Entscheidungsstichwort (Thema)
Einem beratenden Betriebswirt ähnlicher Beruf
Leitsatz (NV)
1. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann; dazu gehören die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit.
2. Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule (Diplom/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt), muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Zur Ermittlung, ob entsprechende Kenntnisse vorhanden sind, ist ggfs. Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben.
3. Neben dem Nachweis der theoretischen Kenntnisse ist auch festzustellen, ob der Steuerpflichtige eine vergleichbare Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) absolvierte nach Ablegung des Abiturs zunächst eine Ausbildung zum Müller. Später bildete er sich zum Müllermeister fort. Bis 1985 betrieb er eine Müllerei. Die Anzahl seiner Mitarbeiter betrug zwei bis drei. Ab dem Jahr … baute er dazu parallel ein Fuhrgeschäft auf, welches er als Speditionsunternehmer bis 1986 betrieb. In Spitzenzeiten beschäftigte er 14 bis 15 Mitarbeiter und hatte 13 bis 14 LKW in seinem Bestand. Für die Müllerei erstellte der Kläger die Buchführung mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, für das Speditionsunternehmen dagegen seine Ehefrau unter seiner Aufsicht. Nach dem Verkauf mehrerer Speditionsfahrzeuge arbeitete er im Bereich "Umwelt- und Entsorgungstechnik".
Der Kläger entwickelte hochwertige technische Geräte für den individuellen Gebrauch und baute diese entsprechend den Erfordernissen der Entsorgungs- und Umwelttechnik um. Darüber hinaus unternahm er umfangreiche chemische Versuche mit verschiedenen Flockungsmitteln, die er im Laufe der Jahre mit dem Ziel weiterentwickelte, Flüssigkeit optimal aus dem Klärschlamm heraustrennen zu können. Diesbezüglich eignete er sich durch Studium der Fachliteratur und den Besuch von Fachkongressen ein umfangreiches theoretisches Wissen an. Zudem verfügte er aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen über umfassende Praxiskenntnisse.
Der Kläger war bis zum 31. Dezember 1995 Gesellschafter der … OHG (OHG), welche im Bereich der Entsorgungs- und Umwelttechnik gewerblich tätig war. Am 30. Januar 1996 schloss er mit der Nachfolgefirma der OHG, der … GmbH (GmbH), einen Beratervertrag mit Wirkung ab 1. Januar 1996 ab. Gegenstand dieses Vertrages ist die Beratung der GmbH in allen abfallwirtschaftlichen Fragen, in Fragen der Betriebsorganisation, Innovation, Akquisition, Kundenbetreuung, der technischen Abwicklung sowie des Unternehmensbestandes.
Aus der Beratertätigkeit erzielte er im Streitjahr Einkünfte in Höhe von 82 800 DM, die er als Einkünfte aus selbständiger Arbeit in seiner Einkommensteuererklärung erklärte.
Nach Durchführung einer Außenprüfung wertete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) diese Beratertätigkeit als gewerbliche Tätigkeit und setzte mit Bescheid vom 20. Juli 1999 den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag auf 456 DM fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2000 als unbegründet zurückwies.
Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Der Kläger sei freiberuflich tätig gewesen, indem er einen dem Katalogberuf "beratender Betriebswirt" ähnlichen Beruf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeübt habe.Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und der Anhörung des Klägers stehe zur Überzeugung des Senats fest, dass dieser den erforderlichen Nachweis der theoretischen Kenntnisse anhand eigener praktischer Arbeit geführt habe. Der Kläger habe sich verpflichtet, die GmbH in allen abfallwirtschaftlichen Fragen, in Fragen der Betriebsorganisation, Innovation, Akquisition, Kundenbetreuung, der technischen Abwicklung sowie des Unternehmensbestandes zu beraten. Diese Art der Tätigkeit erfordere betriebswirtschaftliche Kenntnisse in Theorie und Praxis, die sich der Kläger im Laufe seines langen Berufslebens durch stetige berufliche Weiterqualifikation in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen angeeignet habe. Aufgrund seiner umfassenden breit gefächerten Kenntnisse sei der Kläger stets in der Lage, auf branchenspezifische Probleme zu reagieren, nach Alternativen zu suchen und diese erfolgreich und gewinnbringend umzusetzen. Er habe nicht nur die jeweiligen innerbetrieblichen Strukturen auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft, sondern jeweils den betrieblichen Ist-Zustand auf seine Entwicklungsmöglichkeiten am Markt analysiert. Insofern habe er sich mit Fragen der Führung, der Organisation, der Fertigung, der Materialwirtschaft, der Finanzierung sowie des Vertriebs beschäftigt. Darüber hinaus habe der Kläger über theoretische und praktische Kenntnisse in den Bereichen Buchführung und Personalwesen verfügt. Da bereits aus den genannten Gründen eine freiberufliche Tätigkeit vorliege, sei nicht mehr darüber zu entscheiden, ob der Kläger aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse, insbesondere auf dem Gebiet der Entsorgungs- und Umwelttechnik, eine einem Ingenieur ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeübt habe.
