Leitsatz (amtlich)
Auch Gegenstände von hohem Wert einschließlich kostbarer Kunstgegenstände gehören zum Hausrat, wenn sie ihrer Art nach als Hausratsgegenstände geeignet sind und nach dem Lebenszuschnitt der Ehegatten als solche dienen.
Normenkette
GVG § 23 b Abs. 1 S. 2 Nr. 8; Hausrat-VO §§ 1, 8-9
Verfahrensgang
LG Düsseldorf |
OLG Düsseldorf |
Tenor
Zuständig für die Berufung ist ein Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf.
Tatbestand
I.
Die Parteien waren miteinander verheiratet. In ihrer Ehe bestand Gütertrennung. Seit Dezember 1979 leben sie getrennt, wobei die Ehefrau in dem früher gemeinsam bewohnten Haus verblieben ist. Während des vorliegenden Verfahrens ist die Ehe geschieden worden.
Im Mai 1982, als das Scheidungsverfahren bereits anhängig war, hat der Ehemann vor dem Landgericht Klage gegen die Ehefrau auf Herausgabe einer Reihe von Einrichtungs- und Kunstgegenständen erhoben, mit denen die Ehewohnung während des Zusammenlebens der Ehegatten ausgestattet war und die nach dem Auszug des Ehemannes dort verblieben waren. Er beruft sich auf sein Alleineigentum an diesen Gegenständen. Es handelt sich im einzelnen um Möbel, Uhren, Spiegel, Kerzenleuchter, einen Kronleuchter, Wandappliken, Orientteppiche, Bilder und Plastiken sowie eine Sammlung von Jugendstil-Vasen. Sowohl die Einrichtungsgegenstände, die den Charakter von Antiquitäten haben, als auch die Kunstobjekte übersteigen nach Qualität und Wert Ausstattungsgegenstände üblicher Art.
Das Landgericht hat dem Herausgabebegehren zum großen Teil stattgegeben. Dagegen wendet sich die Ehefrau mit der Berufung. Bei dem Oberlandesgericht sind ein Senat für allgemeine Zivilsachen und ein Senat für Familiensachen verschiedener Ansicht darüber, ob es sich um eine Familiensache handelt. Der Senat für allgemeine Zivilsachen hat sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an den Senat für Familiensachen „verwiesen”. Dieser hat sich daraufhin ebenfalls für unzuständig erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Der Zuständigkeitsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 36 Nr. 6 ZPO durch den Bundesgerichtshof zu entscheiden. Als zuständig ist der Senat für Familiensachen zu bestimmen. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der vom Senat für allgemeine Zivilsachen ausgesprochenen „Verweisung” eine bindende Wirkung nach § 18 Abs. 1 HausratVO zukommt und schon daraus die Zuständigkeit des Familiensenats folgt. Auch wenn dies zu verneinen wäre (so ausdrücklich BayObLG FamRZ 1982, 399), wäre das Verfahren nach seiner Rechtsnatur dem Familiensenat zuzuweisen.
1. Bei den Gegenständen, um die der Streit der Parteien geht, handelt es sich – jedenfalls zum überwiegenden Teil – um Hausrat im Sinne der Hausrat-VO. Nach der herrschenden Auffassung, der sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (Urteil vom 1. Dezember 1983 – IX ZR 41/83 – FamRZ 1984, 144, 146), werden unter Hausrat im Anschluß an die Definition von Kuhnt (AcP 150 (1949) S. 130, 132) alle beweglichen Sachen verstanden, die nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Eheleute für die Wohnung, die Hauswirtschaft und das Zusammenleben der Familie bestimmt sind. Gegenstände, mit denen die eheliche Wohnung ausgestattet sind, gehören dazu nicht nur, soweit sie der Befriedigung materieller Bedürfnisse des häuslichen Lebens dienen wie Möbel und hauswirtschaftliches Gerät; auch Sachen, die der Ausschmückung der Wohnung dienen, fallen darunter, so daß auch Zier- und Kunstgegenstände Hausrat sein können (Kuhnt a.a.O. S. 133). Danach sind die herausverlangten Sachen ihrer Art nach – jedenfalls zum überwiegenden Teil – geeignet, die Funktion von Hausrat zu erfüllen.
