Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Künstleragent, dem nach § 54 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Fassung vom 3. April 1957 (BGBl 1957 I S. 321) ein Auftrag zur auf Gewinn gerichteten Artistenvermittlung und Kapellenvermittlung erteilt ist, übt keinen freien Beruf, sondern ein Gewerbe aus.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2; GewStDV § 1
Tatbestand
Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (im folgenden: Bundesanstalt) erteilte dem Bf. am 1. April 1960 auf seinen Antrag gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) in der Fassung vom 3. April 1957 (BGBl 1957 I S. 321) einen Auftrag zur auf Gewinn gerichteten Arbeitsvermittlung von Personen zu artistischen und artistisch- künstlerischen Leistungen (Artistenvermittlung) im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Zehnten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (10. DV AVAVG) vom 23. März 1960 (BGBl 1960 I S. 189). Ferner wurde dem Bf. ein Anschlußauftrag zur auf Gewinn gerichteten Arbeitsvermittlung von Personen, die in Tanz- und Unterhaltungskapellen zusammengeschlossen sind, sowie von Musikern, die als Alleinunterhalter auftreten (Kapellenvermittlung), im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 5 der 10. DV AVAVG erteilt. Der Auftrag wurde auf die Vermittlung des bezeichneten Personenkreises zu Dienststellen und Clubs der US- Streitkräfte innerhalb der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) beschränkt. Er war zunächst auf ein Jahr befristet, wurde jedoch jährlich erneuert.
Die Aufgabe des Bf. besteht nach seinen Angaben in der Zusammenstellung von Floor-Shows (etwa gleichbedeutend mit Variete). Eine Floor-Show biete, so trägt der Bf. vor, ein geschlossenes Programm künstlerischer und artistischer Vorstellungen von etwa 45 bis 75 Minuten. Er, der Bf., habe jeden einzelnen Künstler und Artisten hinsichtlich seines Könnens und den Ablauf seiner Darbietung zu prüfen. Nach der Einzelprüfung habe er die einzelnen Darbietungen zu einer zugkräftigen Veranstaltung zusammenzustellen, die auf den unterschiedlichen Geschmack der einzelnen Clubs zugeschnitten sein müsse.
Der Special-Service der US-Streitkräfte nehme dann die von ihm dem Bf., zusammengestellte Show ab und vermittle sie an die einzelnen Clubs. Gefalle die Show bei der Abnahme nicht, so werde sie nicht angenommen. Ein Entgelt werde in diesem Fall nicht gewährt.
Im Bedarfsfall wirkt der Bf. selbst als Conferencier bei der Show mit.
Der Bf. sieht seine Tätigkeit als freiberuflich an und beantragte daher für das Streitjahr den Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG.
Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht hat die Auffassung vertreten, die vom Bf. ausgeübte, auf Gewinn gerichtete Arbeitsvermittlung erfülle die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs. Ob der Bf. durch die Zusammenstellung und Einrichtung von Floor-Shows eine künstlerische Tätigkeit, vergleichbar mit der eines Regisseurs ausübe, könne dahingestellt bleiben, denn der Bf. beziehe seine Gebühren lediglich für die Vermittlung von Künstlern und Artisten.
Mit der Rb., die das Finanzgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, wiederholt der Bf. sein früheres Vorbringen und behauptet nunmehr, er werde nicht für die Vermittlung der Künstler und Artisten, sondern ausschließlich für die Gestaltung der Show entlohnt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Bundesfinanzhof hat durch Urteil IV 156/58 U vom 12. Mai 1960 (BStBl 1960 III S. 329, Slg. Bd. 71 S. 213) entschieden, daß die gewerbsmäßigen Artistenvermittler jedenfalls nach der vor dem Inkrafttreten des AVAVG in der Fassung vom 3. April 1957 gegebenen Rechtslage der Gewerbesteuer unterliegen, da sie nicht einen freien Beruf, sondern ein Gewerbe ausüben.
An dieser steuerlichen Rechtslage hat sich durch § 54 AVAVG in der Fassung vom 3. April 1957 nichts geändert.
