Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an ein Urteil wegen Steuerhinterziehung; Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen welcher Abgabenart und in welchem Besteuerungszeitraum zu einer Steuerverkürzung geführt hat und welche Einstellung der Angeklagte dazu hatte. Hierfür ist anzugeben, wann der Angeklagte welche Steuererklärungen abgegeben, welche Umsätze oder Einkünfte er etwa verschwiegen oder welche unberechtigten Vorsteuerabzüge oder Betriebsausgaben er geltend gemacht hat. Der Tatrichter hat für jede Steuerart und für jeden Besteuerungszeitraum so klare Feststellungen zu treffen, dass sowohl die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen als auch die Berechnung der verkürzten Steuern der Höhe nach erkennbar werden. Eine ins Einzelne gehende Berechnungsdarstellung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Angeklagte aufgrund eigener Sachkunde die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen eingeräumt hat und ob überhaupt und gegebenenfalls mit welchem Inhalt auf die unrichtigen Steuererklärungen hin Steuerbescheide erlassen worden sind, um die Tatvollendung zu belegen.
2. Werden Umsätze bewusst zu niedrig angegeben, weil bekannt ist, dass die erzielten Erlöse ohne Umsatzsteuer gebucht worden waren, handelt es sich um ein aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) und nicht, weil der Buchhalter nicht zur Korrektur des Fehlers angewiesen worden war, um ein Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
3. Für die Bezeichnung der Tat gemäß § 260 Abs. 4 StPO genügt die Angabe „Steuerhinterziehung”. Die Angabe der Steuerart gehört nicht zur Deliktsbezeichnung gemäß § 370 AO.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1, § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; StPO § 260 Abs. 4, § 267
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 16.04.2007) |
Tenor
1. Auf die Revision… des… Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 16. April 2007 …nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
mit den jeweils zugehörigen Feststellungen
aa) in den Fällen II. 4 und II. 5 der Urteilsgründe,
bb) im Strafausspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe der Untreue in Tateinheit mit Diebstahl schuldig ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 21. Juli 2005 und Einbeziehung der diesem zugrunde liegenden Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Daneben hat es – im Hinblick auf die Zäsurwirkung des amtsgerichtlichen Urteils – gegen den Angeklagten wegen Bankrotts, wegen Untreue in zwei Fällen und wegen Steuerhinterziehung eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel – abgesehen von einer Berichtigung des Schuldspruchs – aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in den Fällen II. 4 und II. 5 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil leidet insoweit an lückenhaften Feststellungen und durchgreifenden Darstellungsmängeln.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung erkennen lassen, welches steuerlich erhebliche Verhalten des Angeklagten im Rahmen welcher Abgabenart und in welchem Besteuerungszeitraum zu einer Steuerverkürzung geführt hat und welche Einstellung der Angeklagte dazu hatte. Hierfür ist regelmäßig die Angabe erforderlich, wann der Angeklagte welche Steuererklärungen abgegeben hat und welche Umsätze oder Einkünfte er etwa verschwiegen oder welche unberechtigten Vorsteuerabzüge oder Betriebsausgaben er geltend gemacht hat. Zudem hat der Tatrichter für jede Steuerart und für jeden Besteuerungszeitraum so klare Feststellungen zu treffen, dass sowohl die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen als auch die Berechnung der verkürzten Steuern der Höhe nach erkennbar werden. Eine ins Einzelne gehende Berechnungsdarstellung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Angeklagte aufgrund eigener Sachkunde die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen eingeräumt hat (st. Rspr.; vgl. BGH wistra 2006, 110; 2006, 66; 2005, 307 f.; jeweils m.w.N.).
