Leitsatz (amtlich)
a) Tritt im Laufe eines Rechtsstreits eine Gesetzesänderung in Kraft, die sofortige Wirksamkeit entfaltet, gebieten es die Grundsätze des fairen Verfahrens und die Fürsorgepflicht des Gerichts, dass es der erstinstanzlich erfolgreichen Partei rechtzeitig einen Hinweis darauf erteilt, dass es die Rechtslage anders beurteilt als das erstinstanzliche Gericht. Dies gilt auch dann, wenn der Prozessgegner der anwaltlich vertretenen Partei auf Schlüssigkeitsbedenken hingewiesen hat, für das Gericht aber offen zu Tage tritt, dass der Hinweis nicht richtig verstanden wurde.
b) Zahlt der Gesellschafter den Einlagebetrag (hier: aus einer Kapitalerhöhung) nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein zweites Mal an die Gesellschaft verbunden mit der Anweisung, die Zahlung an ihn zur Tilgung seiner Bereicherungsforderung aus einem ersten, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch zurück zu überweisen, liegt darin eine verdeckte Sacheinlage in Form des Hin- und Herzahlens.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; GmbHG § 19 Abs. 4 n.F.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten zu 1) und 2) und des Nebenintervenienten der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Nürnberg vom 13.10.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 926.701,38 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beklagten zu 1) bis 4) sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR), die ihrerseits ab August 2000 Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin, einer GmbH, war. Mit Gesellschafterbeschluss vom 11.10.2000 wurde das Stammkapital der Insolvenzschuldnerin um 969.322,49 EUR erhöht und die GbR zur Übernahme des Erhöhungsbetrages zugelassen. Die Kapitalerhöhung wurde am 6.11.2000 beim Registergericht angemeldet, die Eintragung erfolgte am 4.12.2000. Am 25. und 26.9.2000 waren auf Konten der Insolvenzschuldnerin 2 Mio. DM eingegangen mit dem Vermerk "T. Gruppe - Stammkapitalerhöhung". Die von den Beklagten beherrschte T. KG hatte der GbR insoweit ein Darlehen gewährt. Im Zeitpunkt der Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses waren die überwiesenen 2 Mio. DM bis auf einen Betrag von 83.359,64 DM für das operative Geschäft der Insolvenzschuldnerin verbraucht. Am 26.10.2000 gewährte die S. Bank eG der GbR ein Darlehen i.H.v. 2 Mio. DM für den Verwendungszweck "Finanzierung Gesellschaftereinlagen". Am 4.11.2000 mit Wertstellung am 15.11.2000 überwies die GbR die ihr von der Bank gewährte Darlehenssumme von 2 Mio. DM an die Insolvenzschuldnerin unter Angabe des Verwendungszwecks "Stammeinlage". Am selben Tag überwies die Insolvenzschuldnerin diesen Betrag weiter an die T. KG, um deren Darlehensforderung gegen die GbR zu tilgen.
Rz. 2
Mit Beschluss vom 1.2.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat mit der Behauptung, die aus der Kapitalerhöhung geschuldete Einlage sei i.H.v. 926.701,38 EUR nicht erbracht worden, es liege insoweit keine schuldtilgende Voreinzahlung vor, im August 2007 Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 4) erhoben. Am 25.4.2008 fand eine mündliche Verhandlung vor dem LG statt. Das erstinstanzliche Teilurteil gegen die Beklagten zu 1), 2) und 4) wurde nach im Mai 2009 erfolgtem Übergang ins schriftliche Verfahren am 21.7.2009 verkündet. Im Hinblick auf das im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) hat das LG die Klage mit der Begründung abgewiesen, es liege eine verdeckte Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG n.F. vor, wegen des gleichwertigen und vollständigen Bereicherungsanspruchs der Beklagten aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung, der mit dem Anspruch der Insolvenzschuldnerin aus der Kapitalerhöhung konnex gewesen sei, sei die Klage aus § 19 Abs. 4 GmbHG unbegründet. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Hiergegen richten sich die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten zu 1) und 2) und des Nebenintervenienten der Beklagten.
II.
