Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuersatz für das Legen des für die Wasserbereitstellung unentbehrlichen Hausanschlusses
Leitsatz (amtlich)
a) Der Begriff "Lieferungen von Wasser" in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG ist gemeinschaftsrechtlich so auszulegen, dass auch das Legen des - für die Wasserbereitstellung unentbehrlichen - Hausanschlusses darunter fällt, so dass auf diese Leistung der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden ist (Anschluss an EuGH UR 2008, 432 - Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Torgau-Westelbien; BFHE 222, 176; 223, 482).
b) Die Anwendung dieses ermäßigten Steuersatzes setzt weder voraus, dass die Lieferung von Wasser und das Legen des Hausanschlusses von demselben Wasserversorgungsunternehmen erbracht werden, noch ist sie auf das erstmalige Legen eines Hausanschlusses beschränkt; der ermäßigte Steuersatz findet auch auf Arbeiten zur Erneuerung oder zur Reduzierung von Wasseranschlüssen Anwendung.
Leitsatz (redaktionell)
Der Rechnungsempfänger hat einen Rechtsanspruch auf eine berichtigte Rechnung mit dem begünstigten Steuersatz und die Rückzahlung der etwaigen zu viel entrichteten Steuern. § 818 Abs. 3 BGB steht dem nicht entgegen, weil der Rechnungsaussteller die an das Finanzamt abgeführten, den Satz von 7 % übersteigenden Umsatzsteuerbeträge erstattet verlangen kann.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1; UStG Anlage 2 Nr. 34; BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 3; UStG § 14c Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 06.07.2011; Aktenzeichen 13 S 11/11) |
AG Königs Wusterhausen (Entscheidung vom 01.12.2010; Aktenzeichen 9 C 417/10) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des LG Potsdam vom 6.7.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Berichtigung von Rechnungen sowie die Rückzahlung von Umsatzsteuerbeträgen im Zusammenhang mit dem Legen von Trinkwasseranschlüssen.
Rz. 2
Die Klägerin ist eine Wohnungsgenossenschaft, deren Wasser- und Abwasserversorgung in den Aufgabenbereich des Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungszweckverbandes L. fällt. Dieser ist neben vier weiteren Zweckverbänden und zwei Gemeinden Gründungsgesellschafter der Beklagten. Diese führt namens und im Auftrag ihrer Gesellschafter den Betrieb der wasserwirtschaftlichen Anlagen zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung.
Rz. 3
In den Jahren 1999 und 2000 erneuerte die Beklagte Trinkwasserhaushaltsanschlüsse im Objekt E.-W.-Straße und stellte der Klägerin im Rahmen der hierauf bezogenen Rechnungen vom 26.8.1999 und 22.5.2000 Umsatzsteuer i.H.v. 16 % in Rechnung. Insgesamt zahlte die Klägerin einen Betrag von 2.603,70 EUR als Umsatzsteuer an die Beklagte.
Rz. 4
Für die Herstellung neuer Wasseranschlüsse für das Objekt C.-Z.-Straße im Jahr 2005 zahlte die Klägerin der Beklagten auf der Grundlage des in den Rechnungen vom 7.4.2005 und 29.6.2005 ausgewiesenen Umsatzsteuersatzes von 16 % Umsatzsteuer i.H.v. insgesamt 851,63 EUR.
Rz. 5
Im Jahr 2009 berechnete die Beklagte mit Rechnungen vom 17. und 18.3.2009 für Arbeiten zur Reduzierung von Wasseranschlüssen und Wasserzählergrößen verschiedener Wohnhäuser der Klägerin Umsatzsteuer i.H.v. 19 %, insgesamt 1.778,92 EUR.
