Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussonderungsrecht des Treugebers bei irrtümlicher Zahlung an den Treuhänder nach Kündigung des Treuhandverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Zur Aussonderung von Geldbeträgen, die irrtümlich noch nach der Kündigung des Treuhandverhältnisses auf ein Treuhandkonto geleistet worden sind.
Normenkette
InsO § 47; BGB §§ 675, 676f
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 21.10.2004; Aktenzeichen 5 U 34/04) |
LG Lübeck (Urteil vom 19.02.2004) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Schleswig in Schleswig v. 21.10.2004 aufgehoben und das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Lübeck v. 19.2.2004 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt,
1. an die Klägerin 50.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.3.2002 zu zahlen,
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Zinserträge er auf die Hauptforderung vereinnahmt hat.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Verwalter in dem am 30.3.2001 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH, vormals R. GmbH. Die Schuldnerin war mit zwei anderen Unternehmen, der H. W. oHG und der J. Sch. GmbH, Mitglied der zur Durchführung von Erd- und Straßenbauarbeiten im Auftrag der Klägerin gegründeten BGB-Gesellschaft "Arbeitsgemeinschaft Gewerbeerschließung U. L. " - nachfolgend Gesellschaft oder Arge. Die kaufmännische Geschäftsführung, zu der auch die Eröffnung eines Bankkontos für die Arge bei der Volksbank S. gehörte (§ 8 Nr. 4.2 und § 9 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags), und die Vertretung der Gesellschaft in kaufmännischen Belangen wurden der Schuldnerin übertragen. Zur Verfügung über das Konto waren je ein Vertreter der Schuldnerin und der H. W. oHG gemeinschaftlich befugt. Nach § 16 Nr. 1.1 des Gesellschaftsvertrags konnte ein Gesellschafter durch Erklärung der anderen Gesellschafter ausgeschlossen werden, wenn er die Zahlungen einstellte oder über sein Vermögen das Konkurs- oder Vergleichsverfahren beantragt worden war. Bei Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens war ein sofortiges Ausscheiden des Gesellschafters vorgesehen (§ 16 Nr. 2). In allen Fällen des Ausscheidens sollte die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt werden (§ 16 Nr. 4).
Die spätere Schuldnerin eröffnete am 28./29.4.2000 unter ihrer Firmenbezeichnung und der Objektbezeichnung "wg. Arge I. " ein Konto in laufender Rechnung bei der Volksbank S. . Zahlungen der Klägerin an die Gesellschaft erfolgten auf dieses Konto, wobei jeweils die Arge als Zahlungsempfängerin angegeben war. Die der Schuldnerin selbst zustehenden Leistungen wurden hiervon auf ein anderes Konto überwiesen.
Unter dem 12.2.2001 erstellte die Arge zwei Abschlagsrechnungen, auf die insgesamt 1.370.155,18 DM zu zahlen waren. Nachdem das AG am 21.2.2001 auf Antrag der Schuldnerin die vorläufige Insolvenzverwaltung über deren Vermögen angeordnet hatte, beschlossen die übrigen Gesellschafter am 27.2.2001, die kaufmännische Geschäftsführung der Gesellschaft auf die H. W. oHG zu übertragen und von dieser ein neues Konto für die Arge bei der C. bank einrichten zu lassen. Der Klägerin wurde der Beschluss mit Schreiben vom selben Tage übermittelt, verbunden mit der Bitte, ab sofort sämtliche Zahlungen auf das neue Konto zu leisten. Offenbar auf Grund eines Versehens überwies die Klägerin trotzdem der Gesellschaft noch am 9.3.2001 die geforderten 1.370.155,18 DM auf das bisherige Geschäftskonto bei der Volksbank S. . Der Verwalter zog den bei Insolvenzeröffnung noch ungekürzt vorhandenen Betrag zur Insolvenzmasse.