Rz. 3
Die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten zu 1) und 2) (künftig: Beklagte) und des Nebenintervenienten der Beklagten sind begründet und führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 7 ZPO). Das Berufungsgericht hat mit seiner Entscheidung, der Vortrag der Beklagten zur Werthaltigkeit der Bereicherungsforderung aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung sei unsubstantiiert, darüber hinaus verspätet und biete keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Rz. 4
1. Die nicht näher begründete Annahme des Berufungsgerichts, der Vortrag der Beklagten in den Schriftsätzen vom 28.9.2010 und vom 7.10.2010 zu der fehlenden insolvenzrechtlichen Überschuldung der Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung sei unsubstantiiert, verletzt die Beklagten in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Vortrag einer Partei dann hinreichend substantiiert ist, wenn sie Tatsachen anführt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Der Pflicht zur Substantiierung ist nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (BVerfG WM 2012, 492 Rz. 16; BGH, Beschl. v. 9.2.2009 - II ZR 77/08, WM 2009, 1154 Rz. 4; Beschl. v. 21.5.2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 Rz. 8; Urteil vom 25.7.2005 - II ZR 199/03, WM 2005, 1847, 1848 m.w.N.). Überspannt das Gericht die Anforderungen an die Substantiierung und erhebt deshalb nicht die von der Partei angebotenen Beweise, verletzt es den Anspruch auf rechtliches Gehör (BVerfG WM 2012, 492 Rz. 20 f.; BGH, Beschl. v. 9.2.2009 - II ZR 77/08, WM 2009, 1154 Rz. 4). So liegt der Fall hier. Die Beklagten haben ausführlich unter Vorlage von zahlreichen Unterlagen und unter Beweisantritt vorgetragen, dass zwar eine bilanzielle, nicht jedoch eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Insolvenzschuldnerin vorgelegen habe.
Rz. 5
2. Dieser Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich, weil auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, der Vortrag der Beklagten sei verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO) und - auch - deshalb unbeachtlich, auf einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beruht.
Rz. 6
a) Nach der Rechtsprechung des BGH darf eine - wie hier die Beklagten - in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO zu erhalten, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, insb. aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (st.Rspr., s. nur BGH, Beschl. v. 4.5.2011 - XII ZR 86/10, NJW-RR 2011, 1109 Rz. 12; Beschl. v. 15.3.2006 - IV ZR 32/05, NJW-RR 2006, 937 Rz. 4; Urt. v. 27.4.1994 - XII ZR 16/93, WM 1994, 1823, 1824; BAG NJW 2006, 2716 Rz. 10 ff.). Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (BVerfGE 84, 188, 189 f.). Rechtliche Hinweise müssen danach den Parteien in ihrer konkreten Situation so erteilt werden, dass es diesen auch tatsächlich möglich ist, vor einer Entscheidung zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, sie also nicht gehindert werden, rechtzeitig ihren Sachvortrag zu ergänzen (BVerfGE 84, 188, 189; 86, 133, 144).
Rz. 7
Ein rechtlicher Hinweis ist zwar regelmäßig nicht geboten, wenn eine Partei in erster Instanz obsiegt hat, die dem ihr günstigen Urteil zugrunde liegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des Berufungsklägers anschließt. In diesem Fall muss die in erster Instanz erfolgreiche Partei von vornherein damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist; seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein. Das Berufungsgericht hat regelmäßig keinen Anlass zu der Annahme, trotz der in der Berufung zentral geführten Auseinandersetzung über den Streitpunkt bestehe noch Aufklärungsbedarf und müsse der Partei Gelegenheit zu weiterem Vortrag und Beweisantritt gegeben werden (s. nur BGH, Urt. v. 19.8.2010 - VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rz. 18 m.w.N.).
Rz. 8
Andererseits befreit der Umstand, dass der Prozessgegner Bedenken gegen die Schlüssigkeit des Vortrags der anderen Partei geltend gemacht hat, das Gericht dann nicht von seiner Pflicht zu einem Hinweis, wenn es für das Gericht offenkundig ist, dass der Prozessbevollmächtigte der Partei die Bedenken des Prozessgegners nicht zutreffend aufgenommen hat (s. nur BGH, Urt. v. 17.6.2004 - VII ZR 25/03, NJW-RR 2004, 1247, 1248; Urt. v. 7.12.2000 - I ZR 179/98, NJW 2001, 2548, 2549 jew. m.w.N.).
Rz. 9
b) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen nicht als verspätet zurückweisen und die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht ablehnen.
Rz. 10
Der Hinweis des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung, dass es die Frage der Vollwertigkeit der Bereicherungsforderung anders beurteile als das LG und dementsprechend weiteren Vortrag der Beklagten und Beweisantritte für erforderlich halte, war gemessen an § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO ohnehin recht spät; angesichts dessen hätte das Berufungsgericht, nachdem es bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage erstmalig diesen Hinweis erteilt hatte, dem Antrag der Beklagten auf Gewährung einer Schriftsatzfrist stattgeben müssen (§ 139 Abs. 5 ZPO). Jedenfalls aber musste es den substantiierten, beweisbewehrten Vortrag der Beklagten in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen zum Anlass nehmen, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Dadurch, dass es dies unterlassen und den Vortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen hat, hat es gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen (s. hierzu BGH, Beschl. v. 18.9.2006 - II ZR 10/05, WM 2006, 2328 Rz. 4 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - VII ZR 2/09, BauR 2010, 246 Rz. 3 f. jew. m.w.N.).