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
aa) Im Fall II. 4 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten wegen tateinheitlicher Hinterziehung von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für das Jahr 2003 verurteilt, weil er als faktischer Geschäftsführer für die M. C. C. H. V. mbH (im Folgenden: M. GmbH) Betriebsausgaben vorgetäuscht und den Gewinn in der Körperschaftsteuer- und der Gewerbesteuererklärung für dieses Jahr zu niedrig angegeben habe. Insoweit sind jedoch bereits die vom Landgericht angenommenen Besteuerungsgrundlagen nicht nachvollziehbar dargestellt. Denn die Differenz zwischen dem vom Landgericht festgestellten Gesellschaftsgewinn von 110.711 Euro und dem vom Angeklagten in den Steuererklärungen angegebenen Gewinn lässt sich nicht allein mit der in den Urteilsgründen angegebenen Höhe fingierter Betriebsausgaben von rund 61.000 Euro erklären. Da die Urteilsgründe darüber hinaus keine Berechnungsdarstellung der verkürzten Steuern enthalten, ist die Höhe der vom Landgericht mitgeteilten Verkürzungsbeträge für den Senat selbst bei Zugrundelegung des angenommenen Gewinns nicht nachprüfbar. Schließlich ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen, ob überhaupt und gegebenenfalls mit welchem Inhalt auf die unrichtigen Steuererklärungen hin Steuerbescheide erlassen worden sind. Die Feststellungen belegen daher nicht einmal die Tatvollendung.
bb) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung im Fall II. 5 der Urteilsgründe leidet ebenfalls an durchgreifenden Darstellungsmängeln.
(1) Bezüglich der ausgeurteilten Körperschaftsteuerhinterziehung gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend.
(2) Die Urteilsgründe lassen im Übrigen nicht erkennen, ob die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung für das Jahr 2004 überhaupt die Hinterziehung von Umsatzsteuer umfasst. Das Landgericht erwähnt zwar, dass der Angeklagte in der Umsatzsteuererklärung 2004 für die M. GmbH nur Umsätze von etwa 2,15 Mio. Euro angegeben hat, obwohl tatsächlich Umsätze in Höhe von rund 2,34 Mio. Euro hätten erklärt werden müssen. Gleichzeitig weist das Landgericht aber darauf hin, dass die M. GmbH die im Jahr 2004 aufgrund eines Softwarefehlers bei der Buchhaltung mittels Computer zunächst unrichtig ermittelte Umsatzsteuer nachgezahlt hat. Ob insoweit die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige vorliegen (§ 371 AO), erörtert das Landgericht nicht.
(3) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen Hinterziehung von Gewerbesteuer für das Jahr 2004 verurteilt hat, enthalten die Urteilsgründe keine Feststellungen zur Tathandlung. Es bleibt offen, ob der Angeklagte eine unrichtige Gewerbesteuererklärung beim Finanzamt eingereicht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder ob er die Abgabe dieser Steuererklärung pflichtwidrig unterlassen hat (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Auch ist nicht festgestellt, ob ein Gewerbesteuerbescheid ergangen ist. In den Urteilsgründen teilt das Landgericht lediglich mit, dass Gewerbesteuern in Höhe von 10.754 Euro nicht festgesetzt werden konnten. Auf dieser Grundlage kann der Senat nichtüberprüfen, ob das Landgericht zurecht von einer vollendeten Hinterziehung der Gewerbesteuer ausgegangen ist (vgl. zur Tatvollendung bei Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen BGHSt 36, 105, 111; 30, 122, 123; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 14; BGH wistra 1999, 385).
(4) Zu der vom Landgericht angenommenen Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe einer unvollständigen Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat September 2005 sind die Urteilsgründe in sich widersprüchlich. Nach den Feststellungen gab der Angeklagte in dieser Voranmeldung die Umsätze der Gesellschaft bewusst um rund 65.000 Euro zu niedrig an, weil ihm bekannt war, dass die von der M. GmbH erzielten Transporterlöse ohne Umsatzsteuer gebucht worden waren. Hierbei handelt es sich um ein aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Demgegenüber stellt das Landgericht in der Beweiswürdigung auf eine Strafbarkeit des Angeklagten durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ab: Er habe im Wissen, dass die bereits abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung fehlerhaft gewesen sei, den Buchhalter nicht angewiesen, die Fehler zu korrigieren, obwohl er als faktischer Gesellschafter dazu verpflichtet gewesen sei (UA S. 9).
cc) Soweit der Angeklagte wegen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerhinterziehung verurteilt worden ist, kann das Urteil auch deswegen keinen Bestand haben, weil eine nachvollziehbare Berechnungsdarstellung der verkürzten Steuern hier trotz des Geständnisses des Angeklagten nicht entbehrlich war. Den Urteilsgründen ist nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Angeklagte – jenseits von seinem Wissen über die Höhe zu Unrecht geltend gemachter Betriebsausgaben, verschwiegener Betriebseinnahmen und entstandener Umsatzsteuern – zur Berechnung der verkürzten Steuern in der Lage war (vgl. BGH wistra 2005, 307, 308).
