Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderungsanspruch aufgrund Leistung an den Abtretungsempfänger grundsätzlich auch bei Sicherungsabreden - Verwirkung von Rückforderungsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. In den Fällen des § 37 Abs.2 AO 1977 handelt es sich um Rückforderungsansprüche, die nach öffentlichem Recht entstehen. Sie sind eigenständige, an diejenigen gerichtete Ansprüche, an die Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht worden sind (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
2. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs.2 AO 1977 kann in Abtretungsfällen grundsätzlich nicht auf die jeweils unterschiedlichen privaten Rechtsbeziehungen zwischen den an der Abtretung Beteiligten abgestellt werden. Dies gilt auch bei Sicherungsabreden.
3. Der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz des Abtretungsempfängers erfordert es nicht, die Rückforderung nach § 37 Abs.2 AO 1977 von einer vorherigen bestandskräftigen Festsetzung der Steuerschuld des Abtretenden abhängig zu machen.
Orientierungssatz
Verwirkung setzt voraus, daß ein Berechtigter durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, daß nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung seines Rechts als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muß. Allein auf das Zeitmoment kann für die Frage der Verwirkung nicht abgestellt werden. Im Streitfall durfte das FA seine Kenntnisse über die wirtschaftliche Situation der Abtretenden im Hinblick auf das Steuergeheimnis nicht mitteilen.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2, § 46 Abs. 4-5, § § 218 ff.; BGB § 812; AO 1977 § 30
Tatbestand
I. Für den Voranmeldungszeitraum Mai 1983 gab die H-GmbH (H) eine Umsatzsteuervoranmeldung ab, die einen Vorsteuerüberschuß von 1 937 231,25 DM auswies. Dieser resultierte in Höhe von 1 937 000 DM aus drei Lizenz- und Know-how-Kaufverträgen. In Höhe von 1 612 000 DM trat die H den Vergütungsanspruch an die R GmbH (R) ab und zeigte dies dem beklagten und revisionsbeklagten Finanzamt (FA) ordnungsgemäß an. Kurz darauf trat die R ihrerseits den Erstattungsanspruch zur Sicherung eines ihr zugesagten Wechselkredits an die klagende und revisionsklagende Sparkasse (Klägerin) ab und teilte dies dem FA durch Anzeige vom 23.Juni 1983 mit.
Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzte Überschuß wurde am 15.Juli 1983 in Höhe des Abtretungsbetrages an die Klägerin ausgezahlt. Aufgrund der zügigen Erstattung erledigte sich das Kreditbegehren der R. Daher stellte die Klägerin den gesamten Betrag unmittelbar der R auf deren Girokonto mit Wertstellung zum 19.Juli 1983 zur Verfügung.
Nachdem das FA aufgrund verschiedener Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt war, den Voranmeldungen der H lägen Scheingeschäfte zugrunde, setzte es mit Bescheid vom 10.Oktober 1983 die Umsatzsteuer für Mai 1983 auf ./. 231,25 DM fest, forderte den Betrag von 1 937 000 DM von der H zurück und erließ gegen den Geschäftsführer der H einen Haftungsbescheid. Über den Einspruch der H gegen die --auch dem Umsatzsteuerjahresbescheid 1983 zugrunde liegende-- Steuerfestsetzung ist noch nicht entschieden; der Einspruch des Geschäftsführers der H gegen den Haftungsbescheid ruht.
Mit Schreiben vom 10.Oktober 1983 teilte das FA der Klägerin die Änderung der Steuerfestsetzung gegen die H für Mai 1983 mit und forderte sie zur Rückzahlung der an sie ausgezahlten 1 612 000 DM bis zum 31.Oktober 1983 mit der Begründung auf, sie sei ungerechtfertigt bereichert. Die Klägerin bestritt den Anspruch, bat, die Frage der rechtsgrundlosen Erstattung zunächst mit der H rechtsverbindlich zu klären, und brachte, nachdem sich das FA nicht geäußert hatte, mit Schreiben vom 6.März 1984 zum Ausdruck, daß sie den Rückforderungsanspruch als erledigt ansehe. Dem widersprach das FA mit Schreiben vom 22.Mai 1984 und wies darauf hin, daß der Rückforderungsanspruch in Abstimmung mit der Oberfinanzdirektion (OFD) "vorgerichtlich" geltend gemacht werden würde. In der Folgezeit (1984 bis 1986) unterblieb die Geltendmachung; daher ging die Klägerin von der Erledigung der Angelegenheit aus und sah davon ab, ihr wegen der angekündigten Rückforderung betriebenes Sicherungsbegehren gegen die R-Firmengruppe weiterhin mit Nachdruck zu verfolgen.
