Leitsatz (amtlich)
Eine verdeckte Sacheinlage einer Altforderung des Gesellschafters liegt sowohl dann vor, wenn erst die geschuldete Bareinlage eingezahlt und sodann zur Tilgung der Gesellschafterforderung zurückgezahlt wird, als auch dann, wenn in umgekehrter Reihenfolge erst die Gesellschafterforderung getilgt und der erhaltene Betrag sodann ganz oder teilweise als Bareinlage zurückgezahlt wird.
Normenkette
GmbHG § 19 Abs. 4
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Urteil vom 15.10.2014; Aktenzeichen 5 U 136/14 (Hs)) |
LG Dessau-Roßlau (Entscheidung vom 18.06.2014; Aktenzeichen 3 O 66/13) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Naumburg vom 15.10.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte ist neben A. und R. Gesellschafter der Schuldnerin.
Rz. 2
Mit Beschluss vom 29.5.2007 verlängerten die Gesellschafter der Schuldnerin eine Tilgungsaussetzung für Gesellschafterdarlehen bis zum 30.6.2008. Am 27.3.2008 teilte die Buchhalterin der Schuldnerin dem Beklagten mit, dass ein Fehlbetrag von 100.000 EUR bestehe. Am 2.4.2008 zahlte die in Panama ansässige S. S.A. im Auftrag des Mitgesellschafters A. 50.000 EUR auf das Konto der Schuldnerin. Der Buchungstext lautete: "Kapitalerhöhung A.". Bereits am 27.3.2008 wurde dem Konto der Schuldnerin aufgrund eines dem Beklagten zugerechneten Überweisungsauftrags der E. Limited i.H.v. 50.000 EUR nach Abzug der Transaktionskosten ein Betrag i.H.v. 49.939,01 EUR gutgeschrieben. Am 31.3.2008 erhielt die Schuldnerin eine weitere Gutschrift i.H.v. 50.000 EUR mit dem Buchungstext "H. Z. [Beklagter] Einlage". Die Buchhalterin der Schuldnerin wandte sich an das die Schuldnerin betreuende Steuerberatungsbüro mit der Frage, wie sie den Betrag buchen solle. Dort schlug man vor, diesen Betrag bis zur endgültigen Klärung zunächst als weiteres Gesellschafterdarlehen des Beklagten zu buchen. Auf dem Ausdruck der Buchungsunterlagen ist vermerkt: "Storno der 1. drei Buchungen, wegen Text, es muss heißen Darlehen."
Rz. 3
Am 29.4.2008 beschloss die Gesellschafterversammlung der Schuldnerin eine Erhöhung des Stammkapitals der Schuldnerin um mindestens 150.000 EUR. Der Beklagte übernahm einen Geschäftsanteil von 100.000 EUR, A. übernahm einen Geschäftsanteil von 50.000 EUR. Die Kapitalerhöhung wurde am 16.6.2008 beim Registergericht angemeldet und am 23.6.2008 in das Handelsregister eingetragen.
Rz. 4
In einer E-Mail vom 21.5.2008 teilte der Beklagte der Buchhalterin u.a. mit: "... Ich muss heute die 100.000 EUR Kapitalerhöhung für H. einzahlen. Sie erhalten von B. 100.000 EUR im Auftrag von H. Z. Verwendungszweck Kapitalerhöhung Urkundenrolle Nr. 419/2008 Bitte senden Sie 100 ts. EUR zurück auf das Konto mit Vermerk Rückführung, Darlehen H. Z. . ... Sie erhalten in der nächsten Stunde die Bankadresse von Herrn A., dort senden Sie die 50.000 Darlehen zurück. Herr A. wird die 50.000 sofort als Kapitalerhöhung wieder an H. (Konto I. senden)".
