Leitsatz (amtlich)
Verlangt der Handelsvertreter zur Überprüfung einer Provisionsabrechnung, die unrichtig oder unvollständig erscheint, zunächst die Erteilung eines Buchauszuges und setzt er diesen Anspruch im Klagewege durch, so beginnt die Verjährung des Anspruchs auf Gewährung von Bucheinsicht nach § 88 HGB erst mit dem Schluß des Jahres, in dem der Handelsvertreter den Buchauszug erhalten hat.
Normenkette
HGB §§ 87c, 88
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 19.11.1976) |
LG Würzburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 19. November 1976 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war im Jahre 1966 als Handelsvertreter für die Beklagte in Norddeutschland tätig. Die Beklagte erteilte ihm mit Schreiben vom 6. März 1968 eine Provisionsabrechnung, die nach seiner Behauptung unvollständig ist. Mit der am 10. Februar 1969 eingereichten und der Beklagten am 20. Februar 1969 zugestellten Stufenklage hat der Kläger zunächst begehrt, die Beklagte zu verurteilen,
- ihm zum Zwecke der Feststellung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Provisionsabrechnung Rechnungskopien von allen Geschäften im Jahre 1966 auszuhändigen, für die eine Provision in Betracht kommt,
- für die sich aus der Rechnungslegung ergebenden Geschäfte, die durch Vermittlung des Kläger zustande gekommen sind, eine Provision in Höhe von 3 % zu zahlen.
Dieser Antrag ist wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen erstmals im Termin vom 24. Februar 1972 gestellt worden. Mit Schriftsatz vom 27. November 1973 hat der Kläger den Klageantrag zu 1 neu gefaßt. Er hat nunmehr beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu geben und Rechnung zu legen über alle Vertragsabschlüsse, die mit ihr im Vertretungsbezirk des Klägers getätigt worden sind, insbesondere
- einen Buchauszug hierüber zu erstellen und
- Mitteilung zu machen über Auftragswert, Auftragsart, aufgegliedert nach Montage und Material, Auftragszeitpunkt, Auftraggeber, Datum der Rechnungsstellung sowie über alle sonstigen Umstände, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind.
Das Landgericht hat diesem Antrag durch rechtskräftiges Teilurteil vom 14. Februar 1974 stattgegeben.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 1974 einen Buchauszug für das Jahr 1966 erteilt.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 1975, der Beklagten zugestellt am 17. Dezember 1975, hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, nach ihrer Wahl entweder ihm persönlich oder einem von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher oder die sonstigen Unterlagen (Urkunden) insoweit zu gewähren, wie dies zur Feststellung der Richtigkeit oder Vollständigkeit des erteilten Buchauszuges erforderlich ist.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Hierzu hat sie vorgetragen, der Kläger habe Bucheinsicht schon nach Erhalt der seiner Meinung nach unvollständigen Provisionsabrechnung vom 6. März 1968 verlangen können. Dieses Recht sei deshalb nach Ablauf von 4 Jahren seit Ende 1968 mit dem 31. Dezember 1972 verjährt.
Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, der Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht sei erst im Oktober 1974 – nach Übersendung des Buchauszuges – fällig geworden. Bei der Geltendmachung der Hilfsansprüche zur Berechnung des Provisionsanspruchs müsse die Reihenfolge Buchauszug, Bucheinsicht, eidesstattliche Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB eingehalten werden. Außerdem habe die Klage vom 3. Februar 1969 die Verjährung nicht nur für den unbezifferten Provisionsanspruch, sondern auch für die Hilfsansprüche auf Buchauszug und Bucheinsicht unterbrochen. Jedenfalls sei die Verjährung des Anspruchs auf Bucheinsicht gemäß § 202 BGB gehemmt gewesen, weil der Rechtsstreit fast 3 3/4 Jahre – bis zur Erledigung eines Arbeitsgerichtsprozesses der Parteien – geruht habe. Das Abwarten dieser Vorentscheidung sei als Stillhalteabkommen zu werten. Der Verjährungseinrede stehe zudem der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, der Arglist und der Verwirkung entgegen. Die Beklagte habe seit Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses immer wieder ihre Vergleichsbereitschaft hervorgehoben und dadurch die Klageerhebung und den Rechtsstreit verzögert.
Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 8. April 1976 die Klage auf Gewährung von Bucheinsicht wegen Verjährung dieses Anspruchs abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Gewährung der Bucheinsicht verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung dieses Klageantrages erreichen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Auskunftsansprüche des Handelsvertreters nach § 87 c HGB der vierjährigen Verjährung nach § 88 HGB unterliegen. Es nimmt auch zu Recht an, daß der Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht (§ 87 c Abs. 4 HGB) selbständig verjährt. Eine einheitliche Verjährung der Auskunftsansprüche kann nicht angenommen werden, weil sie von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig sind und die Verjährung nicht beginnen kann, solange der Anspruch weder entstanden noch fällig geworden ist. Im Verhältnis zum Provisionsanspruch, dessen Vorbereitung und Durchsetzung die Hilfsansprüche des § 87 c HGB dienen sollen, gilt insoweit nichts anderes. Die Hilfsansprüche werden nur gegenstandslos, wenn der Provisionsanspruch, dessen Vorbereitung sie dienen sollen, verjährt ist oder aus anderen Gründen nicht mehr durchgesetzt werden kann (vgl. BAG NJW 1973, 1343).
2. Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Bucheinsicht ist nach Auffassung des Berufungsgerichts bereits im Jahre 1968 entstanden und fällig geworden. Der Kläger habe, so führt das Berufungsgericht aus, schon erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Provisionsabrechnung der Beklagten vom 6. März 1968 gehabt. Deshalb habe er damals schon die Gewährung von Bucheinsicht verlangen können. Er habe nicht erst auf die Erteilung eines Buchauszuges (§ 87 c Abs. 2 HGB) klagen müssen. Die Verjährung nach § 88 HGB habe daher mit dem Schluß des Jahres 1968 zu laufen begonnen.
Diese Ausführungen werden von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen. Sie sind jedoch nicht frei von Rechtsirrturm.
Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, daß der Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht nach § 87 c Abs. 4 HGB nicht die Erteilung eines Buchauszuges voraussetzt, sondern schon erhoben werden kann, wenn Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Provisionsabrechnung bestehen. Hieraus kann aber nicht entnommen werden, daß der Anspruch stets schon mit der Erteilung einer unrichtigen oder unvollständigen Provisionsabrechnung fällig werde und mit dem Schluß des Jahres, in dem der Handelsvertreter die Provisionsabrechnung erhalten habe, nach § 88 HGB zu verjähren beginne. Der Handelsvertreter kann nach § 87 c HGB zunächst die Erteilung eines Buchauszuges verlangen. Dieser Anspruch ist an keine besonderen Voraussetzungen gebunden. Er setzt insbesondere nicht voraus, daß Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Provisionsabrechnung bestehen. Andererseits ist er auch dann gegeben, wenn solche Zweifel begründet sind; er besteht dann neben dem Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht. Dem Handelsvertreter bleibt es jedoch überlassen, wie er vorgehen will. Verlangt er die Erteilung eines Buchauszuges, so muß er diesen Anspruch auch durchsetzen und abwarten können, was der Buchauszug ergibt und ob die Gewährung von Bucheinsicht zur Klärung des Provisionsanspruchs überhaupt noch erforderlich ist. Hieraus ergibt sich, daß dann, wenn der Handelsvertreter die Erteilung eines Buchauszuges begehrt und er diesen Anspruch auch durchsetzt, der Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht erst entsteht und fällig wird, wenn der Buchauszug erteilt worden ist und Zweifel an seiner Richtigkeit oder Vollständigkeit bestehen.