Mit Bescheid vom 15.Juli 1987 machte das FA den Anspruch auf Rückerstattung gemäß §§ 218 Abs.2 Satz 2, 37 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) in Höhe von 1 612 000 DM gegen die Klägerin als Leistungsempfängerin geltend. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung des Rückforderungsbescheids weiter. Sie räumt ein, daß die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die Person des Leistungsempfängers in Abtretungsfällen im Einklang stehe, meint aber, gewichtige Argumente sprächen dafür, diese Rechtsprechung zu überdenken. Ein Zessionar (Abtretungsempfänger) sei nicht "Leistungsempfänger" und deshalb nicht Anspruchsgegner eines Rückforderungsanspruchs aus § 37 Abs.2 AO 1977.
Im Streitfall habe das FA mit der Zahlung die Erfüllung eines Umsatzsteuererstattungsanspruchs bezweckt; folgerichtig sei Leistungsempfänger nicht der Abtretungsempfänger, sondern der Abtretende. In Fällen der Sicherungsabtretung, in denen der Steuerschuldner im Innenverhältnis wirtschaftlicher Inhaber des Erstattungs- und Vergütungsanspruchs bleibe, sei Leistungsempfänger stets der Abtretende. Dies sei auch der Standpunkt des Bundesgerichtshofs (BGH). Nach dessen gefestigter Rechtsprechung richte sich der Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) grundsätzlich gegen den Abtretenden, weil der Schuldner regelmäßig mit der Leistung an den Abtretungsempfänger auch aus dessen Sicht seine vermeintliche Schuld gegenüber dem Abtretenden begleichen wolle (BGH, Urteil vom 2.November 1988 IV b ZR 102/87, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1989, 900). Einen Bereicherungsanspruch gegen den Abtretungsempfänger lasse der BGH nur bei "besonderen Umständen im Einzelfall" zu (BGH, a.a.O., S.901).
Im übrigen sei im Streitfall die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs verwirkt. Das FA habe zwar dem Schreiben der Klägerin vom 6.März 1984 am 22.Mai 1984 widersprochen. Danach habe es jedoch einen so langen Zeitraum verstreichen lassen, daß die Klägerin den mehr als drei Jahre später ergangenen Rückforderungsbescheid an sie als illoyales Verhalten habe empfinden müssen. Das gelte um so mehr angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen sich die H seinerzeit bereits befunden habe.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz den Rückforderungsbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanz hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß der aus der Herabsetzung des Vorsteuerüberschusses resultierende Rückforderungsanspruch des FA gegen die Klägerin als Abtretungsempfängerin (Zessionarin) und Empfängerin des Erstattungsbetrages geltend gemacht werden kann. Die Klägerin ist als Zessionarin Leistungsempfängerin der an sie ausgezahlten Steuererstattung und als solche zur Rückzahlung verpflichtet (§ 37 Abs.2 AO 1977).
1. Zur Begründung verweist der Senat auf seine Entscheidung vom 6.Dezember 1988 VII R 206/83 (BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223), der er bisher ständig gefolgt ist (vgl. Senatsurteile vom 14.Februar 1989 VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751; vom 6.Februar 1990 VII R 97/88, BFHE 160, 197, BStBl II 1990, 671, und vom 27.Oktober 1992 VII R 44/91, BFH/NV 1993, 344).
2. Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung der im Streitfall vorgetragenen Argumente keinen Anlaß zur Aufgabe seiner Rechtsprechung zu den hier maßgeblichen Rechtsfragen.
a) Der Einwand, die finanzgerichtliche Rechtsprechung gelange gegenüber der Rechtsprechung des BGH in solchen Fällen zu anderen Ergebnissen, in denen eine Leistung zurückgefordert werde, die aufgrund Abtretungsanzeige an den Abtretungsempfänger erfolgt sei (vgl. zur Kritik und zur Zweckrichtung bei erfolgter Abtretung erfüllungs- und/oder sicherungshalber Dörner, Kondiktion gegen den Zedenten oder gegen den Zessionar?, NJW 1990, 473, 474 f.), greift schon deshalb nicht durch, weil die Rechtsprechung des BFH darauf beruht, daß es sich in den Fällen des § 37 Abs.2 AO 1977 --anders als in den vom BGH entschiedenen, privatrechtliche Rechtsbeziehungen betreffenden Fällen-- um Erstattungsansprüche handelt, die --durch Wegfall des Rechtsgrunds für eine Steuerzahlung, -erstattung oder -vergütung-- nach öffentlichem Recht entstehen. Diese sind Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips, daß derjenige, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile in BFHE 155, 40, und 160, 197 m.w.N.). Die Ansprüche sind also auf Rückgewährung von --zu Unrecht gewährter-- Leistungen gerichtet. Sie hängen nicht vom Bestehen eines Steuerschuldverhältnisses zwischen dem FA und dem Schuldner der zurückzugewährenden Leistung ab. Es handelt sich vielmehr um eigenständige an diejenigen gerichtete Ansprüche, an die Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht worden sind (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1993, 344, 345).
Dies gilt nicht erst, seitdem der Rückforderungsanspruch in § 37 Abs.2 AO 1977 positiv-rechtlich geregelt ist. Es galt auch bereits für die Rechtslage nach der Reichsabgabenordnung (AO). Mit § 37 Abs.2 AO 1977 sollte nichts Neues geregelt, sondern nur verdeutlicht werden, was bereits in der AO angelegt war. Mit der Regelung in § 37 Abs.2 AO 1977 ist eine allgemeine Umschreibung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs des Inhalts angestrebt worden, daß derjenige verpflichtet ist, den Betrag zu erstatten, an den die Steuer oder Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist (vgl. die Begründung zu § 199 Abs.2 des Entwurfs einer AO 1974, BTDrucks VI/1982, S.168; Bericht des Finanzausschusses zu § 37 AO 1977, BTDrucks 7/4292, S.19).
Nicht gezahlt oder zurückgezahlt ist die Steuer oder Steuervergütung an denjenigen, der die Zahlung für einen anderen als Vertreter, Bote, Zahlstelle oder "Empfangsstelle" in Empfang genommen hat. Das ist auch dann der Fall, wenn der --und sei es nur vermeintlich-- Erstattungsberechtigte den Zahlenden zur Auszahlung des ihm --ggf. nur vermeintlich-- Zustehenden an einen Dritten angewiesen (vgl. zusammenfassend Senatsurteil in BFHE 155, 40 mit Nachweisen) oder er dem Zahlenden die Auszahlung an einen Dritten vertraglich gestattet hat (vgl. Senatsurteil vom 12.November 1985 VII R 119/81, BFH/NV 1986, 642, 644 zum Verrechnungsvertrag).
Schon wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der im Streitfall zu beurteilenden Rechtsfragen im Rahmen der Anwendung der §§ 37 Abs.2 und 46 AO 1977 ist eine --von der Klägerin angeregte-- Anrufung des Gemeinsamen Senats nicht geboten (§ 2 Abs.1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes).
