Leitsatz (amtlich)
1. Ein der GmbH gewährtes Darlehen, das fehlendes Eigenkapital ersetzt, unterliegt auch dann der Bindung nach GmbHG § 30, wenn der Darlehensgeber nicht unmittelbar an der GmbH beteiligt, sondern ein mit ihr oder einem Gesellschafter verbundenes Unternehmen ist.
2. Ist ein kapitalersetzendes Darlehen unter Verstoß gegen GmbHG § 30 mit einer Forderung der Gesellschaft verrechnet worden, und hat der Darlehensgeber der GmbH noch weitere Darlehen anstelle fehlenden Eigenkapitals gewährt, so kann er diese nicht nachträglich zur Tilgung der Gesellschaftsforderung oder eines Rückgewähranspruchs aus GmbHG § 31 mit der Begründung verwenden, er habe eine solche Zweckbestimmung bei seinen weiteren Leistungen nur deswegen versäumt, weil er jene Verrechnungsabrede irrtümlich für zulässig gehalten habe.
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. November 1982 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Wohnbau Dr. K. GmbH. Deren alleiniger Geschäftsführer war seit ihrer Gründung bis zur Konkurseröffnung am 3. November 1976 der Vater des minderjährigen Beklagten, Dr. K. Am 12. Mai 1975 verkaufte die spätere Gemeinschuldnerin dem Beklagten zwei Eigentumswohnungen. In den Verträgen verpflichtete sich Dr. K. ihr gegenüber, dem Beklagten die restlichen Kaufpreise von 21.281,27 und 70.000 DM als Darlehen zur Verfügung zu stellen. Am 5. März 1976 wies Dr. K. die Buchhaltung der Gemeinschuldnerin an, mit diesen Beträgen sein Verrechnungskonto, auf dem für ihn darlehnsweise der Gesellschaft belassene Tantiemen und Spesen verbucht waren, zu belasten und sie dem Beklagten gutzuschreiben. Diese Buchungen wurden rückwirkend zum 31. Dezember 1975 ausgeführt.
Der Kläger hält die Verrechnung der Restkaufpreisforderungen mit Darlehensansprüchen Dr. K. für unwirksam und deshalb den Beklagten noch für verpflichtet zu zahlen. Er hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 91.281,27 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat durch Urteil vom 28. September 1981 (BGHZ 81, 365) das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat die Klage erneut abgewiesen.
Mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
1. Im ersten Revisionsurteil hat der Senat ausgeführt, die Klage könne aus dem Gesichtspunkt der §§ 30, 31 GmbHG begründet sein, wenn die Gemeinschuldnerin am 5. März 1976, dem Tage der Anweisung Dr. K. an ihre Buchhaltung, sein Konto mit den Kaufpreisforderungen gegen den Beklagten zu belasten, ohne den ihr von Dr. K. gewährten Kredit nicht mehr lebensfähig gewesen und deshalb die Darlehensrückgewähr an ihn als eine nach § 30 GmbHG verbotene Kapitalauszahlung zu betrachten wäre. Zwar hafte ein Dritter nicht schon dann nach § 31 Abs. 1 GmbHG, wenn seine Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft gemäß § 267 BGB durch einen Gesellschafter im Wege einverständlicher Aufrechnung mit einer nach § 30 GmbHG einredebehafteten Forderung erfüllt werde. Anders könne es sich aber verhalten, wenn der durch die Aufrechnung begünstigte Dritte dem Gesellschafter, wie hier, als Angehöriger besonders nahe stehe. Dann könne ein Verstoß gegen § 30 GmbHG dem Dritten jedenfalls dann zuzurechnen sein, wenn er diesen Verstoß hätte erkennen können. Das sei hier der Fall, weil der Beklagte sich das Wissen seines gesetzlichen Vertreters Dr. K., des Geschäftsführers der GmbH, entgegenhalten lassen müsse.