Rz. 11
Zwar trifft es zu, dass der Berufungskläger darauf hingewiesen hatte, dass das LG die Frage der Vollwertigkeit des Bereicherungsanspruchs nicht richtig beurteilt habe und die Beklagten bislang dazu den erforderlichen Vortrag nicht gehalten hätten. Darin lag jedoch nicht "der" zentrale Streitpunkt zwischen den Parteien. Vielmehr ging es vorrangig um die Frage, ob ein Fall des Hin- und Herzahlens oder ein Fall einer verdeckten Sacheinlage vorlag.
Rz. 12
Zudem hatten die Parteien in der ersten Instanz nur über die Frage der Zulässigkeit der Voreinzahlung auf die Kapitalerhöhung gestritten. Erst nachdem während des Verfahrens in der ersten Instanz das MoMiG in Kraft getreten war, bestand für die Beklagten erstmals Anlass, sich mit der Frage der Vollwertigkeit der Bereicherungsforderung zu befassen, da die Vollwertigkeit der Verteidigung der Beklagten zuvor nicht hätte zum Erfolg verhelfen können (vgl. nur BGH, Urt. v. 7.7.2003 - II ZR 235/01, BGHZ 155, 329, 337 ff.). Vortrag zu der neuen Rechtslage findet sich dementsprechend in der ersten Instanz nur in ganz geringem Umfang - geschweige denn sind diese Fragen in einer mündlichen Verhandlung erörtert worden -, und auch die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung bot den Beklagten keinen Anlass zu der Annahme, sie müssten zur Frage der Vollwertigkeit weiteren Vortrag halten. Jedenfalls musste für das Berufungsgericht aber erkennbar sein, dass die anwaltlichen Vertreter der Beklagten die Frage der Vollwertigkeit offensichtlich fehlerhaft allein auf die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft bezogen und den Hinweis in der Berufungsbegründung des Klägers nicht richtig verstanden hatten. Tritt, wie hier, im Laufe des Verfahrens eine Gesetzesänderung ein und besteht auch wegen Fehlens einer (höchstrichterlichen) Rechtsprechung bei den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der Anwendbarkeit und der Voraussetzungen der neuen Vorschriften eine verständliche Unsicherheit, erfordern es die Grundsätze eines fairen Verfahrens und die Fürsorgepflicht des Gerichts in besonderem Maße, dass das Gericht rechtzeitig Hinweise erteilt und sich nicht darauf zurückzieht, die betroffene Partei sei schon durch Vorbringen des Gegners auf die Fragen, die nach der vom Gericht erst in der mündlichen Verhandlung dargelegten Rechtsauffassung von Bedeutung sind, hingewiesen worden.
Rz. 13
3. Der Erfolg der Rechtsverteidigung der Beklagten hängt von der Frage ab, ob bzw. in welcher Höhe die Bereicherungsforderung aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung gegen die Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung werthaltig war (§§ 19 Abs. 4 Satz 3, Satz 5, 56 Abs. 2 GmbHG). Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht diese Frage anders beurteilt hätte, wenn es den Vortrag der Beklagten zur Kenntnis genommen hätte.
Rz. 14
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voreinzahlung der GbR auf die Kapitalerhöhung nicht zum Erlöschen der Einlageforderung geführt hat (st.Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 26.6.2006 - II ZR 43/05, BGHZ 168, 201 ff.).
Rz. 15
b) Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht - im Anschluss an die wegen der aus § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG folgenden Subsidiarität rechtsfehlerhaften Prüfung des Eingreifens von § 19 Abs. 5 GmbHG - weiter erkannt, dass hier ein Fall der verdeckten Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG in der Form des Hin- und Herzahlens vorliegt. Die GbR hat mit der zweiten, an sie zurückgeflossenen Einzahlung auf ihre Einlageverpflichtung aus der beschlossenen Kapitalerhöhung zu verdecken versucht, dass sie ihre Bereicherungsforderung gegen die Insolvenzschuldnerin aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung als Sacheinlage auf die Kapitalerhöhung eingebracht hat.