Die Rechtsauffassung des Senats steht --entgegen den Ausführungen der Revision-- auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), wie sie in der Entscheidung des BVerwG vom 12.März 1985 7 C 48.82 (BVerwGE 72, 85, NJW 1985, 2436) zum Ausdruck kommt. Wie das BverwG in der angegebenen Entscheidung ausgeführt hat, findet der Rechtsgedanke, daß Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden müssen, im bürgerlichen Recht seine Ausprägung in den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung, während er sich im öffentlichen Recht in einer Vielzahl von Vorschriften niedergeschlagen hat, in denen für das jeweilige Rechtsgebiet die Rückgewähr des rechtsgrundlos Erlangten geregelt ist. Soweit es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung fehlt, entsprechen zwar die Anspruchsvoraussetzungen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nach Auffassung des BVerwG denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs; einer entsprechenden Anwendung der Regelungen des BGB über den Wegfall der Bereicherung steht aber die unterschiedliche (in den öffentlich- rechtlichen Vorschriften auch zum Ausdruck kommende) Wertung der Interessen des Bürgers (Schutz berechtigten Vertrauens) und der Verwaltung (Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands wegen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) entgegen. Da § 37 Abs.2 AO 1977 eine spezielle Vorschrift für Erstattungs- bzw. Rückforderungsansprüche im Steuerrecht enthält und ihre Regelungen --insbesondere die Bestimmung des "Leistungsempfängers" als Anspruchsgegner-- für die Entscheidung des Streitfalls ausreichen, sind Rückgriffe auf zivilrechtliche Erkenntnisse nicht erforderlich und auch nicht zulässig.
b) Soweit die Revision der Auffassung ist, das FA habe --anders als das FG meint-- mit seiner Zahlung nur die Erfüllung eines Umsatzsteuererstattungsanspruchs der H. (Zedentin) "bezweckt" und infolgedessen sei diese auch der Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs.2 AO 1977, kann dem nicht gefolgt werden. In den Fällen der Abtretung eines Erstattungsanspruchs geht der Senat in ständiger Rechtsprechung von dem Regelfall aus, daß das FA willentlich an den Abtretungsempfänger zahlt und dieser den ausgezahlten Betrag aus eigenem (Empfangs-)Recht erhält (vgl. zuletzt etwa Senatsurteil in BFHE 160, 197). Damit stellt der Senat --dem in § 37 Abs.2 AO 1977 zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers entsprechend-- maßgeblich auf die Tatsache der Zahlung einer Steuer oder Steuervergütung und auf das Recht am Empfang der Zahlung ab; denn als Inhaber des (reinen) Zahlungsanspruchs (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 21.März 1975 VI R 238/71, BFHE 115, 413, BStBl II 1975, 669, 671) rückt der Abtretungsempfänger jedenfalls insoweit in die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen ein (vgl. Senatsurteile in BFHE 155, 40, und in BFH/NV 1989, 751). Für den vom FA verfolgten Zahlungszweck ist es deshalb unerheblich, daß die Gesamtrechtsstellung des Steuerpflichtigen aus dem Steuerschuldverhältnis nicht übertragen werden kann.
Der Streitfall bietet keinen Anlaß zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Zwar kann sich die Frage nach dem Zweck einer Zahlung durch das FA bzw. deren Zweckverfehlung dann stellen, wenn --anders als in Abtretungsfällen-- der Zahlungsanspruch beim Erstattungsgläubiger verblieben ist, das FA als Schuldner der Steuererstattung aber durch Zahlung an den Erstattungsgläubiger den Zahlungsanspruch nicht zum Erlöschen bringen kann, weil dem Erstattungsgläubiger die Erfüllungszuständigkeit --wegen eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegenüber ihm als Vollstreckungsschuldner-- fehlt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 1.März 1990 VII R 103/88, BFHE 160, 128, BStBl II 1990, 520). Um einen derartigen Sachverhalt handelt es sich jedoch im Streitfall nicht; die Abtretung des Erstattungsanspruchs an die Klägerin war wirksam, eine vorrangige Pfändung lag nicht vor.
Wie die Vorinstanz ausführt, hat das FA durch die Zahlung an den Abtretungsempfänger dessen Vermögen bewußt und zweckgerichtet gemehrt. Den tatbestandlichen Feststellungen des FG ist etwas hiervon Abweichendes nicht zu entnehmen. Sollte in den Ausführungen der Klägerin hinsichtlich des Zwecks der Leistung des FA an die Klägerin ein anderweitiges, neues tatsächliches Vorbringen enthalten sein, könnte die Klägerin --da der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)-- damit im Revisionsverfahren auch nicht gehört werden.
c) An der vorstehend dargestellten, sich aus der Regelung des § 37 Abs.2 AO 1977 ergebenden Rechtslage ändert sich auch dadurch nichts, daß es sich bei der Abtretung an die Klägerin im Streitfall um eine Sicherungsabtretung handelt und der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen nach § 46 Abs.4 AO 1977 nur Kreditinstituten erlaubt ist.
