Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweispflicht des Steuerberaters, ob er eine Anlageempfehlung geprüft hat
Leitsatz (redaktionell)
Ein Steuerberater, der seinem Mandanten die Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft empfiehlt, muß darauf hinweisen, daß er die Vermögensanlage nicht selbst geprüft hat.
Normenkette
BGB §§ 675, 276; StBerG § 33
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Juli 1983 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist geschäftsführender Gesellschafter des K Verlages. Er hatte, ebenso wie der Verlag, bereits einige Jahre vor 1972 die aus den Beklagten bestehende Sozietät mit der Erledigung seiner steuerlichen Angelegenheiten beauftragt. Die Sozietät gab regelmäßig Rundschreiben an ihre Mandanten heraus, in denen auch auf steuersparende Anlagemöglichkeiten hingewiesen wurde.
Ende 1972 besprach der Beklagte zu 1) mit dem Kläger den Abschluß für das Jahr 1971. Dabei kam die gestiegene Steuerlast zur Sprache; in diesem Zusammenhang wurde auch die Möglichkeit der Beteiligung des Klägers an einer Abschreibungsgesellschaft erörtert. Der hinzugezogene Beklagte zu 2) nannte dem Kläger als steuersparende Anlagemöglichkeit die H KG in B, wobei er darauf hinwies, daß er selbst an dieser Kommanditgesellschaft beteiligt und am 3. November 1972 in den Beirat gewählt worden sei. Im übrigen ist der Inhalt der Besprechung streitig, insbesondere, ob der Beklagte zu 2) dem Kläger die Beteiligung an der H KG empfohlen und auf die Risiken solcher Anlagen hingewiesen hat. Unstreitig ist jedoch, daß der Beklagte zu 2) dem Kläger die Übersendung eines Prospekts zugesagt hat, den dieser am 9. Januar 1973 erhielt.
Am 12. Januar 1973 fand im Büro des Beklagten zu 1) eine weitere Unterredung zwischen dem Kläger und der bei den Beklagten beschäftigten Angestellten H statt.
Noch am selben Tage wurde beim Finanzamt eine Herabsetzung der Einkommensteuerschuld mit der Begründung beantragt, daß der Kläger sich bereits 1972 an der H KG beteiligt habe; diesem Antrag gab das Finanzamt statt.
Im Jahre 1973 beteiligte sich der Kläger an der H KG; seine Einlage in Höhe von 250.000,– DM zahlte er am 1. August 1973 ein. Ende 1973 erwarb er über die Beklagten weitere Anteile von 200.000,– DM; diese Einlage bezahlte er am 10. März 1974.
Die H KG hatte von Jahr zu Jahr höhere Verluste. Im Lauf des Rechtsstreits hat der Kläger auf Anraten der Beklagten seine Kommanditbeteiligung für 3,– DM verkauft.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz in Höhe von 449.997,– DM nebst Zinsen.
Er hat behauptet, die Beklagten zu 1) und 2) hätten ihm die H KG als „bombensichere” Kapitalanlage empfohlen. Er habe auf diese Empfehlung und die Angaben in dem ihm von den Beklagten übermittelten Prospekt vertraut. Die Angaben seien aber unrichtig und unvollständig gewesen. Die Beklagten hätten aber bereits 1972 erkennen können, daß die zu hohen Betriebsausgaben zum Scheitern der KG hätten führen müssen.
Die Beklagten haben behauptet, daß sie den Kläger auf die allgemeine Unsicherheit von derartigen Beteiligungen hingewiesen hätten.
Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 21. April 1982 – IVa ZR 291/80 – (BGHZ 83, 328) das Berufungsurteil, durch das das klageabweisende Urteil des Landgerichts bestätigt wurde, aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat der Klage nunmehr bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
1. a) Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils (S. 4 Abs. 2) war es zwischen den Parteien streitig, ob der Beklagte zu 2) dem Kläger die Beteiligung an der H KG empfohlen hatte. In den Entscheidungsgründen geht das Berufungsgericht jedoch ohne nähere Begründung davon aus, daß eine solche Empfehlung ausgesprochen worden sei (S. 7 Abs. 3 der Entscheidungsgründe; S. 11 erster Absatz 2. Zeile). Ob es die bestrittene Behauptung des Klägers als erwiesen ansehen wollte oder ob es sie in tatbestandswidriger Weise als unstreitig ansah, ist nicht ersichtlich. Im letzteren Fall wäre das Urteil aufzuheben, weil es von einem anderen Sach- und Streitstand ausgeht als dem, den das Revisionsgericht gem. § 561 Abs. 1 ZPO seiner rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen hat; im ersteren Fall wäre § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO verletzt. Die mangelhafte Begründung des Urteils kann zwar für die richterliche Entscheidung – die der Absetzung der Entscheidungsgründe vorausgeht – nicht ursächlich gewesen sein; das Fehlen einer Begründung macht es jedoch dem Revisionsgericht unmöglich zu prüfen, ob die Überzeugungsbildung des Tatrichters durch rechtsfehlerhafte Erwägungen beeinflußt worden ist.
