Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rechts- und Parteifähigkeit der Erbengemeinschaft, auch nicht in analoger Anwendung der Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Leitsatz (amtlich)
Die Erbengemeinschaft ist weder rechtsfähig noch parteifähig. Die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGH, Urt. v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = AG 2001, 307 = BGHReport 2001, 237 m. Anm. Sprau = MDR 2001, 459) und zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (BGH, Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = BGHReport 2005, 1090 m. Anm. Jennißen = MDR 2005, 1156) sind nicht auf die Erbengemeinschaft zu übertragen.
Normenkette
BGB § 2032; GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 12.09.2005; Aktenzeichen 14 S 13936/05) |
AG München (Entscheidung vom 09.06.2005; Aktenzeichen 434 C 5602/05) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG München I, 14. Zivilkammer, vom 12.9.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
Beschwerdewert: 1.555,32 EUR
Gründe
I.
[1] Die Kläger verlangen von den Beklagten die Zustimmung zur Mieterhöhung für eine Wohnung. Den Mietvertrag haben die Kläger, die Mitglieder einer Erbengemeinschaft sind, auf den Namen "F. S. 's Erben" geschlossen. Im Zeitpunkt der Klagezustellung hatte die Klägerin zu 5) ihren Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika. Das AG hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Dagegen haben die Beklagten Berufung zum LG eingelegt. Das LG hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden die Beklagten sich mit der Rechtsbeschwerde.
II.
[2] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
[3] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässig, weil sich die Frage stellt, ob die Erbengemeinschaft in entsprechender Anwendung der Grundsätze zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH, Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = BGHReport 2005, 1090 m. Anm. Jennißen = MDR 2005, 1156) als rechtsfähig und damit parteifähig anzusehen ist. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
[4] 2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil für die Entscheidung über das Rechtsmittel nicht das LG, sondern das OLG zuständig ist. Die OLG sind nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der AG in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs des Gerichtsverfassungsgesetzes hatte. Diese Voraussetzungen für die Berufungszuständigkeit des OLG sind hier erfüllt.
[5] a) Die Klägerin zu 5) hatte im Zeitpunkt der Zustellung der vor dem AG erhobenen Klage ihren Wohnsitz und damit gem. § 13 ZPO ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland. Die Klägerin zu 5) ist - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch Partei.
[6] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich dies allerdings nicht schon daraus, dass die Kläger zu 1) bis 8) in der Klageschrift als "Kläger" bezeichnet sind. Denn es ist unklar, ob damit die Kläger zu 1) bis 8) als Einzelpersonen oder als Gemeinschaft gemeint sind. Da die Kläger die Zustimmung zur Mieterhöhung aufgrund eines Mietvertrages verlangen, den sie als Mitglieder einer Erbengemeinschaft auf den Namen "F. S. 's Erben" geschlossen haben, kommen als Partei sowohl die einzelnen Erben als auch die Erbengemeinschaft in Betracht. Ist eine Parteibezeichnung - wie hier - mehrdeutig, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Partei mit der Bezeichnung gemeint ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.1987 - II ZR 21/87, MDR 1988, 560 = WM 1988, 635 = NJW 1988, 1585 unter II 3a m.w.N.). Dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Empfängers der prozessualen Erklärung abzustellen. Ist nur eine der als Partei in Frage kommenden Personen oder Personenmehrheiten parteifähig, ist die Parteibezeichnung im Zweifel dahin auszulegen, dass damit die parteifähige Person oder Personenmehrheit gemeint ist. Denn der Empfänger der prozessualen Erklärung kann bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise nicht annehmen, dass eine nicht parteifähige Partei am Prozess beteiligt sein soll.
[7] Im Streitfall kommt es demnach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darauf an, ob die Erbengemeinschaft rechtsfähig ist. Nur wenn und soweit die Erbengemeinschaft rechtsfähig und damit parteifähig ist, kann sie selbst am Prozess als Kläger beteiligt sein; andernfalls sind die einzelnen Erben als Kläger anzusehen. Der BGH hat bereits entschieden (BGH, Urt. v. 11.9.2002 - XII ZR 187/00, BGHReport 2002, 1023 = MDR 2003, 81 = NJW 2002, 3389 unter II 1; Beschl. v. 16.3.2004 - VIII ZB 114/03, BGHReport 2004, 990 = MDR 2004, 905 = NJW-RR 2004, 1006 unter 3a), dass die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft sich nicht aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGH, Urt. v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = AG 2001, 307 = BGHReport 2001, 237 m. Anm. Sprau = MDR 2001, 459) herleiten lässt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind auch die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (BGH, Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 = BGHReport 2005, 1090 m. Anm. Jennißen = MDR 2005, 1156) nicht auf die Erbengemeinschaft zu übertragen. Die Rechtsstellung der Erbengemeinschaft ist nicht mit der Rechtsstellung der Wohnungseigentümergemeinschaft vergleichbar. Insbesondere ist sie - anders als diese - nicht zur dauerhaften Teilnahme am Rechtsverkehr bestimmt oder geeignet. Sie ist nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet. Sie verfügt nicht über eigene Organe, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte. Die Erbengemeinschaft ist daher kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechtssubjekt, sondern lediglich eine gesamthänderisch verbundene Personenmehrheit, der mit dem Nachlass ein Sondervermögen zugeordnet ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.9.2002a.a.O. m.w.N. auch zur Gegenansicht). Im Streitfall sind daher die einzelnen Erben, darunter die Klägerin zu 5), als Kläger anzusehen.
[8] b) Das OLG ist auch dann nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG einheitlich zuständig, wenn nur einer von mehreren Streitgenossen - wie hier die Klägerin zu 5) - seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat. Das gilt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich um eine einfache oder um eine notwendige Streitgenossenschaft handelt. Für diese Auslegung spricht, wie der Senat bereits ausgeführt hat, sowohl die Vereinfachungstendenz des Gesetzes als auch sein Zweck, in Fällen mit Auslandsberührung die Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtsprechung zu verstärken (BGH, Beschl. v. 15.7.2003 - VIII ZB 30/03, BGHReport 2003, 1234 = MDR 2003, 1367 = NJW 2003, 3278 unter II 2b; BGH, Urt. v. 13.5.2003 - VI ZR 430/02, BGHZ 155, 46, 48 f. = BGHReport 2003, 892 m. Anm. Reichling = MDR 2003, 1194 m.w.N.).
III.
[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1621047 |
DB 2006, 2570 |
DStR 2007, 167 |
HFR 2007, 162 |