Sofern --wie im Streitfall-- die Abtretungsanzeige nach § 46 Abs.3 AO 1977 formgerecht und damit formell wirksam erfolgt ist, bewirkt jede Abtretung, und damit auch die in § 46 Abs.4 AO 1977 ausdrücklich angesprochene Sicherungsabtretung, daß Abtretender und Abtretungsempfänger der Finanzbehörde gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen müssen (§ 46 Abs.5 AO 1977). Allein aus der Tatsache der Sicherungsabrede folgt --entgegen der Auffassung der Revision-- nicht, daß auch bei Auszahlung an den Zessionar (Sparkasse) stets der Abtretende als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs.2 AO 1977 anzusehen ist. Für eine zu anderen Ergebnissen führende wirtschaftliche Betrachtungsweise, die --wie von der Klägerin vorgetragen-- im Falle der Abtretung an Kreditinstitute auf das Verhältnis des Abtretenden zum Abtretungsempfänger (Kreditinstitut) abstellen würde, und zwar entweder auf das im Innenverhältnis mit der Sicherungsabtretung regelmäßig Bezweckte (Forderungsinhaber bleibt wirtschaftlich der Abtretende) oder auf die im Innenverhältnis vereinbarte Verwendung der Zahlung nach Empfang durch das Kreditinstitut (Verrechnung im kreditgewährenden Girokontoverkehr), ist angesichts der klaren gesetzlichen Regelungen in den §§ 37 und 46 AO 1977 kein Raum (vgl. im übrigen zu den rechtssystematischen Bedenken Dörner, a.a.O., S.476). Der Abtretungsempfänger, auf den der Zahlungsanspruch mit der Abtretung --wenn auch zur Sicherheit-- rechtlich übergeht, unterscheidet sich gerade durch den Übergang des Zahlungsanspruchs auf ihn (eigene rechtliche Verfügungsbefugnis) von demjenigen, der als Empfänger für den Erstattungsberechtigten (Gläubiger) deshalb eingeschaltet ist, weil der Gläubiger seinen Schuldner (den Erstattungsverpflichteten) angewiesen hat, an jenen Dritten statt an ihn selbst zu zahlen (vgl. zu den strukturellen Unterschieden von Anweisungen und Zession Dörner, a.a.O., S.474, 476 zu 2), oder weil er Entsprechendes mit ihm vereinbart hat.
d) Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs.2 AO 1977 kann somit in Abtretungsfällen --anders als etwa beim zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch, bei dem nur privatrechtliche Interessen auszugleichen sind-- nicht auf die besonderen, jeweils unterschiedlichen privaten Rechtsbeziehungen zwischen den Zessionsbeteiligten abgestellt werden. Diese entziehen sich regelmäßig der Kenntnis des rückforderungsberechtigten FA, insbesondere wenn --wie im Streitfall-- mehrere Abtretungen und Sicherungsabtretungen hintereinander geschaltet sind. Ebenso wie das FA bei einer Sicherungsabtretung bei der Auszahlung des Steuererstattungs- (Vergütungs-)Betrages nicht zu prüfen braucht, ob der Abtretungsempfänger nach der bestehenden Sicherungsabrede zur Einziehung des abgetretenen Betrages befugt ist, kann es im Regelfall auch eine zu Unrecht geleistete Zahlung unabhängig von Bestand und Inhalt der Sicherungsabrede vom Abtretungsempfänger zurückverlangen.