Mit der Revision macht das FA geltend: Dem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts entsprechend liege ein ähnlicher Beruf nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruhe und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten Bereich erstrecke (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. August 2003 IV R 21/02, BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919). Der Autodidakt müsse den Nachweis der theoretischen Vorbildung durch eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsarbeiten, anhand seiner praktischen Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung nachweisen. Nach Auffassung des FA sei nicht erwiesen, dass der Kläger eine Ausbildung in der erforderlichen Tiefe und Breite besitze. Allein die Tatsache, dass der Kläger in verschiedenen Bereichen unternehmerisch erfolgreich tätig gewesen sei, auf branchenspezifische Probleme flexibel reagiere, nach Alternativen suche und diese erfolgreich und gewinnbringend einsetze, reiche als Nachweis für breite theoretische Kenntnisse nicht aus. Die fachliche Breite des Ingenieurberufs könne für die Tätigkeit des Klägers ebenfalls nicht bejaht werden.
Die in der mündlichen Verhandlung aufgeworfenen Fragen seien von einer Wissensprüfung weit entfernt und seien zudem nicht von einem Sachverständigen oder einem Gutachter gestellt worden. Genau das wäre aber erforderlich gewesen, da das Gericht in der Regel selbst nicht über hinreichende Sachkunde zur Beurteilung des Wissenstandes verfüge. Zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit sei es ausreichend, wenn der Steuerpflichtige seine Tätigkeit nur für einen Vertragspartner ausübe.
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung sei er einer Wissensprüfung unterzogen worden, deren Ergebnis auch in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck komme; es seien ihm durch einen der ehrenamtlichen Richter, der als Samtgemeindedirektor in umfangreichem Maße mit der Problematik der Abfall- und Entsorgungswirtschaft kommunaler Einrichtungen vertraut gewesen sei, gezielt Fragen der allgemeinen, aber auch der speziellen Betriebswirtschaftslehre der Abfall- und Entsorgungswirtschaft gestellt worden. Zudem erbringe er seine Beratungsleistung allein gegenüber der GmbH; damit sei eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gegeben sind.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übt den Beruf des beratenden Betriebswirts i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG derjenige aus, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft (Unternehmensführung, Leistungserstellung --Fertigung von Gütern/Bereitstellung von Dienstleistungen--, Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen) und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Diesem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts entsprechend liegt ein "ähnlicher Beruf" nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruht und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteile in BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919; vom 19. September 2002 IV R 74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27). Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann; dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit (BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989).
Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule (Diplom/ graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt), muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919). Den Nachweis seiner Kenntnisse kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen. Letztere kann im Wege eines Sachverständigengutachtens vorgenommen werden, indem der Gutachter den Steuerpflichtigen gewissermaßen examiniert. Die Wissensprüfung kann allerdings nur dann als ergänzendes Beweismittel in Betracht kommen, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte. Im Hinblick darauf, dass ein Misserfolg bei der Wissensprüfung weit reichende Folgen über den Prozessverlust hinaus haben kann, ist das Gericht nicht verpflichtet, diesen Beweis ohne entsprechenden Antrag des Klägers zu erheben (BFH-Urteil in BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27; BFH-Beschluss vom 14. Juli 2004 XI B 144/03, zitiert nach juris Nr: STRE200451115).
2. Im Streitfall hat das FG allein darauf abgestellt, dass der Kläger den erforderlichen Nachweis der theoretischen Kenntnisse anhand eigener praktischer Arbeiten geführt habe. Es hat aber keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der Kläger eine einem beratenden Betriebswirt vergleichbare Tätigkeit im Streitjahr tatsächlich ausgeübt hat. Es fehlen konkrete Angaben zu den von dem Kläger aufgrund des Beratungsvertrages vom 30. Januar 1996 tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten; ohne diese Angaben lässt sich nicht beurteilen, ob diese Tätigkeiten der qualifizierten Arbeit eines beratenden Betriebswirts entsprechen.
3. Das FG hat ggf. Beweis durch Sachverständigengutachten darüber zu erheben, ob der Kläger Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre in einer Breite besitzt, wie sie die Ausbildungsgänge zum Diplomkaufmann, zum Diplombetriebswirt (FH) oder zum staatlich geprüften Betriebswirt vermitteln, und ob der Kläger mit Hilfe dieser Kenntnisse in den Streitjahren eine Beratungstätigkeit in einem der Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre ausgeübt hat. Ggf. kann der Kläger auch die Durchführung einer Wissensprüfung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn der Beweis über einen ausreichenden Kenntnisstand auf anderem Wege nicht geführt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2002 IV R 56/00, BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768; BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 2003 IV B 214/01, BFH/NV 2004, 56, und in juris Nr: STRE200451115).
4. Der Senat weist darauf hin, dass eine nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auch bei demjenigen gegeben sein kann, der Leistungen nur einem einzigen Abnehmer gegenüber erbringt, wenn die zu beurteilende Tätigkeit nach Art und Umfang dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht (BFH-Urteil vom 22. Januar 2003 X R 37/00, BFHE 201, 264, BStBl II 2003, 464; BFH-Beschluss vom 28. Januar 2003 VIII B 227/02, BFH/NV 2003, 905).
Fundstellen
Haufe-Index 1455521 |
BFH/NV 2006, 505 |
NWB 2006, 50 |
EStB 2006, 14 |