Rz. 5
Am 21.5.2008 überwies die Schuldnerin 100.000 EUR an die B. GmbH. Als Verwendungszweck in den Buchungsunterlagen ist vermerkt "Rückführung Darlehen H. Z.". Am 21.5.2008 wurde auf dem Konto der Schuldnerin eine Einzahlung der B. GmbH i.H.v. 100.000 EUR gebucht. Der Buchungstext lautete "Kapitaleinlage Urkunde Nr. 419/2008 H. Z.". Am 5.6.2008 überwies die Schuldnerin 100.000 EUR an den Beklagten mit dem Verwendungszweck "Rückzahlung". Am 9.6.2008 überwies der Beklagte 100.000 EUR an die Schuldnerin mit dem Verwendungszweck "Kapitaleinlage Urkunde NT. 419 2008 H. Z.". Der Betrag wurde am 10.6.2008 bei der Schuldnerin gebucht.
Rz. 6
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1.10.2010 eröffnet.
Rz. 7
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe seine mit der Kapitalerhöhung übernommene Einlage nicht erbracht, und hat ihn auf Zahlung von 100.000 EUR in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache.
Rz. 9
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 10
Dem Kläger stehe ein Anspruch aus den §§ 14, 19 Abs. 1, 55 Abs. 1 GmbHG a.F. zu.
Rz. 11
Seine Pflicht zur Erbringung der Stammeinlage habe der Beklagte nicht bereits durch die beiden Überweisungen Ende März i.H.v. je 50.000 EUR erfüllt. Denn diesen Zahlungen habe ein Beschluss der Gesellschafterversammlung, der eine Erhöhung der Stammeinlage zum Gegenstand gehabt habe, nicht zugrunde gelegen. Ein solcher Beschluss sei durch die Gesellschafter der Schuldnerin erst am 29.4.2008 gefasst worden. Es liege daher allenfalls eine Voreinzahlung auf diese Kapitalerhöhung vor. Diese habe keine Erfüllungswirkung, weil nicht feststehe, dass die dem Geschäftskonto der Schuldnerin Ende März 2008 gutgeschriebenen Beträge im Zeitpunkt der Fassung des Erhöhungsbeschlusses am 29.4.2008, noch als solche im Vermögen der Schuldnerin vorhanden gewesen seien.
Rz. 12
Soweit der Beklagte der Schuldnerin mit den Ende März 2008 vorgenommenen Überweisungen ein Darlehen gewährt haben sollte, sei nicht ersichtlich noch von dem Beklagten dargelegt, dass ihm gegen die Schuldnerin nach der Übernahme der neuen Stammeinlage am 29.4.2008 ein fälliger, liquider und vollwertiger Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens zugestanden habe.
Rz. 13
Mit der durch ihn am 21.5.2008 veranlassten Überweisung von 100.000 EUR habe der Beklagte seine Verpflichtung zur Erbringung der Stammeinlage nicht erfüllt. Der Betrag habe nicht zur freien Verfügung der Geschäftsführung gestanden, da der Beklagte am selben Tag 100.000 EUR von der Schuldnerin erhalten habe.
Rz. 14
Seiner Pflicht zur Erbringung der Stammeinlage sei der Beklagte mit der Zahlung vom 10.6.2008 ebenfalls nicht nachgekommen. Da er erst wenige Tage zuvor, am 5.6.2008, den Betrag von 100.000 EUR von der Schuldnerin erhalten habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Einlagebetrag zur freien Verfügung der Geschäftsführung der Schuldnerin bewirkt worden sei.