In einem vorausgegangen Rechtsstreit (LG Hamburg - 303 O 271/01) nahm die Arge daraufhin die Klägerin erfolgreich auf nochmalige Zahlung des Werklohns in Anspruch. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG trat die Gesellschaft etwaige eigene Aussonderungsansprüche gegen den Insolvenzverwalter an die Klägerin dieses Prozesses ab. Hierauf gestützt verlangt diese im vorliegenden Verfahren Zahlung eines Teilbetrags von 50.000 EUR sowie Auskunft darüber, welche Zinserträge der Beklagte auf die Hauptforderung vereinnahmt habe. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit noch von Interesse - ausgeführt:
Zwischen der Arge und der früheren R. GmbH als Inhaberin des Kontos habe zwar nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags eine Verwaltungstreuhand bestanden, die grundsätzlich zur Aussonderung aus der Insolvenzmasse berechtige. Hiervon sei jedoch nicht die am 9.3.2001 veranlasste Zahlung der Klägerin umfasst. Zweifelhaft sei schon, ob eine - wie die Verurteilung der hiesigen Klägerin im Vorprozess zeige - ersichtlich zur Erfüllung eines der Arge zustehenden Anspruchs ungeeignete und dieser daher im Endergebnis nicht zustehende Zahlung überhaupt Treugut habe werden können. So könnte schon der Zusammenhang zwischen § 9 Nr. 3 mit § 9 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags, wonach die von der Auftraggeberin eingehenden Zahlungen unverzüglich an die empfangsberechtigten Gesellschafter zu überweisen seien, eine Auslegung der Treuhandabrede nahelegen, dass nur die letztlich der Arge auch gebührenden Leistungen treuhänderisch gebunden sein sollten. Bei Annahme eines sich auch auf Fehlzahlungen erstreckenden Treugutbegriffs sehe sich außerdem der Treuhänder sowohl dem Herausgabeanspruch des Treugebers als auch einem Bereicherungsanspruch des Leistenden ausgesetzt. Letztlich könne dies jedoch dahinstehen. Denn hinsichtlich der nach dem 27.2.2001 neu eingehenden Zahlungen sei schon grundsätzlich mit der Übertragung der kaufmännischen Geschäftsführung auf die Firma W. das Treuhandverhältnis zwischen der Arge und ihrer zuvor geschäftsführenden Gesellschafterin beendet worden, so dass die nach dem 9.3.2001 auf dem streitgegenständlichen Konto eingegangene Zahlung der Klägerin bereits deshalb nicht mehr der treuhänderischen Bindung unterworfen gewesen sei. Allenfalls zu diesem Zeitpunkt veranlasste, aber noch nicht eingegangene Leistungen könnten zwecks Abwicklung noch unmittelbar unter die Treuhandabrede fallen. Zur Entgegennahme später irrtümlich veranlasster Zahlungen sei die Treuhänderin hingegen von der Arge nicht mehr ermächtigt gewesen. Es sei zwar denkbar, der ursprünglichen Treuhandabrede eine nachwirkende Pflicht dahin zu entnehmen, jedenfalls während eines engen und der Beendigung des Treuhandverhältnisses unmittelbar nachgehenden Zeitraums offenkundige "Irrläufer" ebenfalls noch als Treugut zu behandeln und nicht zum Eigengut zu nehmen. Eine derartige Verpflichtung wäre jedoch - im Sinne einer drittschützenden Auslegung der Treuhandabrede - allein ggü. dem Einzahler anzunehmen. Die Klägerin habe ihr Klagebegehren indessen nicht auf ein eigenes, sondern lediglich auf ein abgetretenes Recht der Arge gestützt.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Die Revision nimmt hin, dass das Berufungsgericht als Inhaberin des bei der Volksbank S. eröffneten Girokontos die spätere Insolvenzschuldnerin und nicht die Arge selbst ansieht. Das ist aus Rechtsgründen ebenso wenig zu beanstanden wie die weitere Auslegung des OLG, die Schuldnerin habe dieses Konto nach Lage der Dinge als uneigennützige Treuhänderin für die Arge geführt. Auch die Revisionserwiderung wendet sich dagegen nicht.