Rz. 16
c) Hat der Gesellschafter auf eine geplante Kapitalerhöhung gezahlt, ist aber eine Tilgung seiner Einlageschuld dadurch nicht eingetreten, kann er seinen daraus resultierenden Bereicherungsanspruch als (offene) Sacheinlage einbringen. Geschieht das nicht, liegt eine verdeckte Sacheinlage i.S.d. § 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG vor. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung wird die Einlage nicht durch Geldleistung, sondern durch Einbringung der Bereicherungsforderung des Gesellschafters erfüllt (s. hierzu Goette, Festschrift Priester, 2007, S. 95, 98). Eine entsprechende Abrede wird zwar - so auch hier - förmlich in der Regel nicht getroffen werden. Das ist aber auch nicht erforderlich, da sie bei einem - wie hier gegebenen - engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang vermutet wird (st.Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 22.3.2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rz. 14 m.w.N. - ADCOCOM).
Rz. 17
Die (nochmalige) Zahlung des Einlagebetrages hat die Einlageforderung der Insolvenzschuldnerin ebenfalls nicht zum Erlöschen gebracht. Dieser Betrag ist auf Anweisung der Inferentin am selben Tag an sie zurückgeflossen, um ihren Bereicherungsanspruch gegen die Insolvenzschuldnerin zu erfüllen. An der Rückzahlung an die GbR ändert der Umstand nichts, dass die Gesellschaft den Betrag nicht unmittelbar an die GbR, sondern auf deren Anweisung an die von den Beklagten beherrschte T. KG gezahlt hat, um die Darlehensverbindlichkeit der GbR gegenüber der T. KG zu erfüllen (§§ 267 Abs. 1 Satz 1, 362 Abs. 2 BGB).
Rz. 18
Diese Art der gegenläufigen Überweisungen stellt keinen Fall des Hin- und Herzahlens nach § 19 Abs. 5 GmbHG, sondern eine verdeckte Sacheinlage in der Form des Hin- und Herzahlens nach § 19 Abs. 4 GmbHG dar (so zutreffend Priester, DStR 2010, 454, 500). Die Bestimmung des § 19 Abs. 5 GmbHG betrifft nicht alle Fälle gegenläufiger Zahlungen, sondern nur solche, bei denen die Gesellschaft mit der Rücküberweisung einen - dazu noch vollwertigen und liquiden - Anspruch gegen den Gesellschafter erwirbt (s. hierzu BGH, Urt. v. 20.7.2009 - II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 Rz. 11, 26 ff. - Cash-Pool II). Genau das war hier aber nicht der Fall: Die Insolvenzschuldnerin tilgte durch die Zahlung an die T. KG eine bereits bestehende "Altverbindlichkeit" gegenüber der Inferentin (deren Bereicherungsanspruch) und erwarb gerade keine neue Forderung gegen die Gesellschafterin. Die GbR wollte ihrerseits mit der (erneuten) Zahlung keine neue Verbindlichkeit gegenüber der Insolvenzschuldnerin eingehen; sie wollte vielmehr von ihrer Einlageverpflichtung frei werden.
Rz. 19
Die Erfüllung der fortbestehenden Geldeinlagepflicht des Inferenten kann bei der vorliegenden "verdeckten verdeckten Sacheinlage" nur nach Maßgabe von §§ 19 Abs. 4 Satz 3, Satz 5, 56 Abs. 2 GmbHG gelingen, d.h. wenn der Inferent nachweist, dass seine Bereicherungsforderung gegen die Gesellschaft im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung vollwertig, nämlich durch entsprechendes Vermögen der Gesellschaft vollständig abgedeckt war (s. nur BGH, Urt. v. 21.2.1994 - II ZR 60/93, BGHZ 125, 141, 145 f. m.w.N.). Daran fehlt es, soweit eine Überschuldung der Gesellschaft vorgelegen hat. Eine Unterbilanz schadet dagegen im Grundsatz nicht. Bei der Ermittlung des Vermögensstands dürfen stille Reserven berücksichtigt werden, denn es geht nicht um eine Ausschüttungsbegrenzung wie im Falle des § 30 GmbHG, sondern allein um eine hinreichende Vermögensdeckung. Die Erfüllung eines Anspruchs kann eine Unterbilanz oder Überschuldung weder herbeiführen noch vertiefen, weil der Verminderung der Aktivseite eine entsprechende Verringerung der Verbindlichkeiten gegenübersteht, die Erfüllung also bilanzneutral ist (s. nur MünchKomm/GmbHG/Ekkenga, § 30 Rz. 227).
Rz. 20
4. In der wiedereröffneten Berufungsverhandlung wird das Berufungsgericht dem beweisbewehrten Vortrag der Beklagten zur Vollwertigkeit des Bereicherungsanspruchs im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung (s. hierzu BGH, Urt. v. 22.3.2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rz. 19 - ADCOCOM) nachzugehen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 3289202 |
BB 2012, 2317 |
BB 2012, 2463 |
DB 2012, 2157 |
DB 2012, 7 |
DStR 2012, 1929 |