Rz. 15
Der Anspruch der Schuldnerin sei auch nicht gem. § 19 Abs. 4 GmbHG, § 3 Abs. 4 EGGmbHG durch eine mit dem Hin- und Herzahlen verdeckte Sacheinlage in Gestalt der Einbringung eines gegen die Schuldnerin gerichteten Anspruchs ganz oder teilweise erloschen. Der Beklagte habe gegen die Schuldnerin weder einen Anspruch auf Erstattung der Ende März 2008 geflossenen 100.000 EUR aus ungerechtfertigter Bereicherung noch einen werthaltigen Darlehensrückzahlungsanspruch gehabt. Entgegen der Ansicht des LG stehe nicht fest, dass dem Beklagten ein Bereicherungsanspruch gegen die Schuldnerin zugestanden habe. Soweit sich der Beklagte darauf berufe, zwischen ihm und der Schuldnerin habe kein Darlehensvertrag bestanden, habe es keiner Beweisaufnahme bedurft. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass möglicherweise am 31.3.2008 Fehlbuchungen auf sein Darlehenskonto bei der Schuldnerin vorgenommen worden seien. Als Geschäftsführer sei der Beklagte für die Buchhaltung verantwortlich gewesen. Aus dieser Buchhaltung ergebe sich, dass er am 27.3.2008 der Schuldnerin ein Darlehen gewährt habe. Dies werde gestützt durch seine E-Mail vom 21.5.2008, in der er ausdrücklich um Rückzahlung des Darlehens gebeten habe. Zudem sei die Werthaltigkeit eines Bereicherungsanspruchs nicht erkennbar. Ein werthaltiger Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens sei ebenfalls nicht ersichtlich.
Rz. 16
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Einlageverpflichtung des Beklagten nicht durch Anrechnung des infolge der beiden Zahlungen vom 27. und 31.3.2008 entstandenen Bereicherungsanspruchs des Beklagten gegen die Schuldnerin gem. § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG ganz oder teilweise erloschen ist.
Rz. 17
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der Beklagte mit den beiden Zahlungen vom 27.3.2008 und vom 31.3.2008 seine durch den Kapitalerhöhungsbeschluss vom 29.4.2008 und seine Übernahmeerklärung begründete Einlageverpflichtung i.H.v. 100.000 EUR nicht erfüllt hat.
Rz. 18
Nach der Rechtsprechung des BGH haben Voreinzahlungen auf eine künftige Kapitalerhöhung grundsätzlich nur dann Tilgungswirkung, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt der Beschlussfassung und der mit ihr üblicherweise verbundenen Übernahmeerklärung noch als solcher im Gesellschaftsvermögen zweifelsfrei vorhanden ist (BGH, Urt. v. 15.3.2004 - II ZR 210/01, BGHZ 158, 283, 284 f.; Urt. v. 26.6.2006 - II ZR 43/05, BGHZ 168, 201, 203 ff.; Urt. v. 24.4.2008 - III ZR 223/06, ZIP 2008, 1928 Rz. 14; Beschl. v. 11.6.2013 - II ZB 25/12, ZIP 2013, 1422 Rz. 14). Dies ist dann der Fall, wenn und soweit sich der geschuldete Betrag entweder in der Kasse der Gesellschaft befindet oder der Gesellschafter auf ein Konto der Gesellschaft einzahlt, soweit dieses anschließend und fortdauernd bis zur Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein Guthaben ausweist (vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2004 - II ZR 210/01, BGHZ 158, 283, 284 f.; Urt. v. 24.4.2008 - III ZR 223/06, ZIP 2008, 1928 Rz. 14).
Rz. 19
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass diese Voraussetzungen in Bezug auf die Zahlungen des Beklagten Ende März 2008 nicht erfüllt sind. Die Revision greift diese Feststellung nicht an.
Rz. 20
2. Von Rechtsirrtum beeinflusst ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die durch den Kapitalerhöhungsbeschluss vom 29.4.2008 und die Übernahme eines Geschäftsanteils an der Schuldnerin begründete Einlageverbindlichkeit des Beklagten i.H.v. 100.000 EUR nicht durch Anrechnung des Werts der im Hinblick auf die Zahlungen des Beklagten Ende März 2008 entstandenen Forderung des Beklagten gegen die Schuldnerin nach §§ 56 Abs. 2, 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG ganz oder teilweise erloschen ist.