2. Bei dieser rechtlichen Würdigung ist der Senat von dem bis dahin unbestrittenen Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 14. April 1980 (S. 2) ausgegangen, Dr. K. sei in dem maßgebenden Zeitpunkt der einzige Gesellschafter der Gemeinschuldnerin gewesen. Wie das Berufungsgericht nunmehr feststellt und als Hindernis für eine Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG ansieht, trifft dies nicht zu. Bereits 1971 hatte Dr. K. seinen Geschäftsanteil von 500 DM an die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Dr. K. mbH abgetreten; seitdem war er nicht mehr Gesellschafter der Gemeinschuldnerin. Von deren Stammkapital von zuletzt 3 Mio DM hielten seit Ende Dezember 1975 die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Dr. K. mbH 150.000 DM, die Dr. K.-Kommanditgesellschaft, Gesellschaft für B., 1.950.000 DM und die Ko Wohnungsbau AG 900.000 DM. Die beiden erstgenannten Gesellschaften waren demnach mit zusammen 70 % an der Gemeinschuldnerin beteiligt. Von dem Stammkapital der Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH in Höhe von 1 Mio DM entfielen auf Dr. K. 50.000 DM, auf Verwandte weitere 50.000 DM und der Rest von 900.000 DM auf die Dr. K. Kommanditgesellschaft. Einziger persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft war Dr. K.; Kommanditisten waren zwei seiner Verwandten mit Einlagen von je 125.000 DM.
Damit beherrschte der Vater des Beklagten die Kommanditgesellschaft und über sie sowohl die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Dr. K. mbH als auch die Gemeinschuldnerin. Denn deren Stammkapital gehörte zu mehr als zwei Dritteln Gesellschaften, an denen er als persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft maßgeblich beteiligt war. Überdies war er auch alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Grundstücksverwaltungsgesellschaft und der Gemeinschuldnerin und als solcher von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Da er hiernach in mehreren Gesellschaften unternehmerisch tätig gewesen ist, erfüllte er im Verhältnis zur Gemeinschuldnerin in seiner Person die Eigenschaften, die nach § 17 i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG ein herrschendes Unternehmen kennzeichnen (BGHZ 69, 334, 337 f).
3. Bei dieser Sachlage kommt der Tatsache, daß Dr. K. persönlich am 5. März 1976 nicht mehr Gesellschafter der Gemeinschuldnerin gewesen ist, für die Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Nach dem Regierungsentwurf von 1977 zur Änderung des GmbH-Gesetzes (BT-Drucks. 8/1347 zu § 32 a Abs. 5) sollten Forderungen eines mit einem Gesellschafter oder mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmens für die Behandlung als Eigenkapital der GmbH den eigenen Forderungen eines Gesellschafters gleichstehen; dabei war zum Begriff „verbundene Unternehmen” auf die sinngemäß anzuwendenden §§ 15 bis 19 AktG verwiesen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. September 1981 (BGHZ 81, 311, 315 ff) entschieden hat, ist diese Regelung ihrem Rechtsgedanken nach nicht nur in die jetzt geltende Generalklausel des § 32 a Abs. 3 GmbHG eingegangen, sondern auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden, die, wie hier, schon vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift entstanden waren und lediglich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über kapitalersetzende Gesellschafterleistungen zu beurteilen sind.
Hieraus folgt, daß diese Grundsätze wegen der mittelbaren Abhängigkeit der Gemeinschuldnerin von Dr. K. bei Vorliegen ihrer sonstigen Voraussetzungen auch für die Guthaben gelten, die Dr. K. ihr zur Verfügung gestellt hat. Das bedeutet, daß Dr. K. die in Höhe von 21.281,27 DM und 70.000 DM mit Kaufpreisansprüchen der Gesellschaft verrechnete Darlehensvaluta nach § 31 GmbHG zur Konkursmasse erstatten müßte, wenn sie ihm selbst zugeflossen wäre, die Gesellschaft in Ermangelung einer ausreichenden Vermögensgrundlage von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr hätte erhalten können und deshalb ohne die Darlehenssumme hätte liquidiert werden müssen, und wenn die Rückgewähr des Darlehens auf Kosten des Stammkapitals gegangen wäre (BGHZ 76, 326). Dies müßte auch der Beklagte wegen des nahen Verwandtschaftsgrades zu Dr. K. und mit Rücksicht auf dessen ihm zuzurechnende Kenntnis von der Lage der Gesellschaft gegen sich gelten lassen, weil die Rückgewähr des Darlehens im Wege der vereinbarten Aufrechnung unter den vorliegenden Umständen auf eine Umgehung des § 30 GmbHG hinausliefe (BGHZ 81, 365, 369).