Zwar hat das Gesetz vom 3. April 1957 die Arbeitsvermittlung durch private Personen in ihrer verwaltungsrechtlichen Seite umgestaltet. Während vorher einer Person eine "Erlaubnis" erteilt wurde, "das Gewerbe eines Arbeitsvermittlers zu betreiben" (Draeger-Buchwitz-Schönefelder, Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, § 54, Anm. 2), kann jetzt die Bundesanstalt auf Antrag Einrichtungen oder Personen mit der Arbeitsvermittlung für einzelne Berufe oder Personengruppen beauftragen, wenn es für die Durchführung der Arbeitsvermittlung zweckmäßig ist und der Antragsteller die Gewähr für ordnungsmäßige Ausführung des Auftrags bietet (§ 54 Abs. 1 Satz 1 AVAVG). Die mit der Arbeitsvermittlung beauftragten Einrichtungen und Personen unterliegen der Aufsicht der Bundesanstalt und sind an ihre Weisungen gebunden (§ 54 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 AVAVG). Für die Arbeitsvermittlung nach § 54 Abs. 1 AVAVG dürfen grundsätzlich Gebühren nur zur Deckung der Unkosten erhoben werden (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AVAVG). Der Bundesminister für Arbeit kann jedoch die Erhebung höherer Gebühren zulassen, wenn und soweit dies für die zweckmäßige Arbeitsvermittlung in diesen Berufen notwendig ist (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AVAVG). Auf Grund dieser Ermächtigung wurde die 10. DV AVAVG vom 23. März 1960 erlassen, die u. a. für die Artistenvermittlung und für die Kapellenvermittlung die Erhebung höherer Gebühren, als sie zur Deckung der mit der Arbeitsvermittlung verbundenen Unkosten erforderlich sind, zuläßt (§ 1 Abs. 1 Ziff. 2 und 5 der 10. DV AVAVG).
Der "Auftrag", der an die Stelle der früheren "Erlaubnis" getreten ist, soll die Arbeitsvermittler stärker als früher an die Bundesanstalt und ihre Aufgaben binden (Draeger-Buchwitz- Schönefelder, a. a. O.). Der beauftragten Person wird die Eigenschaft eines beliehenen öffentlichen Unternehmens zugesprochen, da ihr öffentlich-rechtliche Aufgaben und Befugnisse, die sonst die Bundesanstalt zu erfüllen hat, zugewiesen werden (Draeger-Buchwitz-Schönefelder, a. a. O., § 54 Anm. 3, 4; vgl. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Auflage, 1. Bd., S. 533, und Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 526).
Daraus folgt aber nicht, daß der Arbeitsvermittler kraft Auftrags nach § 54 AVAVG steuerlich gesehen kein Gewerbe mehr ausübt.
Schon verwaltungsrechtlich besteht zwischen der früheren Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung und dem Auftrag nach § 54 AVAVG kein tiefgreifender Unterschied, sondern eine gewisse Verwandtschaft (Kranz, "Die Künstlervermittlung außerhalb der Bundesanstalt nach bisherigem und künftigem Recht", Arbeit, Beruf und Arbeitslosenhilfe - das Arbeitsamt, Fachzeitschrift für die Aufgabengebiete der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1957 S. 117, 119 rechte Spalte; Jellinek, a. a. O., S. 521 f.), zumal auch die gewerbsmäßigen Arbeitsvermittler nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 3. April 1957 eine im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit ausgeübt haben (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 156/58 U, a. a. O.) und der Aufsicht der Bundesanstalt unterlagen (Kranz, a. a. O., S. 120).
Steuerlich übt der Arbeitsvermittler kraft Auftrags nach § 54 AVAVG jedenfalls dann ein Gewerbe und keinen freien Beruf aus, wenn er - wie der Bf. - zu dem Personenkreis gehört, der nach § 55 Abs. 1 Satz 2 AVAVG höhere Gebühren, als sie zur Deckung der Unkosten erforderlich sind, erheben darf (§ 15 Ziff. 1 EStG, § 2 GewStG, § 1 GewStDV).
Nach wie vor betätigt sich der Bf. auf dem Gebiet der Vermittlung von Künstlern und Artisten selbständig (auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung) und nachhaltig (mit Wiederholungsabsicht) und mit der Absicht, Gewinn ( einen überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben) zu erzielen. Insoweit hat sich gegenüber dem Rechtszustand vor dem Inkrafttreten des § 54 AVAVG nichts geändert.
Die Tätigkeit des Bf. stellt aber auch eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar. Denn der Bf. bietet seine Leistung - die Vermittlung von Künstlern und Artisten - gegen Entgelt auf dem Markt dem Personenkreis an, der dafür in Betracht kommt. Dieses Merkmal eines Gewerbebetriebs wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Bf. mit der Arbeitsvermittlung kraft Auftrags eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt.
Der Reichsfinanzhof hat nicht allgemein, sondern nur in besonders gelagerten Fällen eine im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeit nicht mehr als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr angesehen (vgl. Urteile VI 743/37 vom 5. Januar 1938, RStBl 1938 S. 429; VI 214/38 vom 27. April 1938, RStBl 1938 S. 734).
Der Bundesfinanzhof hat mehrfach einen Gewerbebetrieb angenommen, obgleich den betreffenden Personen auch öffentlich- rechtliche Aufgaben übertragen sind (Urteile I 250/54 U vom 13. September 1955, BStBl 1955 III S. 325, Slg. Bd. 61 S. 329; IV 60/53 U vom 8. Juli 1954, BStBl 1954 III S. 261, Slg. Bd. 59 S. 134; IV 178/58 U vom 17. März 1960, BStBl 1960 III S. 209, Slg. Bd. 70 S. 561; IV 236/61 U vom 13. Dezember 1963, BStBl 1964 III S. 99, Slg. Bd. 78 S. 250).