Der erkennende Senat hat indes im Urteil vom 27.Oktober 1992 VII R 46/92 (BFHE 169, 570) für die Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattung nach § 10 Abs.1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) i.V.m. § 48 Abs.2 Satz 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), bei der ebenfalls der Erstattungsanspruch zur Sicherheit an eine Bank abgetreten war, entschieden, daß der Abtretende Leistungsempfänger bleibe mit der Folge, daß der Rückforderungsanspruch nur gegen ihn gegeben sei. Es kann dahinstehen, ob die Entscheidung auch so getroffen worden wäre, wenn der Anspruch auf § 37 Abs.2 AO 1977 hätte gestützt werden müssen, dessen Anwendung der Senat dort ausdrücklich abgelehnt hat. Das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs gegen die Bank ist in dem vorstehend zitierten Urteil nicht allein wegen der Sicherungsabtretung, sondern wegen der besonderen Gestaltung der Beziehungen zwischen den Beteiligten, die im Streitfall in dieser Form nicht vorliegen, verneint worden. Der Abtretende war dort aufgrund der Sicherungsabreden berechtigt, die abgetretenen Rechte für die Bank mit der Maßgabe geltend zu machen, daß die Zahlung auf sein eigenes bei der Bank geführtes Konto zu erfolgen hatte. Da das Hauptzollamt die Ausfuhrerstattungen auch auf dieses Konto des Abtretenden, über das er weiter verfügen konnte, überwiesen hatte, ging der Senat von einer wirtschaftlich und tatsächlich an den Zedenten --und nicht an die Bank-- geleisteten Zahlung aus mit der Folge, daß er einen Rückforderungsanspruch nur gegen den Abtretenden als tatsächlichen Leistungsempfänger bejahte (BFHE 169, 570, 571, 575, 576). Im Streitfall liegt --außer der Sicherungsabtretung-- eine derartige Gestaltung der vom FA geleisteten Zahlung nicht vor. Das FA hat die abgetretene Umsatzsteuervergütung --wie das FG festgestellt hat-- am 15.Juli 1983 an die Klägerin (Sparkasse und Abtretungsempfängerin) überwiesen. Erst anschließend --am 19.Juli 1983-- hat die Klägerin, weil es nicht zur Kreditgewährung an die R (Zedentin) gekommen ist, dieser den Auszahlungsbetrag auf deren Girokonto zur Verfügung gestellt. Nach den Feststellungen des FG hatte das FA von dem Scheitern des Kreditverhältnisses und damit von der Weiterleitung des Vergütungsbetrages durch die Sparkasse an die Zedentin keine Kenntnis (Urteil S.14, 15). In diesem Falle ist es berechtigt, die Sparkasse als Leistungsempfängerin und Rückzahlungsverpflichtete nach § 37 Abs.2 AO 1997 anzusehen, da das FA --wie oben ausgeführt-- allein aufgrund der Sicherungsabtretung keine Veranlassung hatte, vor seiner Zahlung die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zwischen Abtretenden und Abtretungsempfänger näher festzustellen.
e) Der Revision ist auch nicht in der Ansicht zu folgen, ein Mindestmaß an verfassungsrechtlich gebotenem Rechtsschutz zugunsten von Abtretungsempfängern sei nur gewährleistet, wenn erst die Bestandskraft eines Änderungsbescheids den Wegfall des rechtlichen Grundes auslöse. Denn der Abtretungsempfänger kann rechtlich nicht besser gestellt werden als der Steuerpflichtige selbst.
Die Erfüllung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs.2 AO 1977 gehört (§ 37 Abs.1 AO 1977), erfolgt im Erhebungsverfahren. Dabei kann --wie im Streitfall-- die Auszahlung des Erstattungs-/Vergütungsanspruchs aufgrund einer Festsetzung erfolgen, die noch nicht bestandskräftig ist. Ebenso bedarf die entsprechende Rückforderung nach § 37 Abs.2 AO 1977 nicht einer vorherigen bestandskräftigen Festsetzung der Steuerschuld. Durch eine Abtretung des Anspruchs ändert sich zwar der Zahlungsempfänger, das Steuerschuldverhältnis bleibt davon aber unberührt; denn mit der Abtretung eines aus einem Steuerschuldverhältnis herrührenden Erstattungs-/Vergütungsanspruchs geht nur der Zahlungsanspruch auf den Abtretungsempfänger über (vgl. BFHE in BFHE 115, 413, BStBl II 1975, 669).