2. Im Fall II. 3 der Urteilsgründe hat lediglich die verhängte (Einsatz-) Strafe von einem Jahr und sechs Monaten keinen Bestand.
a) Der Schuldspruch wegen Untreue wird hingegen von den Feststellungen getragen. Sie belegen, dass der Angeklagte rund 235.000 Euro ohne Zustimmung des Alleingesellschafters C. auszahlte sowie darüber hinaus dadurch mit dem Ziel der „Aushöhlung” die Zahlungsunfähigkeit der M. GmbH herbeiführte und damit deren Existenz konkret gefährdete (vgl. dazu BGHSt 35, 333, 337 f.; BGH wistra 2003, 385, 387).
b) Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei der Strafzumessung von einer zu hohen Schadenssumme ausgegangen ist. Denn es bleibt – trotz einer sich hierauf beziehenden Strafzumessungserwägung – offen, ob und in welchem Umfang der Angeklagte als Fremdgläubiger berechtigte Ansprüche gegenüber der M. GmbH hatte und die Auszahlung damit der Erfüllung tatsächlich bestehender Fremdverbindlichkeiten diente. Es ist zudem nicht erkennbar, inwieweit gegebenenfalls durch die Auszahlung das Stammkapital beeinträchtigt worden ist.
3. Im Fall II. 1 der Urteilsgründe ist lediglich der Schuldspruch zu berichtigen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, ist der Angeklagte in diesem Fall wegen (eigennütziger) Untreue in Tateinheit mit Diebstahl strafbar.
a) Nach den Feststellungen verbrachte der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe als faktischer Geschäftsführer Waren der M. GmbH ausschließlich eigennützig in die Geschäftsräume der von ihm als Nachfolgegesellschaft gegründeten C. T. GmbH. Er hat sich hierdurch nicht – wie vom Landgericht angenommen – wegen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB), sondern wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht (vgl. BGHR StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 1, 2). Eine Zustimmung des Alleingesellschafters C. hatte er nicht eingeholt. Zugleich hat sich der Angeklagte eines tateinheitlich begangenen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht; denn er hat den Mitgewahrsam des Mitgeschäftsführers C. gebrochen. Einer Aufhebung der Einzelstrafe in diesem Fall bedarf es nicht. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts eine noch niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.
b) Der gebotenen Schuldspruchänderung steht weder die in § 265 StPO normierte Hinweispflicht noch das in § 358 Abs. 2 StPO enthaltene Verbot der Schlechterstellung entgegen (vgl. BGH wistra 2007, 262, 265 m.w.N.). Der Senat schließt aus, dass sich der insoweit geständige Angeklagte anders und erfolgreicher gegen die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts hätte verteidigen können.
4. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II. 4 und II. 5 der Urteilsgründe sowie der Einzelstrafe im Fall II. 3 der Urteilsgründe entzieht dem Ausspruch über die beiden Gesamtstrafen die Grundlage. Demgegenüber bleiben die Einzelstrafen in den übrigen Fällen von den Rechtsfehlern unberührt.
5. Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
Im Falle eines erneuten Schuldspruchs wegen mehrerer Taten der Steuerhinterziehung wird der Tatrichter besonderes Augenmerk auf das Konkurrenzverhältnis der Straftaten zueinander zu legen haben. Sind – wie hier für die Umsatzsteuervoranmeldung im Fall II. 5 der Urteilsgründe – unterschiedliche Erklärungszeiträume betroffen, stehen die einzelnen Steuerhinterziehungen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2005, 56 f. m.w.N.). Dasselbe gilt für eine durch Unterlassen begangene Hinterziehung von Gewerbesteuer im Verhältnis zu den anderen Steuerhinterziehungen (vgl. BGH aaO).
Für die Bezeichnung der Tat gemäß § 260 Abs. 4 StPO genügt die Angabe „Steuerhinterziehung”. Die Angabe der Steuerart gehört nicht zur Deliktsbezeichnung gemäß § 370 AO.
Unterschriften
Basdorf, Raum, Brause, Schaal, Jäger
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2008, 71 |
NStZ-RR 2010, 72 |
StRR 2008, 74 |
StraFo 2007, 518 |
BFH/NV-Beilage 2008, 71 |