Entscheidend ist nach Auffassung des Senats in derartigen Fällen, ob sich nach dem Gesamtbild die Tätigkeit noch als Teilnahme am privaten wirtschaftlichen Verkehr darstellt.
Danach muß die Tätigkeit des Bf. als gewerblich beurteilt werden. Trotz seines öffentlich-rechtlichen Auftrags wird der Bf. nicht als Behörde tätig. Mögen sich auch bei Erfüllung seiner Aufgaben Verwaltungsakte ergeben können, wie Draeger-Buchwitz- Schönefelder, a. a. O., § 54 Anm. 4, 47, annehmen, so ist doch sein Rechtsverhältnis zu den Beteiligten im wesentlichen privatrechtlich gestaltet. Seine Gebühren sind ein bürgerlich- rechtliches Entgelt für seine Tätigkeit. Der Bf. kann sie daher nicht kraft eigenen Vollstreckungsrechts beitreiben, sondern muß sie gegebenenfalls vor den Zivilgerichten einklagen (Draeger- Buchwitz-Schönefelder, § 54 Anm. 46, § 55 Anm. 2). überhaupt gelten für das Rechtsverhältnis des Bf. zu den Beteiligten die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Maklervertrag (§§ 652 ff. BGB; Draeger-Buchwitz-Schönefelder, a. a. O., § 54 Anm. 46).
Die Tätigkeit des Bf. läßt somit das Gesamtbild eines Gewerbetreibenden erkennen. Die öffentlich-rechtliche Seite seiner Aufgabe tritt demgegenüber weniger in Erscheinung.
Kein Gewerbebetrieb liegt allerdings vor, wenn die Tätigkeit als Ausübung eines freien Berufs im Sinne des Einkommensteuerrechts anzusehen ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 GewStDV).
In § 18 Abs. 1 EStG ist die Arbeitsvermittlung nicht aufgeführt. Die Tätigkeit eines Arbeitsvermittlers ist auch keinem der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgezählten Berufe ähnlich. Daraus, daß in dieser Vorschrift auch bestimmte Berufe genannt werden, die öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegen, kann nicht geschlossen werden, daß alle öffentlich-rechtlich gebundenen Tätigkeiten als freiberuflich anzusehen sind.
Der Bf. will sich nun als Künstler in den Kreis der freien Berufe nach § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG einreihen, da er ähnlich einem Regisseur die Floor-Shows zusammenzustellen und zu gestalten habe.
Der Senat kann es, dem Finanzgericht folgend, dahingestellt sein lassen, ob diese Tätigkeit des Bf. als künstlerisch im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG anzusehen ist. Denn der Bf. hat in dem Verfahren vor dem Finanzgericht nicht dargelegt, daß er seine Einnahmen als Entgelt für seine künstlerische Tätigkeit beziehe. In den Gewerbesteuererklärungen für 1960 und für 1961 hat er seine Einnahmen als "Vermittlungsgebühren" bezeichnet. Daraus muß mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geschlossen werden, daß es sich um die Gebühren handelt, die dem Bf. auf Grund der Vorschriften des 10. DV AVAVG "für die Arbeitsvermittlung" zugeflossen sind. Diese sind, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt und wie schon das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 156/58 U, a. a. O., festgestellt hat, Einnahmen gewerblicher Art. Eine gewisse Beurteilung der Leistungen der Künstler und Artisten ist mit der Vermittlung solcher Personen notwendig verbunden und daher nicht geeignet, den Gebühren für die Vermittlung die Eigenschaft gewerblicher Einnahmen zu nehmen.
Der Bf. behauptet erstmals in der Rb., er erhalte sein Entgelt nicht für die Vermittlung der Künstler und Artisten, sondern ausschließlich für die Gestaltung der Show. Dieses neue Vorbringen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden (§§ 288, 296 AO). Daß der Bf. kein Entgelt erhält, wenn die Show nicht angenommen wird, entspricht allgemeinem Maklerrecht, das nur bei Zustandekommen des Vertrags einen Maklerlohn vorsieht (§ 652 Abs. 1 Satz 1 BGB), und dem damit übereinstimmenden § 2 Abs. 1 Satz 1 der 10. DV AVAVG. Diese Rechtslage rechtfertigt daher nicht die Annahme, daß der Bf. für die Gestaltung der Show und nicht für die Vermittlung der Künstler und Artisten bezahlt wird.
Fundstellen
Haufe-Index 411880 |
BStBl III 1966, 36 |
BFHE 1966, 97 |
BFHE 84, 97 |
StRK, EStG:18 R 377 |