2. Ein im Rahmen einer uneigennützigen (Verwaltungs-)Treuhand eingerichtetes Sonderkonto berechtigt den Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders zur Aussonderung gem. § 47 InsO und in der Einzelzwangsvollstreckung zum Widerspruch nach § 771 ZPO. Dafür ist nicht einmal eine Publizität des Treuhandkontos wie bei einem Anderkonto zwingend erforderlich (BGHZ 61, 72 [79]; BGH, Urt. v. 1.7.1993 - IX ZR 251/92, MDR 1993, 1119 = NJW 1993, 2622; Urt. v. 8.2.1996 - IX ZR 151/95, MDR 1996, 630 = BRAK 1996, 128 = NJW 1996, 1543). Notwendig ist lediglich, dass das Konto offen ausgewiesen oder sonst nachweisbar ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmt ist (BGH, Urt. v. 24.6.2003 - IX ZR 120/02, BGHReport 2003, 1176 = MDR 2003, 1316 = NJW-RR 2003, 1375 [1376]). In diesem Fall erstreckt sich das Treuhandverhältnis auch auf von dritter Seite eingegangene Zahlungen, sofern die ihnen zugrundeliegenden Forderungen nicht in der Person des Treuhänders, sondern unmittelbar in der Person des Treugebers entstanden sind (BGH v. 24.6.2003 - IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227 [231] = BGHReport 2003, 1247 = MDR 2003, 1254; Urt. v. 7.4.1959 - VIII ZR 219/57, NJW 1959, 1223 [1225]; Urt. v. 19.11.1992 - IX ZR 45/92, MDR 1993, 529 = NJW-RR 1993, 301; Urt. v. 1.7.1993 - IX ZR 251/92, MDR 1993, 1119 = NJW 1993, 2622).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob die auf ein derartiges Konto eingegangenen Zahlungen Dritter im Innenverhältnis auch dem Treugeber gebühren und inwieweit es sich dabei überhaupt um zur Erfüllung geeignete Leistungen handelt, kommt es - soweit die Parteien keine andere Bestimmung getroffen haben - nicht an. Dem könnte im vorliegenden Fall schon entgegenstehen, dass das streitgegenständliche Treuhandkonto in laufender Rechnung geführt wurde, die eingestellten Einzelforderungen daher mit ihrer Verrechnung und dem nachfolgenden Saldoanerkenntnis erloschen sind und an deren Stelle jeweils neue, vom Schuldgrund losgelöste Forderungen auf den Überschuss traten (BGH v. 13.3.1981 - I ZR 5/79, BGHZ 80, 172 [176] = MDR 1981, 730; v. 7.3.2002 - IX ZR 233/01, BGHZ 150, 122 [128 f.]). Mindestens nach Ablauf der nächsten Rechnungsperiode, im Streitfall monatlich, müsste die vom Berufungsgericht für möglich gehaltene, wenn auch letzten Endes unentschieden gelassene Differenzierung auf rechtliche Schwierigkeiten stoßen. Der IX. Zivilsenat des BGH hat allerdings bei der Überweisung des Erlöses massefremder Gegenstände auf ein im Kontokorrent geführtes allgemeines Bankkonto des Konkursverwalters eine Ersatzaussonderung für möglich gehalten (BGH v. 11.3.1999 - IX ZR 164/98, BGHZ 141, 116 [120 ff.] = MDR 1999, 762). Ob sich diese Erwägungen auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen lassen, muss nicht entschieden werden. Ein solch enges Verständnis des Treuguts würde jedenfalls nicht nur schwer erträgliche Unsicherheiten in die rechtliche Beurteilung hineintragen, sondern auch den Treuhandcharakter des Kontos insgesamt in Frage stellen; denn auf ihrer Grundlage stände zu befürchten, dass auch bei anderen Fehlern in der Zahlungsabwicklung wie versehentlichen Über- oder Doppelzahlungen die treuhänderisch gebundenen Gelder mit eigenem Vermögen des Treuhänders unzulässig vermischt würden. Der vom BGH bisher nicht aufgegebene Unmittelbarkeitsgrundsatz bei Treuhandverhältnissen (BGH v. 24.6.2003 - IX ZR 75/01, BGHZ 155, 227 [231] = BGHReport 2003, 1247 = MDR 2003, 1254) verlangt eine derart einschränkende Auslegung des Treugutbegriffs bei Drittzahlungen nicht. Auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf den Zusammenhang zwischen § 9 Nr. 3 und Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags gibt für einen abweichenden Parteiwillen im Streitfall nichts her. Das kann der Senat selbst entscheiden, da das Berufungsgericht insoweit eine abschließende Auslegung unterlassen hat. Der vom OLG außerdem herausgestellten Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Treuhänders hätte dieser hier unschwer durch Weiterleitung der erhaltenen Leistungen an die Gesellschaft als der von der Klägerin letztlich bestimmten Empfängerin entgehen können.