Rz. 6
Die Klägerin ist der Ansicht, dass jeweils nur ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von 7 % hätte berechnet werden dürfen, und verlangt eine entsprechende Berichtigung der vorgenannten Rechnungen und die Rückzahlung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer i.H.v. insgesamt 3.067,14 EUR. Das AG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 9
Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Berichtigung der streitgegenständlichen Rechnungen aus § 241 BGB i.V.m. §§ 14, 14c, 17 UStG. Denn die Rechnungen wiesen fehlerhaft einen nicht ermäßigten Steuersatz von 16 % bzw. 19 % aus. Die von der Beklagten erbrachten Leistungen unterfielen gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 34 einem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des BFH. Diese hätten sich zwar mit Fällen befasst, in denen der Wasserversorger selbst den Hausanschluss gelegt habe. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften habe aber den Begriff der Lieferung von Wasser über den Einzelfall hinaus definiert, indem er entschieden habe, dass das Legen eines Hausanschlusses selbst unmittelbar unter den Begriff der Lieferung von Wasser des Art. 12 Abs. 3 Buchst. a, Anhang H Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG falle. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit der Nr. 34 der Anlage 2 verwende den identischen Begriff der Lieferung von Wasser und sei gemeinschaftsrechtlich und daher nach der Definition des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auszulegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten erfordere die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht, dass die Hauswasseranschlussleistung und die Wasserbereitstellung durch dasselbe Unternehmen erfolgten. Denn nur wenn man das Legen eines Wasseranschlusses als eine Nebenleistung zur Lieferung von Wasser - der Hauptleistung - qualifizierte, müsste eine Identität zwischen dem Erbringer der Hauptleistung und dem Erbringer der Nebenleistung bestehen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und ihm folgend der BFH hätten jedoch das Legen eines Hausanschlusses selbst unmittelbar unter den Begriff der Lieferung von Wasser subsumiert und dabei gerade nicht auf eine Qualifikation dieser Tätigkeit als Nebenleistung abgestellt. Es komme daher nicht auf die Vertragsparteien, sondern allein auf den Leistungsgegenstand an. Soweit sich die Beklagte auf einen Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 7.4.2009 berufe, rechtfertige dies keine andere Entscheidung. Denn dieser Erlass widerspreche der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des BFH.
Rz. 10
Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dadurch, dass die Klägerin die ihr gestellten Rechnungen beglichen und Zahlung an die Beklagte geleistet habe, sei es zu einer Mehrung des Vermögens der Beklagten gekommen. Dass die Beklagte die vereinnahmte Umsatzsteuer an das Finanzamt weitergeleitet habe, führe nicht zu einer Entreicherung der Beklagten nach § 818 Abs. 3 BGB; der Beklagten stehe ein Bereicherungsanspruch gegen das Finanzamt zu.
II.
Rz. 11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Rz. 12
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung i.H.v. 3.067,14 EUR aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Diesen Betrag hat die Beklagte ohne rechtlichen Grund erlangt, da den Rechnungen nur der ermäßigte Steuersatz i.H.v. 7 % hätte zugrunde gelegt werden dürfen. § 818 Abs. 3 BGB steht diesem Bereicherungsanspruch nicht entgegen, weil die Beklagte die an das Finanzamt abgeführten, den Satz von 7 % übersteigenden Umsatzsteuerbeträge erstattet verlangen kann. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht die Rechnungen zu berichtigen.
Rz. 13
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf die streitgegenständlichen Hausanschlussleistungen der Beklagten der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden ist. Denn dabei handelt es sich steuerrechtlich auch dann um die steuerermäßigte Lieferung von Wasser, wenn zwischen dem Wasserversorgungsunternehmen und dem Ersteller des Hausanschlusses keine Personenidentität besteht.
Rz. 14
a) Gemäß § 12 Abs. 1 UStG a.F. beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 16 %; gem. § 12 Abs. 1 UStG in der ab dem 1.1.2007 geltenden Fassung sind es 19 %. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in der Anlage zu § 12 UStG bezeichneten Gegenstände. Darin ist in Nr. 34 aufgeführt:
"Wasser, ausgenommen - Trinkwasser, einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird, - Heilwasser - und Wasserdampf."
Rz. 15
Diese Steuerermäßigung für die Lieferung von Wasser steht im Einklang mit Art. 12 Abs. 3 Buchst. a in Verbindung mit Anhang H Kategorie 2 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie, wonach Lieferungen von Wasser mit einem ermäßigten Satz besteuert werden dürfen (Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [ABl. EG Nr. L 145, 1], hier in der Fassung der Richtlinie 92/77/EWG des Rates vom 19.10.1992 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG (Annäherung der MWSt.-Sätze) [ABl. EG Nr. L 316, 1] und der Richtlinie 1999/49/EG des Rates vom 25.5.1999 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf den Normalsteuersatz [ABl. EG Nr. L 139, 27]).
Rz. 16
b) Der Begriff der Lieferung von Wasser ist gemeinschaftsrechtlich auszulegen (BFHE 222, 176, 182; BFHE 223, 482, 486). Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1.12.2009: Gerichtshof der Europäischen Union) hat entschieden, dass das Legen eines Hausanschlusses unter den Begriff der Lieferung von Wasser fällt (EuGH UR 2008, 432 Rz. 38 ff., 44 - Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Torgau-Westelbien). Denn es stehe fest, dass ohne den Hausanschluss dem Eigentümer oder Bewohner des Grundstücks kein Wasser bereitgestellt werden könnte. Der Anschluss sei also für die Wasserbereitstellung unentbehrlich (EuGH, a.a.O., Rz. 33 f., 40). Der BFH ist dem gefolgt und legt den Begriff "Lieferungen von Wasser" in § 12 Abs. 2 UStG in Verbindung mit Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG so aus, dass auch das Legen eines Hausanschlusses darunter fällt, so dass auf diese Leistung der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist (BFHE 222, 176, 182; BFHE 223, 482, 486).
