwendung nach dem erfahrungsmäßigen tatsächlichen Ablaufihrer Tätigkeit kaufen. Da dieser Ablauf den vorstehenden Ausführungen entsprechend nach der umsatzsteuerrechtlichen Betrachtungsweise weitgehend der unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen ist, kaufen die Vereine die Musikinstrumente in der Hauptsache für diese Tätigkeit.
Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, daß das Finanzgericht die strittigen Umsätze nach § 7 Abs. 3 UStG beurteilt und sie deshalb nur mit 1 v. H. zur Umsatzsteuer herangezogen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 425884 |
BStBl III 1965, 682 |
BFHE 1966, 509 |