Rz. 21
a) Im Ausgangspunkt richtig hat das Berufungsgericht § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG in der seit dem 1.11.2008 geltenden Fassung für einschlägig erachtet. § 3 Abs. 4 EGGmbHG ordnet die Geltung des § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG in der ab dem 1.11.2008 geltenden Fassung auch für vor diesem Zeitpunkt bewirkte Einlageleistungen an, soweit sie nach der vor dem 1.11.2008 geltenden Rechtslage wegen der Vereinbarung einer Einlagenrückgewähr oder wegen einer verdeckten Sacheinlage keine Erfüllung der Einlagenverpflichtung bewirkten. Die Rückwirkung bezieht sich auch auf Kapitalerhöhungen (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2009 - II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 Rz. 13 - Cash-Pool II; Urt. v. 22.3.2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rz. 19 - ADCOCOM).
Rz. 22
b) Rechtsfehlerhaft ist aber die Feststellung des Berufungsgerichts, entgegen der Ansicht des LG stehe nicht fest, dass dem Beklagten gegen die Schuldnerin ein Anspruch auf Erstattung der Ende März 2008 geflossenen 100.000 EUR aus ungerechtfertigter Bereicherung zugestanden habe. Zu Gunsten des Beklagten ist für die Revisionsinstanz vom Bestehen einer entsprechenden Bereicherungsforderung auszugehen.
Rz. 23
aa) Das LG war nach Vernehmung der Buchhalterin und der Steuerberaterin der Schuldnerin zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den Zahlungen des Beklagten Ende März 2008 trotz der zwischenzeitlichen Buchung auf einem Darlehenskonto des Beklagten und der Verwendung des Begriffs Darlehen in der E-Mail des Beklagten vom 21.5.2008 nicht um die Gewährung eines Darlehens gehandelt habe. Der Betrag sei angesichts des fehlenden Kapitalerhöhungsbeschlusses lediglich vom Kapitalkonto auf das Darlehenskonto verbucht und bis zur endgültigen Klärung "geparkt" worden.
Rz. 24
Dieses Beweisergebnis hat das Berufungsgericht mit der Erwägung unbeachtet gelassen, soweit sich der Beklagte darauf berufe, zwischen ihm und der Schuldnerin habe ein Darlehensvertrag nicht bestanden, habe es keiner Beweisaufnahme bedurft, weil es nicht auf die Kenntnisse der Zeugen bezüglich eines Darlehensvertrags oder der Hintergründe der Buchungen angekommen sei. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass möglicherweise am 31.3.2008 Fehlbuchungen auf sein Darlehenskonto bei der Schuldnerin vorgenommen worden seien, weil er als Geschäftsführer für die Buchhaltung gem. § 41 GmbHG verantwortlich sei. Aus der Buchhaltung ergebe sich, dass er am 27.3.2008 der Schuldnerin ein Darlehen gewährt habe.
Rz. 25
Das ist rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht durfte das Beweisergebnis erster Instanz und den entsprechenden Beweisantritt des Beklagten nicht wegen der sich aus den Buchungsunterlagen ergebenden Angaben unberücksichtigt lassen. Aus der Verpflichtung des Geschäftsführers einer GmbH, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen, ergibt sich zwar eine Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu seinen Lasten, aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine unwiderlegbare Vermutung zu seinen Lasten dahin, der Inhalt einer Buchung gebe die Rechtswirklichkeit zutreffend wieder. Stützt sich die Gesellschaft im Prozess gegen ihren Geschäftsführer auf vorhandene Buchungen und Buchungsunterlagen, hat der in Anspruch genommene Geschäftsführer somit zwar für seine Behauptung, die Buchführung sei nicht ordnungsgemäß, den Nachweis zu erbringen. Denn im Verhältnis zu dem für die ordnungsgemäße Rechnungslegung zuständigen Geschäftsführer kann die Gesellschaft davon ausgehen, dass er die Bücher so geführt hat oder durch Angestellte hat führen lassen, dass sie ein richtiges und vollständiges Bild von allen Geschäftsvorfällen vermitteln, die im Betrieb angefallen sind. Mit der Auferlegung dieser Darlegungs- und Beweislast wird von dem beklagten Geschäftsführer nichts Unmögliches verlangt. Denn er ist berechtigt, zum Zwecke seiner Beweisführung Einsicht in die Buchhaltung der GmbH zu nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 9.5.1974 - II ZR 50/72, NJW 1974, 1468; Urt. v. 8.7.1985 - II ZR 198/84, ZIP 1985, 1135, 1136). Hat der Geschäftsführer seiner Darlegungslast insoweit aber genügt und wie hier der Beklagte für sein Vorbringen Beweis angetreten, darf dieses nicht unbeachtet bleiben.