Daß sie sich nach Qualität und Wert von Hausrat üblicher Art unterscheiden, schließt unter den hier gegebenen Umständen ihre Zuordnung zum Hausrat nicht aus. Die Hausrat-VO, die aus dem Jahre 1944 stammt, ist allerdings geschaffen worden, um durch die Zuteilung von Wohnung und Hausrat abweichend von den Vorschriften über die Auseinandersetzung einer Gemeinschaft den Bedürfnissen der Ehegatten in einer Mangellage angemessen Rechnung tragen zu können (vgl. auch Schubert JZ 1983, 939). Ausgehend von dieser Zielsetzung ist in der zur Hausrat-VO veröffentlichten Amtlichen Erläuterung (DJ 1944, 278) die Auffassung vertreten worden, daß „in aller Regel Kunstwerke wie kostbare echte Gemälde und wertvolle Plastiken, Sammlungen aller Art, ferner ausgesprochene Luxusgegenstände” kein Hausrat sind. Der Anwendungsbereich der Hausrat-VO ist jedoch nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein Ehegatte aufgrund einer Mangel- oder Notlage auf die Zuteilung von Hausratsgegenständen angewiesen ist. Die Verordnung erfaßt vielmehr alle Streitigkeiten, die zwischen Ehegatten im Falle des Getrenntlebens oder anläßlich der Scheidung über den Hausrat geführt werden (§ 1361 a BGB; §§ 1, 18 a Hausrat-VO; vgl. BGHZ 67, 217, 219 ff.). Der Wert oder die Qualität der Gegenstände stellen unter diesen Umständen keine sachgerechten Kriterien für die Abgrenzung des Hausratsbegriffs dar. Die Zuordnung von Wertobjekten und Kunstgegenständen zum Hausrat müßte allerdings unterbleiben, wenn die Anwendung der Hausrat-VO insoweit zu unzumutbaren Eingriffen in die Eigentums- und Vermögenslage der Ehegatten führen würde. Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich jedoch keine durchgreifenden Bedenken. Bei Wertobjekten und Kunstgegenständen, die im Alleineigentum eines Ehegatten stehen, werden regelmäßig die Voraussetzungen für die Zuweisung an den anderen Ehegatten nach § 9 Hausrat-VO nicht vorliegen, so daß sie dem Alleineigentümer verbleiben. Sein Alleineigentum kann jeder Ehegatte im Hausratverfahren geltend machen. Die Vermutung für gemeinsames Eigentum der Ehegatten nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 Hausrat-VO schließt eine Beweisaufnahme über das Alleineigentum nicht aus. Insbesondere bei wertvollen Gegenständen wird insoweit Beweisantritten auch im Hausratsverfahren im einzelnen nachzugehen sein. Mit der herrschenden Auffassung ist deshalb davon auszugehen, daß auch Gegenstände von hohem Wert einschließlich kostbarer Kunstgegenstände zum Hausrat gehören, wenn sie ihrer Art nach als Hausratsgegenstände geeignet sind und nach dem Lebenszuschnitt der Ehegatten als solche dienen (vgl. – jeweils zu § 1 Hausrat-VO – Hoffmann/Stephan, EheG 2. Aufl. Rdn. 28, 32; MünchKomm/Müller-Gindullis Rdn. 10; Palandt/Diederichsen, BGB 43. Aufl. Anm. 2 b; BGB-RGRK/Scheffler 10./11. Aufl. Anm. 15; Soergel/Häberle BGB 11. Aufl. Rdn. 8). Ungeachtet ihrer Eignung als Hausratsgegenstände gehören Wertobjekte jedoch nicht zum Hausrat, wenn sie ausschließlich zur Kapitalanlage angeschafft worden sind und nicht als Hausratsgegenstände im dargelegten Sinne gedient haben (vgl. BGB-RGRK Scheffler a.a.O. § 1 Hausrat-VO Anm. 16).
Die streitbefangenen Sachen haben der Ausstattung der ehelichen Wohnung gedient und sind in dieser Funktion verwendet worden. Ob bei der Wahl gerade solcher Ausstattungsstücke auch das Motiv der Kapitalanlage mitgespielt hat, ist für die Zuordnung zum Hausrat unerheblich. Die Eigenschaft des Hausrat könnte danach allenfalls einem geringen Teil der streitbefangenen Gegenstände fehlen, etwa der Sammlung von Jugendstil-Vasen, wenn deren Charakter als Objektsammlung so deutlich zu Tage träte, daß sie nach der Lebensanschauung nicht mehr als Teil der Wohnungsausstattung aufzufassen wäre.
2. Streitigkeiten getrennt lebender oder geschiedener Ehegatten über Hausratsgegenstände fallen unter die Hausrat-VO. Dies gilt auch dann, wenn ein Ehegatte – wie hier – unter Berufung auf sein Alleineigentum vom anderen die Herausgabe von Hausratsgegenständen gemäß § 985 BGB verlangt. Ein solches Begehren kann zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, die sich über die Hausratsverteilung nicht geeinigt haben, in zulässiger Weise nur im Verfahren nach der Hausrat-VO geltend gemacht werden (BGHZ 67, 217, 219).
Damit liegt, soweit das vorliegende Verfahren Hausratsgegenstände betrifft, eine Familiensache nach § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 GVG vor. Die Rechtsnatur einer Familiensache hat das Verfahren auch schon, solange es noch nicht in das Hausratsverfahren übergeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluß vom 22. September 1982 – IVb ARZ 32/82 – FamRZ 1983, 1200). Sie führt nach § 119 Abs. 2 GVG zur Zuständigkeit des Familiensenats im zweiten Rechtszug. Daran ändert es nichts, daß das Verfahren bisher nicht als Familiensache behandelt und im ersten Rechtszug vom Landgericht sachlich entschieden worden ist (sogenannte materielle Anknüpfung, BGHZ 72, 182, 184 ff.; BGH, Beschluß vom 19. September 1979 – IV ARZ 30/79 – FamRZ 1979, 1005 m.w.N.).
Ob einzelne der streitbefangenen Gegenstände nicht als Hausrat zu qualifizieren sind (s.o. II 1 a.E.) und danach insoweit eine Zuständigkeit des Senats für allgemeine Zivilsachen in Betracht käme, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn dem so wäre, würde sich eine Aufteilung des zweitinstanzlichen Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen, die bei der Zuständigkeitsbestimmung mitberücksichtigt werden können (Senatsbeschluß vom 10. November 1982 – IVb ARZ 44/82 – FamRZ 1983, 155, 156), verbieten. Es ist daher einheitlich der Senat für Familiensachen als zuständig zu bestimmen. Soweit dieser zu dem Ergebnis kommt, daß es sich bei einzelnen Gegenständen nicht um Hausrat handelt, kann er die Entscheidung im zivilprozessualen Verfahren treffen. Im übrigen kann er das Verfahren in das Hausratsverfahren überleiten (§ 18 Hausrat-VO; vgl. dazu OLG Düsseldorf FamRZ 1979, 836; Kissel, GVG § 23 b Rdn. 27).
Unterschriften
Lohmann, Seidl
Fundstellen
Haufe-Index 1530767 |
JR 1984, 379 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1984, 538 |