Rz. 17
c) Entgegen der Ansicht der Revision setzt diese Rechtsprechung nicht voraus, dass sowohl die Lieferung von Wasser als auch das Legen des Hausanschlusses von demselben Wasserversorgungsunternehmen erbracht werden müssen. Diese Sichtweise der Revision knüpft an die früher vertretene Auffassung an, wonach das Legen eines Hausanschlusses nur dann dem ermäßigten Steuersatz unterliegen kann, wenn es eine unselbständige Nebenleistung zu der Lieferung von Wasser darstellt. Eine solche Einordnung setzt nach verbreiteter Meinung Identität des Empfängers und des Leistenden für Haupt- und Nebenleistung voraus (vgl. BFHE 225, 224, 228; Klein, DStR 2009, 1127, 1130 m.w.N.; Wagner, UVR 2008, 189, 190; a.A. Korf, StE 2009, 12, 13).
Rz. 18
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat bei seiner Entscheidung jedoch nicht darauf abgestellt, ob es sich bei dem Legen eines Hausanschlusses um eine unselbständige Nebenleistung zu der Lieferung von Wasser handelt (BFHE 222, 176, 181 f.; BFHE 223, 482, 486; Rau/Dürrwächter/Nieskens, Umsatzsteuergesetz, Stand Oktober 2011, § 3 UStG, "Hausanschluss"; Grube, jurisPR-SteuerR 4/2009, Anm. 6 C; Uhlmann, KStZ 2009, 29, 30; Klein, a.a.O., S. 1130 f.; Korf, a.a.O., S. 12; Wagner, a.a.O.). Vielmehr hat er das Legen eines Hausanschlusses umsatzsteuerrechtlich selbst als Lieferung von Wasser angesehen, weil diese Tätigkeit für die Lieferung von Wasser unentbehrlich ist. Kommt es für die Subsumtion allein auf das Merkmal der Unentbehrlichkeit an, ist es sowohl unbeachtlich, ob der Empfänger des Hausanschlusses identisch ist mit dem Empfänger der Wasserlieferung (BFHE 223, 482, 487; Martin, BFH/PR 2009, 103), als auch, ob die Leistung von demselben Unternehmer erbracht wird, der das Wasser liefert (Wagner, a.a.O.; Tehler, EU-UStB 2008, 38, 39; Vellen, UStB 2009, 6, 7; Küffner/Streit, NWB 2009, 1831 f.; Grube, a.a.O., Anm. 6 D; a.A. Kronawitter, VersorgungsW 2009, 181, 182; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen v. 7.4.2009 - IV B 8 - S 7100/07/10024, 2009/0215132, juris). Das Erfordernis einer Personenidentität lässt sich der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht entnehmen.
Rz. 19
Es kann dahingestellt bleiben, ob zwischen dem wasserliefernden Unternehmen und dem Unternehmen, das den Hausanschluss legt, ein besonderer Zusammenhang bestehen muss und ob es dabei, wie die Revision in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, auf die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ankommt. Denn die Beklagte ist u.a. von dem für die Wasserversorgung der Klägerin zuständigen Zweckverband gegründet worden, um im Auftrag ihrer Gesellschafter den Betrieb der wasserwirtschaftlichen Anlagen zu führen.
Rz. 20
d) Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften beschränkt sich entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung nicht auf das erstmalige Legen eines Hausanschlusses, sondern kann auf - hier erfolgte - Arbeiten zur Erneuerung oder zur Reduzierung von Wasseranschlüssen übertragen werden (vgl. Uhlmann, a.a.O., S. 31; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen v. 7.4.2009 - IV B 8 - S 7100/07/10024, 2009/0215132, a.a.O.). Denn der Wasseranschluss ist für den Bezug von Wasser aus dem Wasserverteilungsnetz auf Dauer notwendig (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mazák vom 10.7.2007 in der Rechtssache C-442/05, juris Rz. 57 - Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Torgau-Westelbien). Auch Arbeiten am Wasseranschluss, die der Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Wasserversorgung dienen, sind somit unentbehrlich für die Lieferung von Wasser.