Rz. 26
bb) Zu Gunsten des Beklagten ist daher davon auszugehen, dass er der Schuldnerin mit den Zahlungen Ende März 2008 kein Darlehen gewährt hat, sondern es sich vielmehr, wie vom Beklagten behauptet und vom LG festgestellt, um Voreinzahlungen auf eine künftige Kapitalerhöhung gehandelt hat. Durch die rechtsgrundlose, verfrühte Leistung auf die Kapitalerhöhung ist deshalb eine Forderung des Beklagten gegen die Schuldnerin aus ungerechtfertigter Bereicherung in entsprechender Höhe entstanden. Diese Rückzahlungsforderung hätte auf dem Wege einer offen zu legenden und der registergerichtlichen Prüfung zu unterwerfenden Sacheinlage eingebracht werden können (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.1968 - II ZR 144/67, BGHZ 51, 157, 159; Urt. v. 15.3.2004 - II ZR 210/01, BGHZ 158, 283, 285; Urt. v. 26.6.2006 - II ZR 43/05, BGHZ 168, 201, 204). Das hat der Beklagte nicht getan. Vielmehr hat er auf seine Forderung am 5.6.2008 eine Rückzahlung in voller Höhe erhalten. Die beiden gegenläufigen Überweisungen vom 21.5.2008i.H.v. 100.000 EUR können bei der weiteren Betrachtung außer Betracht bleiben. Nach den Feststellungen des LG handelt es sich hierbei um eine Fehlüberweisung und deren Korrektur. Abweichende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
Rz. 27
c) Da die Zahlung des Beklagten vom 10.6.2008i.H.v. 100.000 EUR auf die mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss vom 29.4.2008 übernommene Geldeinlage bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund der im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede als verdeckte Sacheinlage der durch die Zahlungen Ende März 2008 entstandenen Bereicherungsforderung des Beklagten gegen die Schuldnerin zu bewerten ist, befreit die Zahlung den Beklagten zwar nicht von seiner Einlageverpflichtung (§ 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Auf die fortbestehende Einlagepflicht wird aber gem. § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG der Wert der eingebrachten Bereicherungsforderung angerechnet, so dass die Einlageverbindlichkeit durch Anrechnung ganz oder teilweise erloschen sein kann.
Rz. 28
aa) Eine verdeckte Sacheinlage liegt vor, wenn die gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage beschlossen oder vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Verwendungsabsprache einen Sachwert oder - wie vorliegend - eine Altforderung erhalten soll (BGH, Urt. v. 15.1.1990 - II ZR 164/88, BGHZ 110, 47, 60 f.; Urt. v. 18.2.1991 - II ZR 104/90, BGHZ 113, 335, 341; Urt. v. 16.1.2006 - II ZR 76/04, BGHZ 166, 8 Rz. 11 f. - Cash-Pool; Urt. v. 18.2.2008 - II ZR 132/06, BGHZ 175, 265 Rz. 10 - Rheinmöve; Urt. v. 16.2.2009 - II ZR 120/07, BGHZ 180, 38 Rz. 8 - Qivive; Urt. v. 20.7.2009 - II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 Rz. 10 - Cash-Pool II; Urt. v. 1.2.2010 - II ZR 173/08, BGHZ 184, 158 Rz. 15 - EUROBIKE; Urt. v. 22.3.2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rz. 11 - ADCOCOM). Die Neufassung von § 19 Abs. 4 GmbHG durch das MoMiG hat an diesen Tatbestandsvoraussetzungen nichts geändert; der Gesetzgeber wollte damit vielmehr an die Rechtsprechung des Senats anknüpfen (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2009 - II ZR 120/07, BGHZ 180, 38 Rz. 8 - Qivive; Urt. v. 1.2.2010 - II ZR 173/08, BGHZ 184, 158 Rz. 15 - EUROBIKE; Urt. v. 22.3.2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rz. 11 - ADCOCOM).