Unabhängig davon, ob --wie im Streitfall-- der den Rechtsgrund der Zahlung bildende Verwaltungsakt bereits unter einem ausdrücklichen Vorbehalt (der Nachprüfung und damit des potentiellen Wegfalls) ergangen ist, kann aber einem Abtretungsempfänger mit dem Zahlungsanspruch stets nur die Rechtsposition übertragen werden, die der Abtretende im Erhebungsverfahren innehat. Das gilt in gleichem Maße für den Rechtsschutz. Auch insoweit kann der Empfänger nicht mehr an Recht erlangen, als derjenige hat, der ihm das Recht überträgt. Wer sich demgemäß eine steuerrechtliche Forderung abtreten läßt, übernimmt eine mit dem Risiko ihres Bestehens behaftete Forderung. Ein besonderer Schutz für denjenigen, der --freiwillig-- eine solche risikobehaftete Forderung übernimmt, ist der Rechtsordnung nicht zu entnehmen; er bedarf dessen auch nicht, denn er kann seine Rechte im Zivilrechtsweg gegen den Abtretenden verfolgen.
f) Die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs verstößt nicht gegen die auch im Steuerrecht geltenden Grundsätze von Treu und Glauben (vgl. hierzu generell BFH-Urteil vom 9.August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990), insbesondere nicht gegen das als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung anzusehende Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14.September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121, 124).
Verwirkung setzt voraus, daß ein Berechtigter durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, daß nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung seines Rechts als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muß (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 4 AO 1977 Tz.67 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). Das FG hat zu Recht entschieden, daß es im Streitfall an einem Vertrauenstatbestand fehlt, d.h. an einem bestimmten Verhalten des FA, aufgrund dessen die Klägerin bei objektiver Beurteilung hätte annehmen dürfen, das FA würde den Rückforderungsanspruch nicht mehr geltend machen. Allein auf das Zeitmoment, selbst wenn auf den Zeitraum zwischen dem Schreiben des FA vom 22.Mai 1984 und dem Bescheid vom 15.Juli 1987 abgehoben werden würde, kann entgegen der Auffassung der Revision für die Frage der Verwirkung nicht abgestellt werden. Denn das FA hat in dem Schreiben vom 22.Mai 1984 ausdrücklich darauf hingewiesen, der Rückforderungsanspruch werde in Abstimmung mit der OFD ("vorgerichtlich") geltend gemacht werden. Andere Äußerungen des FA gegenüber der Klägerin hinsichtlich der Rückforderung hat das FG nicht festgestellt und sind auch von der Revision nicht vorgetragen worden.
Das FA hat aber auch nicht dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen, daß es seine Kenntnisse --sofern es solche überhaupt besaß-- über die wirtschaftliche Situation der Abtretenden nicht der Klägerin mitgeteilt hat, so daß diese sich nicht im Innenverhältnis vor den Folgen der Rückforderung schützen konnte. Hierzu bestand nicht nur keine Verpflichtung, auch nicht etwa aus vorangegangenem Tun; einem solchen Verhalten hätte auch das Steuergeheimnis entgegengestanden. Im übrigen kann sich die Klägerin auf Umstände, die das Festsetzungsverfahren betreffen, und deshalb auch auf Gesichtspunkte, die die Frage betreffen, wie rasch das FA die Nachprüfung des dem Erstattungsanspruch zugrunde liegenden Steuerbescheids hätte durchführen müssen, im hier vorliegenden Rechtsstreit nicht berufen (vgl. Senatsurteil vom 22.Juli 1986 VII R 10/82, BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776).
Fundstellen
Haufe-Index 64606 |
BFH/NV 1994, 25 |
BFHE 173, 1 |
BFHE 1994, 1 |
BB 1994, 1279 |
BB 1994, 1279-1281 (LT) |
BB 1994, 493 |
DB 1994, 966-968 (LT) |
DStR 1994, 359 (KT) |
HFR 1994, 305-306 (LT) |
StE 1994, 147 (K) |