b) Das Berufungsurteil könnte allenfalls dann bestätigt werden, wenn das Beweisergebnis so gewesen wäre, daß andere tatsächliche Feststellungen als die im Berufungsurteil getroffenen vernünftigerweise nicht in Betracht gekommen wären. So ist es aber nicht. Über den Hergang der Besprechung hat das Berufungsgericht zwei Zeugen vernommen, von denen die eine die Buchhalterin des Klägers, die andere die Bürovorsteherin der Beklagten ist. Die von ihnen gegebene Sachdarstellung war unterschiedlich. Dann kommt es aber auf die Glaubwürdigkeit der beiden Zeuginnen an. Es ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht hinsichtlich dieses Punktes zu einem abschließenden Ergebnis gekommen wäre; es läßt vielmehr ausdrücklich dahingestellt, welche Aussage den Vorzug verdient (S. 10 Berufungsurteil).
2. Das Berufungsgericht meint, es sei unerheblich, ob der Kläger den Beklagten zu 2) gefragt habe, wo er beteiligt sei, oder ob der Beklagte zu 1) von sich aus auf die Beteiligung des Beklagten zu 2) an einem B Objekt hingewiesen und dieser dann die H KG empfohlen habe. Es glaubt, sich für diese Ansicht auf das in dieser Sache ergangene erste Urteil des Senats berufen zu können. Das ist ein Mißverständnis. Der betreffende Satz lautete im Senatsurteil vom 21. April 1982:
„Ob die Beklagten vom Kläger um eine Empfehlung gebeten wurden oder ob diese spontan erteilt wurde, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.”
Der Senat ging also ersichtlich davon aus, daß die Beklagten dem Kläger nur dann schadensersatzpflichtig sein können, wenn ein Mitglied der Sozietät ihm die Vermögensanlage bei der H KG empfohlen haben sollte; er hat es lediglich für unerheblich erklärt, ob die Empfehlung auf Wunsch des Klägers oder spontan ausgesprochen wurde.
An dieser Auffassung (die an der bindenden Kraft des ersten Revisionsurteils nicht teilnimmt) hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung fest. Nur dann, wenn der Beklagte zu 2) dem Kläger die Vermögensanlage empfohlen hat, war er auch zu dem Hinweis verpflichtet, daß er sie selbst nicht geprüft hatte. Sollte er dagegen, wie die Beklagten vortragen, trotz der Bitte des Klägers die Empfehlung einer bestimmten Vermögensanlage abgelehnt und lediglich auf dessen Drängen die Frage, welche steuerbegünstigte Anlage er selbst gewählt habe, wahrheitsgemäß beantwortet haben, so würde man ihm nicht den Vorwurf der schuldhaften Vertragsverletzung machen können.
Das Berufungsgericht wird das beiderseitige Vorbringen unter diesem Gesichtspunkt tatrichterlich zu würdigen haben.
II.
Da das Berufungsurteil schon aus diesem Grunde aufgehoben werden muß, kommt es auf die übrigen Revisionsrügen nicht an. Für die weitere Behandlung der Sache durch das Berufungsgericht sei jedoch auf folgendes hingewiesen:
1. Das Berufungsgericht meint auf Seite 9 (oben) seines Urteils, der Beklagte zu 2) habe den Kläger auf Bedenken wegen der hohen Auszahlungsverluste aufmerksam machen müssen. In der Gesellschafterversammlung vom 3. November 1972, bei der er anwesend gewesen sei, sei ausdrücklich erörtert worden, daß die Hypotheken zwar zu dem im Prospekt genannten Zinsfuß, aber nur zu einem Auszahlungskurs von 89 oder 90% beschafft werden konnten. Bei der erneuten Prüfung wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß ein hohes Disagio in der Regel steuerlich vorteilhaft und daher bei steuerbegünstigten Anlagen üblich ist. Im Prospekt sind bereits Finanzierungskosten in einer Höhe von 10% ziffernmäßig ausgewiesen (Seite 9 unter Ziff. 1.6). Aus den hierzu gegebenen Erläuterungen (Seite 9 rechts erster Absatz, 4. Satz) geht hervor, daß in dem genannten Betrag die durch Tilgungsstreckungsdarlehen gedeckten Finanzierungskosten nicht enthalten waren. Die Finanzierungskosten umfaßten, wie sich ebenfalls aus der Erläuterung ergibt, auch das Damnum (=Disagio). Dies zeigt, daß von Anfang an mit einem Damnum gerechnet wurde. Der Umstand, daß bei der Auszahlung der Hypothek ein Damnum von 10-11% abgezogen wurde, kann daher nicht ohne weiteres als Indiz dafür angesehen werden, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft nicht so entwickelt hätten, wie dies im Prospekt vorgesehen war. Wenn das Berufungsgericht auf dieses Argument zurückkommen sollte, wird eine nähere Begründung erforderlich sein.