Rz. 29
Der Schuldnerin floss im wirtschaftlichen Ergebnis infolge der Begleichung der Bereicherungsforderung des Beklagten am 5.6.2008i.H.v. 100.000 EUR mit der Zahlung des Beklagten vom 10.6.2008i.H.v. gleichfalls 100.000 EUR nicht der vereinbarte Barbetrag, sondern die Befreiung von der Bereicherungsverbindlichkeit zu. Denn es besteht ein äußerst enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Bareinzahlung und Forderungstilgung, der sowohl durch die Möglichkeit, die zur Zeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses am 29.4.2008 bereits bestehende Bereicherungsforderung als Sacheinlage einzubringen, als auch durch die Identität der in Frage stehenden Beträge und durch den Vollzug beider Buchungsvorgänge im Abstand weniger Tage dokumentiert wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1991 - II ZR 104/90, BGHZ 113, 335, 344; vgl. auch Casper in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 19 Rz. 126).
Rz. 30
In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass zunächst die Schuldnerin die Bereicherungsforderung des Beklagten erfüllt und dieser danach auf die Einlageverpflichtung gezahlt hat. Entscheidend für die rechtliche Betrachtung ist allein der mit diesen Leistungen bewirkte Erfolg, dass die Gesellschaft als wirtschaftliches Ergebnis der als innerlich zusammengehörig zu bewertenden Vorgänge am Ende keine Zuführung neuer Liquidität, sondern lediglich die Befreiung von einer Gesellschafterforderung erhalten hat. Eine verdeckte Sacheinlage einer Altforderung des Gesellschafters liegt sowohl dann vor, wenn erst die geschuldete Bareinlage eingezahlt und sodann zur Tilgung der Gesellschafterforderung zurückgezahlt wird, als auch dann, wenn in umgekehrter Reihenfolge erst die Gesellschafterforderung getilgt und der erhaltene Betrag sodann ganz oder teilweise als Bareinlage zurückgezahlt wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1991 - II ZR 104/90, BGHZ 113, 335, 344 f.; Urt. v. 16.3.1998 - II ZR 303/96, ZIP 1999, 780, 782; Urt. v. 20.11.2006 - II ZR 176/05, BGHZ 170, 47 Rz. 11).
Rz. 31
bb) Der festgestellte enge zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen der Einzahlung des Einlagebetrags und dem Rückfluss des Geldes begründet die Vermutung, die (objektive) Umgehung der Sachkapitalaufbringungsregeln sei im Sinne einer Verwendungsabsprache von Anfang an in Aussicht genommen worden (BGH, Urt. v. 16.1.2006 - II ZR 76/04, BGHZ 166, 8 Rz. 13; Urt. v. 18.2.2008 - II ZR 132/06, BGHZ 175, 265 Rz. 13 - Rheinmöve; Urt. v. 22.3.2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rz. 14 - ADCOCOM).
Rz. 32
d) Nach §§ 56 Abs. 2, 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG, § 3 Abs. 4 EGGmbHG in der mit Inkrafttreten des MoMiG maßgeblichen Fassung ist auf die wegen Umgehung der Sacheinlagevorschriften fortbestehende Bareinlagepflicht des Beklagten (§ 19 Abs. 4 Satz 1, 3 GmbHG) aber der Wert der Bereicherungsforderung zu dem in § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG bezeichneten Zeitpunkt anzurechnen.