3. Mangels abweichender Parteivereinbarungen bedeutet ferner das Ende des Treuhandvertrags nicht ohne weiteres - und auch ohne Berücksichtigung der Besonderheiten eines Kontokorrentkontos - zugleich eine Beendigung der treuhänderischen Bindung für die Kontoforderung; das sieht das Berufungsgericht im Ansatz nicht anders. Das Treuhandkonto ist jetzt vielmehr abzurechnen und der Saldo, soweit er dem Treugeber gebührt, an diesen herauszugeben (§ 667 BGB). Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Treugeber im Zweifel - Gegenteiliges ist hier weder festgestellt noch vorgetragen - ein vordringliches Interesse an einer Fortdauer der Bindungswirkung und dem damit einhergehenden Schutz vor Zugriffen von Gläubigern des Treuhänders, während dieser entsprechend nachvertraglich zur Entgegennahme und Weiterleitung später eingehender Zahlungen verpflichtet ist. Das liegt, soweit es sich um ein bei Beendigung des Treuhandvertrags vorhandenes und an den Treugeber noch nicht ausgekehrtes Guthaben handelt, auf der Hand, gilt aber nicht weniger für danach noch erlangte, für den Treugeber bestimmte Gutschriften. Eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung, je nachdem, ob die auf dem Konto verbuchten Beträge im Innenverhältnis auch dem Treugeber zustehen oder ob die Zahlung ihm ggü. Erfüllungswirkung hat, verbietet sich auch nach Vertragsbeendigung aus den oben dargestellten Gründen. Auf die Angriffe der Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass das Treuhandverhältnis zwischen der früheren geschäftsführenden Gesellschafterin und der Arge mit der Übertragung der Geschäftsführung auf einen anderen Gesellschafter beendet gewesen sei, kommt es deswegen nicht an.
III.
Hiernach kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben. Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Klägerin steht ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu. Dass das streitgegenständliche Konto bei der Gutschrift des unter dem 9.3.2001 von der Klägerin überwiesenen Betrags zwischen den Gesellschaftern der Arge noch nicht endgültig abgerechnet war und darum fortdauernd noch der treuhänderischen Bindung unterlag, ergibt sich schon aus dem unstreitigen Umstand, dass die Arge in einer weiteren Rechnung v. 21.3.2001 zunächst ihre Abschlagsrechnungen v. 12.2.2001 als gezahlt verbucht hatte. Auf dieser Feststellung des LG im Vorprozess baut das vom Beklagten selbst im Rechtsstreit vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. B. v. 17.9.2002 auf, ohne dass der Beklagte diese Tatsache in Zweifel gezogen hätte. Es besteht auch kein Anhalt dafür, dass sich bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens an dem Treuhandcharakter des Kontos sonst etwas geändert haben sollte.
Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB. Auskunft über die vom Beklagten außerdem vereinnahmten Zinsbeträge kann die Klägerin nach §§ 666, 713, 398 BGB verlangen.
Fundstellen
Haufe-Index 1406404 |
DStZ 2005, 763 |
BGHR 2005, 1560 |
BauR 2005, 1682 |
BauR 2005, 1769 |
EWiR 2005, 863 |
IBR 2005, 539 |
WM 2005, 1796 |
WuB 2005, 873 |
ZIP 2005, 1465 |
DZWir 2005, 472 |
InVo 2005, 484 |
MDR 2006, 51 |
NZI 2005, 625 |
ZInsO 2005, 879 |
ZVI 2005, 426 |
ZVI 2006, 54 |