2. Das Berufungsgericht hält es nicht für erwiesen, daß die Beklagten den Kläger auf ein mögliches Risiko bei der Beteiligung an der H KG hingewiesen haben; die Ungewißheit hierüber müsse zu Lasten der Beklagten gehen. Die Revision meint, daß damit die Beweislast verkannt worden sei. Das ist jedoch nicht zutreffend (Senatsurteil vom 24. März 1982 – IVa ZR 303/80 – BGHZ 83, 260, 267 unter Ziffer II 2).
3. Das Berufungsgericht führt aus, nach der Aussage der Zeugin H (der Bürovorsteherin der Beklagten) sei nicht darüber gesprochen worden, daß die Beklagten das Objekt nicht geprüft hätten. Die Revision meint, daß dieser Satz mit dem Vernehmungsprotokoll nicht übereinstimme. Mit dieser Rüge können die Beklagten in der Revisionsinstanz nicht gehört werden. Das Revisionsgericht ist nicht befugt, die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts anhand der Formulierungen in der Vernehmungsniederschrift nachzuprüfen.
4. Die Revision bekämpft ferner die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anleger sei an der Rentabilität seiner Kapitalanlage interessiert. Sie meint: Durch die Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft könne man keine Steuern „sparen”; man könne hierdurch lediglich eine bestehende Steuerlast vor sich herschieben. An einer Rentabilität der Anlage sei der Anleger gerade nicht interessiert, weil dies zu einer erhöhten Steuerbelastung führen müsse. Diese Ausführungen sind nicht in jeder Hinsicht zutreffend. Ein vernünftiger Anleger wird sich bei seiner Entscheidung von dem Streben nach einem möglichst hohen Nettoeinkommen leiten lassen. Er wird daher bemüht sein, ein möglichst hohes Bruttoeinkommen mit einer möglichst geringen Steuerbelastung zu verbinden. Aus diesem Grunde wird er bei der Entscheidung über eine ihm vorgeschlagene Vermögensanlage sowohl die zu erwartende Rendite als auch die mit der Anlage verbundenen Steuervorteile in Betracht ziehen. Es ist demnach nicht richtig, wenn die Revision meint, eine Rentabilität der Anlage wäre für den Anleger nicht von Nutzen gewesen, weil sie zu einer höheren Steuerbelastung geführt hätte. Dagegen spricht bereits der Umstand, daß im Prospekt eine hohe Rendite in Aussicht gestellt worden war. Entscheidend kommt es auf das Verhältnis von Bruttoeinkommen und Steuerbelastung an. Eine Steuerersparnis ist kein wirtschaftlicher Vorteil, wenn sie mit einer Einkommensminderung (z.B. einem Verzicht auf eine Kapitalrendite) erkauft wird, die höher ist als der steuerliche Vorteil.
Richtig ist, daß Abschreibungsvergünstigungen die Steuerpflicht nicht aufheben, sondern nur zeitlich verschieben. Auch das kann u.U. zu einer absoluten Verminderung der Steuerlast führen, nämlich dann, wenn der Marginalsteuersatz in dem späteren Steuerjahr niedriger ist als in dem, in dem das Einkommen tatsächlich erzielt wurde; es kann aber auch umgekehrt sein. Auf jeden Fall begründet die Hinausschiebung der Steuerzahlung einen Liquiditäts- und Zinsvorteil; dies allein schon rechtfertigt vom Standpunkt eines vernünftigen Vermögensanlegers die Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft; er kann vernünftigerweise nicht erwarten, daß er von der Steuerlast auf die Dauer verschont bleibe. Nicht sinnvoll wäre es, den Versuch zu unternehmen, die Entstehung der zunächst nur hinausgeschobenen Steuerpflicht durch einen Einkommensverzicht zu verhindern; das könnte nur dann zu einem wirtschaftlichen Vorteil für den Steuerpflichtigen führen, wenn die Einkommenssteuer und die von ihr abhängige Belastung 100% des Einkommens übersteigen würden.
Fundstellen
Haufe-Index 2073772 |
JR 1986, 464 |