Rz. 33
Die (vollständige) Erfüllung der fortbestehenden Geldeinlagepflicht des Inferenten bei verdeckter Einbringung einer Forderung kann im Falle einer Kapitalerhöhung nach Maßgabe von §§ 19 Abs. 4 Satz 3, Satz 5, 56 Abs. 2 GmbHG gelingen, wenn der Inferent nachweist, dass seine Forderung gegen die Gesellschaft im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung - oder, falls später, im Zeitpunkt der Überlassung des Gegenstands der verdeckten Sacheinlage, der bei der Einbringung einer Forderung im Wege der (verdeckten) Sacheinlage in der Befreiung der Gesellschaft von der entsprechenden Verbindlichkeit gegenüber ihrem Gesellschafter besteht (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1991 - II ZR 104/90, BGHZ 113, 335, 343; Urt. v. 16.1.2006 - II ZR 76/04, BGHZ 166, 8 Rz. 12 - Cash-Pool) - vollwertig war, d.h. ihr Wert (mindestens) den Betrag der übernommenen Geldeinlagepflicht erreicht hat. Eine gegen die Gesellschaft bestehende Forderung ist in diesem Sinne dann nicht vollwertig, wenn das Gesellschaftsvermögen bei Befriedigung der Forderung (in Höhe des Betrags der übernommenen Geldeinlagepflicht) nicht ausreichen würde, um alle (sonstigen) fälligen Forderungen der Gesellschaftsgläubiger zu erfüllen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.7.2012 - II ZR 212/10, ZIP 2012, 1857 Rz. 19 m.w.N.; Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 19 GmbHG Rz. 59, 26; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 19 Rz. 84, 31). Ist der Wert der im Wege der verdeckten Sacheinlage eingebrachten Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt geringer als der Betrag der übernommenen Geldeinlagepflicht, so ist der Inferent nur im Umfang des anzurechnenden (Minder)Werts von seiner Geldeinlagepflicht befreit (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rz. 45, 60 - ADCOCOM zur Einbringung von Lizenzen).
Rz. 34
Liegt im maßgeblichen Zeitpunkt eine Überschuldung der Gesellschaft vor, ist es offensichtlich, dass die Forderung jedenfalls nicht vollwertig ist. Ob die Gesellschaft in dem maßgebenden Zeitpunkt überschuldet war, ist anhand eines Vermögensstatus der Gesellschaft (Überschuldungsbilanz) festzustellen, in dem ihre Vermögenswerte mit den Verkehrs- oder Liquidationswerten ausgewiesen sind. Bei der Ermittlung des Vermögensstands dürfen stille Reserven berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 21.2.1994 - II ZR 60/93, BGHZ 125, 141, 146; Beschl. v. 10.7.2012 - II ZR 212/10, ZIP 2012, 1857 Rz. 19). Eine Unterbilanz schadet dagegen im Grundsatz nicht (vgl. BGH, Urt. v. 26.3.1984 - II ZR 14/84, BGHZ 90, 370, 373 f.; Urt. v. 21.2.1994 - II ZR 60/93, BGHZ 125, 141, 146). Die Erfüllung eines Anspruchs kann eine Unterbilanz oder Überschuldung weder herbeiführen noch vertiefen, weil der Verminderung der Aktivseite eine entsprechende Verringerung der Verbindlichkeiten gegenübersteht, die Erfüllung also bilanzneutral ist (BGH, Beschl. v. 10.7.2012 - II ZR 212/10, ZIP 2012, 1857 Rz. 19).
Rz. 35
e) Das Berufungsgericht hat danach rechtsfehlerhaft keine Feststellungen zum Wert der Forderung des Beklagten im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister (§ 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG) am 16.6.2008 getroffen. Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, die Werthaltigkeit eines etwaigen Bereicherungsanspruchs sei nicht erkennbar, kann darin keine Feststellung fehlender Werthaltigkeit gesehen werden, weil nicht ersichtlich ist, auf welcher Tatsachenbasis das Berufungsgericht zu dieser Annahme gelangt ist.
Rz. 36
III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die Feststellungen zum Wert der Forderung des Beklagten im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister (§ 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG) am 16.6.2008 nachholen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 9183522 |
BB 2016, 1356 |
BB 2016, 769 |
DB 2016, 7 |
DB 2016, 762 |
DStR 2016, 923 |