4. Zu Unrecht macht die Revisionserwiderung hiergegen geltend, die Verrechnungsabrede vom 5. März 1976 habe schon deshalb nicht gegen § 30 GmbHG verstoßen, weil nach dem Vortrag des Beklagten sein Vater im Jahre 1976 über die verrechneten Beträge hinaus für die Gemeinschuldnerin Leistungen aus seinem Privatvermögen erbracht habe, die er zur Tilgung der Kaufpreisschuld des Beklagten oder auch zur Erfüllung eines etwaigen Rückgewähranspruchs aus § 31 GmbHG hätte verwenden können, nämlich Barmittel in Höhe von 250.000 bis 300.000 DM und Sicherheiten im Werte von 700.000 bis 800.000 DM zur Ausweitung der Kreditlinien. Daß sein Vater diese Leistungen tatsächlich mit einer solchen Zweckbestimmung gemäß § 366 BGB verbunden habe, hat der Beklagte nicht behauptet. Es kann sich daher nur um zusätzliche Darlehen gehandelt haben. Durch die Hergabe weiterer Darlehen konnte Dr. K. aber weder die Klageforderung noch einen Rückzahlungsanspruch aus § 31 GmbHG tilgen. Denn er begründete mit der Hergabe der Darlehensvaluta oder der Bereitstellung und Einlösung von Sicherheiten lediglich neue Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin, die zwar möglicherweise ebenfalls dem Einwand aus § 30 GmbHG unterlagen, solange sie nur auf Kosten des Stammkapitals erfüllt werden konnten, im übrigen aber das Vermögen der Gemeinschuldnerin zusätzlich belasteten. Durch eine nachträgliche Zweckänderung ist es nicht möglich, den Leistungen rückwirkend ihren Darlehenscharakter zu nehmen und statt dessen eine schuldtilgende Wirkung beizulegen (so zur Einlageschuld: Urt. d. Sen. v. 20. 9. 82 – II ZR 236/81, WM 1982, 1200 = ZIP 1982, 1320; vgl. auch BGHZ 51, 157, 162). Das müßte auch dann gelten, wenn Dr. K. eine solche Zweckbestimmung im richtigen Zeitpunkt nur deshalb versäumt haben sollte, weil er die Verrechnungsabrede vom 5. März 1976 irrtümlich für zulässig hielt (Urt. v. 20. 9. 82 aaO; BGHZ 37, 75, 79).
Nur dann könnte die Tatsache, daß Dr. K. erheblich mehr als die verrechneten Beträge für die Gemeinschuldnerin aufgewandt haben soll, der Klageforderung entgegenstehen, wenn die Summe aller seiner Leistungen höher wäre als der Betrag, der notwendig gewesen wäre, um verlorenes Stammkapital und eine darüber hinaus etwa vorhandene Überschuldung abzudecken. In Höhe des Überschusses hätte nämlich eine Darlehensrückzahlung und damit auch eine Verrechnung des Darlehens mit Forderungen der Gemeinschuldnerin nicht gegen § 30 GmbHG verstoßen (BGHZ 76, 326, 335). Nach dem zwar bestrittenen, aber für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vortrag des Klägers (Schriftsätze vom 18. 1. und vom 23. 9. 1982) soll jedoch ein solcher Überschuß in dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu verzeichnen gewesen sein.
5. Infolgedessen kommt es nach wie vor, wie schon im ersten Revisionsurteil ausgeführt wurde, darauf an, ob die zugunsten des Beklagten verrechnete Darlehensvaluta fehlendes Eigenkapital der Gemeinschuldnerin ersetzen mußte und deshalb die Gemeinschuldnerin ohne sie von Rechts wegen alsbald hätte abgewickelt werden müssen. Die Sache ist daher erneut an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die hierzu notwendigen Feststellungen nunmehr nachholt.
Fundstellen
Haufe-Index 649020 |
ZIP 1983, 1448 |