Rz. 21
e) Eine Ausnahme von der Steuerermäßigung ist gesetzlich nicht geregelt. Der BFH geht aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zwar davon aus, dass die Mitgliedstaaten das Legen eines Hausanschlusses von der grundsätzlichen Steuerermäßigung für die "Lieferungen von Wasser" ausschließen dürfen (BFHE 222, 176, 182). Dazu ist aber eine gesetzliche Regelung erforderlich (BFHE 222, 176, 183).
Rz. 22
Eine derartige gesetzliche Ausnahmeregelung kann - entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Revision - nicht daraus hergeleitet werden, dass die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG nur "Lieferungen" (sowie die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb) von Wasser begünstigt, nicht aber "sonstige Leistungen" wie das Legen von Hausanschlüssen (vgl. BFHE 222, 176, 183). Denn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat entschieden, dass das Legen eines Hausanschlusses unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" fällt; er hat also eine rein begriffliche Zuordnung vorgenommen. Auf die Frage, ob es sich dabei um eine Lieferung eines Gegenstandes oder um eine sonstige Leistung (Dienstleistung) handelt, kommt es nach der Rechtsauffassung des Gerichtshofs nicht an (BFHE 222, 176, 184).
Rz. 23
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht den von der Beklagten geltend gemachten Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB gegenüber dem zutreffend angenommenen Bereicherungsanspruch der Klägerin nicht durchgreifen lassen.
Rz. 24
a) Zwar kann sich der Bereicherungsschuldner in Höhe der an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuer grundsätzlich auf den Wegfall der Bereicherung berufen (BGH, Urt. v. 8.5.2008 - IX ZR 229/06, NJW-RR 2008, 1369 Rz. 11 m.w.N.; v. 25.3.1976 - VII ZR 32/75, BGHZ 66, 150, 157; v. 30.9.1970 - VIII ZR 221/68, NJW 1970, 2059 unter 4b bb). Allerdings ist die Beklagte vorliegend - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1974 - VIII ZR 186/73, NJW 1975, 310 unter I 1) verpflichtet, die Rechnungen gem. § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1, 7 UStG (bzw. § 14 Abs. 2 UStG a.F., § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 UStG a.F. für die in den Jahren 1999 und 2000 gestellten Rechnungen) zu berichtigen, so dass sie die gezahlten Umsatzsteuerbeträge gem. Art. 37 Abs. 2 AO vom Finanzamt erstattet verlangen kann (vgl. zur Vorgehensweise die detaillierten Ausführungen im Schreiben des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 25.6.2009 - S 7221.1.1-1/16 St34, juris; sowie Himmelstoß, KommunalPraxis Bayern 2009, 286, 288 ff.). Damit besteht die Bereicherung der Beklagten fort.
Rz. 25
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist nicht anzunehmen, dass dieser Anspruch gegenüber dem Fiskus praktisch wertlos wäre. Dies ist nur der Fall, wenn der Anspruch uneinbringlich ist oder es nach den Umständen zumindest äußerst schwierig ist, die Forderung durchzusetzen (BGH, Urt. v. 29.5.1978 - II ZR 166/77, BGHZ 72, 9, 13). So verhält es sich hier nicht.
Rz. 26
Aus dem - von der Revision in Bezug genommenen - Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 7.4.2009 (Az.: IV B 8 - S 7100/07/10024, 2009/0215132, a.a.O.) ergibt sich nur, dass es für vor dem 1.7.2009 ausgeführte Leistungen nicht beanstandet wird, wenn sich der leistende Unternehmer auf die Regelungen des BMF-Schreibens vom 5.8.2004 (Az.: IV B 7 - S 7220 - 46/04) beruft, d.h. wenn er den allgemeinen und nicht den ermäßigten Steuersatz ansetzt. Dies besagt aber lediglich, dass der leistende Unternehmer aus Sicht des Bundesfinanzministeriums steuerrechtlich nicht verpflichtet ist, eine Berichtigung von Rechnungen vorzunehmen. Die Berechtigung oder die zivilrechtliche Verpflichtung des Unternehmers, die Rechnungen zu berichtigen, wird dadurch gerade nicht berührt (vgl. Schreiben der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 1.9.2009 - S 7221-20-St 243, juris). Es liegen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte gezwungen sein wird, ihren Erstattungsanspruch gegen den Fiskus gerichtlich geltend zu machen.
Fundstellen
Haufe-Index 2991527 |
BFH/NV 2012, 1406 |
HFR 2012, 1110 |
UR 2012, 639 |