Diese Beurteilung entspricht der in § 87 c Abs. 4 HGB getroffenen Regelung, daß der Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht unter verschiedenen Voraussetzungen erhoben werden kann. Sie steht auch im Einklang mit dem Grundsatz, daß die Verjährung eines Anspruchs zu Lasten des Berechtigten nicht beginnen kann, solange er nicht in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen und gegebenenfalls eine bereits laufende Verjährung durch Klageerhebung zu unterbrechen (vgl. BGHZ 55, 340, 342). Der Handelsvertreter kann zwar, wie ausgeführt, die Gewährung von Bucheinsicht auch schon verlangen, wenn er eine Provisionsabrechnung erhalten hat, gegen deren Richtigkeit oder Vollständigkeit Zweifel bestehen. Er braucht aber diesen Weg nicht zu beschreiten. Hat er sich dafür entschieden, einen Buchauszug zur Überprüfung der Provisionsabrechnung zu fordern, so kann von ihm nicht verlangt werden, Klage auf Gewährung von Bucheinsicht zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung nach § 209 BGB zu erheben. Denn für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges bestünde dann kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (vgl. BGHZ 56, 290, 297). Der Handelsvertreter wäre auch mit einem größeren Prozeßrisiko belastet, weil der Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht, wenn er wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Provisionsabrechnung erhoben wird, voraussetzt, daß Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Provisionsabrechnung objektiv begründet sind. Außerdem verursacht die Bucheinsicht regelmäßig besondere Kosten, die zunächst jedenfalls der Handelsvertreter tragen muß (vgl. BGH LM Nr. 1 zu § 87 c HGB). Es kann daher nicht anerkannt werden, daß der Handelsvertreter, der sich für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges entschieden hat und diesen auch gerichtlich geltend macht, daneben den Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht geltend machen könne und dies zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung auch tun müsse. Die Verjährung des Anspruchs auf Gewährung von Bucheinsicht nach § 88 HGB beginnt in einem solchen Falle erst mit dem Schluß des Jahres, in dem der Handelsvertreter den Buchauszug erhalten hat.
3. Im Streitfall hat sich der Kläger zunächst für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges zur Überprüfung der ihm erteilten Provisionsabrechnung entschieden und diesen Anspruch auch im Rechtsstreit geltend gemacht. Zum Anspruch auf Gewährung von Bucheinsicht ist er erst übergegangen, nachdem ihm der Buchauszug erteilt worden war. Er konnte diesen Anspruch auch nicht früher geltend machen, da er, nachdem er diesen Weg eingeschlagen hatte, erst prüfen mußte, ob Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des ihm erteilten Buchauszuges bestanden. Da die Beklagte den Buchauszug aufgrund des gegen sie am 14. Februar 1974 ergangenen Teilurteils dem Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 1974 übersandt hat, bedeutet dies, daß die Verjährung des Anspruchs auf Gewährung von Bucheinsicht erst mit dem Schluß des Jahres 1974 begonnen hat und noch nicht abgelaufen war, als der Kläger diesen Anspruch im Rechtsstreit geltend machte.
Das Berufungsgericht hat daher die Verjährungseinrede im Ergebnis zu Recht als nicht begründet angesehen. Auf die Frage, wegen der das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, ob nämlich die Klage auf Erteilung des Buchauszuges auch die Verjährung des Anspruchs auf Bucheinsicht gehemmt oder unterbrochen hat, kommt es dabei nicht an. Das Revisionsgericht hat demzufolge auch keine Veranlassung, hierzu Stellung zu nehmen.
4. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur sachlichen Berechtigung des Anspruchs auf Gewährung von Bucheinsicht unter dem Gesichtspunkt, daß auch der von der Beklagten erteilte Buchauszug unvollständig sei, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Sie werden auch von der Revision nicht angegriffen.
Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
v. Gamm, Alff, Schönberg, Schwerdtfeger, Zülch
Fundstellen
Haufe-Index 1237591 |
Nachschlagewerk BGH |