Entscheidungsstichwort (Thema)
falsche uneidliche Aussage
Tenor
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 26. Mai 1998 mit den Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zur Untreue und zum Bankrott verurteilt worden ist,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen im Ausspruch über die wegen falscher uneidlicher Aussage verhängte Einzelstrafe aufgehoben.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten, einen ehemaligen Münchner Oberbürgermeister und Rechtsanwalt, wegen Beihilfe zum Bankrott und zur Untreue sowie wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge jeweils hinsichtlich der Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott und zur Untreue Erfolg. Die Revision des Angeklagten führt zudem zur Aufhebung des Ausspruchs über die wegen des Aussagedelikts verhängte Einzelstrafe sowie über die Gesamtstrafe.
I. Revision des Angeklagten
1. Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott und zur Untreue
a) Das Landgericht hat der Verurteilung folgende Feststellungen zugrundegelegt:
Der Angeklagte war einer von vier Kommanditisten der TLS GmbH & Co KG. Die Komplementär-GmbH war am Vermögen der KG nicht beteiligt. Sie erhielt von der KG lediglich ihre Aufwendungen und Auslagen ersetzt sowie zur Abgeltung ihres Haftungsrisikos 10 % des ausgewiesenen Gewinns, höchstens jedoch 2.000 DM jährlich. An der GmbH hielten die Kommanditisten im selben Verhältnis die Anteile wie an der KG. Die GmbH war zur Geschäftsführung und Vertretung der KG berechtigt und verpflichtet. Zur Veräußerung von Grundstücken bedurfte sie der Zustimmung der KG-Gesellschafterversammlung. Geschäftsführer der GmbH war Dr. Walter K., ein Bruder des Angeklagten.
Die KG hatte im Januar 1990 für 4,5 Millionen DM das Betriebsvermögen einer anderen KG übernommen. Dieses Geschäft wurde mittels eines Bankkredits finanziert, der durch Grundpfandrechte an dem miterworbenen Betriebsgrundstück gesichert war. Seit 1991, vor allem im Juni 1992 bestand eine „schwierige wirtschaftliche Situation” der KG, insbesondere eine „sehr angespannte Liquiditätslage”, die die Begleichung zweier Forderungen der Fa. Heimelectric i.L. über insgesamt 3,55 Millionen DM nicht einmal „in nennenswerten Teilbeträgen” zuließ. Diese wäre nur „unter Einsatz des Grundstücks (nachrangige Belastung) oder aber bei Einzahlung der Kommanditanteile durch die Kommanditisten möglich gewesen”. Zudem bereitete die Bezahlung der Forderung der Kreditbank in Höhe von ca. 125.000 DM vierteljährlich „Probleme”. Weitere Bankkredite waren nicht mehr zu erhalten.
Am 1. Oktober 1992 verpflichtete Dr. Walter K. die KG als deren Vertreter mit notariellem Vertrag, ihr Betriebsgrundstück an die von denselben vier Kommanditisten mit denselben Anteilen neu gegründete Pro-Terra GmbH & Co KG zu übertragen. Der Kaufpreis sollte durch die Übernahme der Verbindlichkeiten gegenüber der Kreditbank in Höhe von 4,3 Millionen DM getilgt werden. Bereits am 30. Juni 1992 schloß Dr. Walter K. als Vertreter beider einen Vertrag zwischen der TLS GmbH & Co KG und der Pro-Terra GmbH & Co KG, nach dem die zuerst Genannte ab 1. Juli 1992 für die Nutzung des Grundstücks 25.000 DM Miete monatlich an die Pro-Terra GmbH & Co KG zu zahlen hatte. Nach einer in dem Grundstücksübertragungsvertrag vom 1. Oktober 1992 enthaltenen Regelung sollten die Einnahmen aus der Vermietung von Teilen des Grundstücks an andere Mieter (2. Halbjahr 1992: 170.000 DM; 1993: 60.000 DM) ebenfalls bereits ab 1. Juli 1992 der Pro-Terra GmbH & Co KG zustehen. Zu einer Änderung des Grundbuchs kam es nicht.
Beide von Dr. Walter K. geschlossenen Verträge beruhten auf Entscheidungen aller Gesellschafter (einschließlich des Angeklagten), die am 29. Juni 1992 auf Gesellschafterversammlungen beider Kommanditgesellschaften jeweils einstimmig das Grundstücksgeschäft nebst der Mietvereinbarung beschlossen hatten.
Da die Kreditbank der Schuldübernahme nicht zustimmte, wurde der Grundstücksübernahmevertrag am 16. Februar 1993 dahingehend geändert, daß die Pro-Terra GmbH & Co KG die TLS GmbH & Co KG im Innenverhältnis von allen Forderungen der Bank freistellte. Dementsprechend beglich die Pro-Terra GmbH & Co KG 1992 und 1993 diese Forderungen. Die TLS GmbH & Co KG war „nach Dezember 1993 nicht mehr in der Lage, ihren fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen; sie bezahlte seit diesem Zeitpunkt keine Löhne mehr an die ca. 40 Arbeitnehmer” und keine Sozialabgaben. Im Februar 1994 wurde namens der Gesellschaft Konkursantrag gestellt, das Verfahren am 31. März 1994 eröffnet.
b) Das Landgericht hat eine Untreue zum Nachteil der Komplementär-GmbH darin gesehen, daß Dr. Walter K. durch den Vertrag vom 30. Juni 1992 eine Mithaftung der GmbH für die Zahlungsverpflichtung der TLS GmbH & Co KG für die Miete des (eigenen) Grundstücks begründete. Als Bankrott bezüglich der TLS GmbH & Co KG hat es das Landgericht gewertet, daß Dr. Walter K. deren Nutzungen, nämlich die Gebrauchsvorteile des Grundstücks und die Forderungen gegen die Drittmieter, in dem Grundstücksübertragungsvertrag vom 1. Oktober 1992 auf die Pro-Terra GmbH & Co KG übertrug. Zu beiden Taten habe der Angeklagte durch seine in den Gesellschafterversammlungen erteilten Zustimmungen Beihilfe geleistet.
Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat keine zureichenden Feststellungen getroffen, die seine rechtliche Bewertung tragen.
aa) Eine – vom Landgericht wohl in der Form des Mißbrauchstatbestands (§ 266 Abs. 1 1. Alt. StGB) angenommene – Untreue Dr. Walter K.'s ist nicht belegt. Dieser hatte zwar als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH dieser gegenüber eine besondere Vermögensbetreuungspflicht (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Treubruch 2). Es ist aber nicht dargetan, daß er diese Pflicht verletzt hat.
Der Untreuetatbestand dient nach seiner Zielrichtung – im Unterschied etwa zu den §§ 283 ff. StGB – nicht dem Gläubigerschutz, sondern bezweckt allein den Schutz des Vermögens, das der Pflichtige zu betreuen hat (Gribbohm ZGR 1990, 1, 25). Dieser verletzt seine Pflicht dementsprechend nicht, wenn sein Vorgehen im Einverständnis des Vermögensinhabers erfolgt. Handelt es sich um das Vermögen einer GmbH, fehlt es infolgedessen grundsätzlich an der Pflichtwidrigkeit, wenn sich die Gesellschafter mit dem Vorgehen des Pflichtigen einverstanden erklärt haben, wie dies hier alle Gesellschafter in bezug auf den Abschluß des Mietvertrages vom 30. Juni 1992 am Tag zuvor getan haben.
Allerdings ist es im Hinblick auf die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH (§ 13 Abs. 1 GmbHG) anerkannt, daß eine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht kommt, wenn die Zustimmung der Gesellschafter zu einem Rechtsgeschäft der GmbH gegenüber treuwidrig und somit wirkungslos ist. Diese Voraussetzung hat der Bundesgerichtshof zunächst bejaht, wenn die Zustimmung dazu führt, das Stammkapital der GmbH zu beeinträchtigen (BGHSt 9, 203, 216). Dem hat er den Fall gleichgestellt, daß die Zustimmung gegen die Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns verstößt, etwa durch Mißachtung einer Forderungspfändung, Hingabe von Finanzwechseln oder durch Verschleierung einer Vermögensverschiebung bei der GmbH unter Mißachtung der Pflicht nach § 41 GmbHG durch Falsch- oder Nichtbuchen (BGHSt 34, 379, 386 ff.).
Da jedoch die Gesellschafter nach der gesetzlichen Konzeption grundsätzlich frei sind, über das Gesellschaftsvermögen zu verfügen (zusammenfassend Fuhrmann/Schaal in Rowedder, GmbHG 3. Aufl. 1997 Vorbem. §§ 82-85 Rdn. 11; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. 1997 § 266 Rdn. 21), hat der Bundesgerichtshof den erweiterten Anwendungsbereich unwirksamer Zustimmungen wieder auf Handlungen des Pflichtigen beschränkt, die die wirtschaftliche Existenz der GmbH gefährden (BGHSt 35, 333, 336 f.; BGHR § 266 Abs. 1 Nachteil 23). Der 3. Strafsenat hat dies schließlich – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des für Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH, Urt. v. 21. Juni 1999 - II ZR 47/98) – dahingehend präzisiert, daß die Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen nicht verfügen dürfen, wenn dadurch eine konkrete Existenzgefährdung für die Gesellschaft entsteht, was jedenfalls bei einem Angriff auf das durch § 30 GmbHG geschützte Stammkapital der Fall ist (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 37).
Diesen Maßstab wendet auch der Senat an. Danach läßt sich die Annahme, die Zustimmung der Gesellschafter sei unwirksam gewesen, nicht auf die Urteilsfeststellungen stützen. Eine Existenzgefährdung, insbesondere eine Gefährdung des Stammkapitals als Folge des Mietvertrages der Kommanditgesellschaften über das Grundstück ist nicht ersichtlich. Denn da die Gesellschaft am Vermögen der TLS GmbH & Co KG nicht beteiligt war, konnte sich eine derartige Gefährdung nur aus einer Erhöhung ihres Haftungsrisikos ergeben, die Folge des Vertragsabschlusses hätte sein müssen (vgl. BGH wistra 1984, 71; s. auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 25; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 20 betrifft den Fall der Vermögensbeteiligung der GmbH an der KG). Dafür hätte es der rechtsfehlerfreien Darlegung bedurft, daß sich die wirtschaftliche Lage der KG selbst (nicht nur unerheblich) nachteilig verändert hat. Daran fehlt es.
Zwar hat das Landgericht vom Ansatz her zutreffend nicht ausschließlich auf den Inhalt des Mietvertrages abgestellt, sondern die Freistellung der TLS GmbH & Co KG von den gegen sie bestehenden Forderungen der Kreditbank durch die Pro-Terra GmbH & Co KG einerseits und die durch Dritte ebenfalls für die Nutzung von Grundstücksteilen zu zahlenden Mieten andererseits in die Rechnung eingestellt. Es hat aber letztlich den Kreis der für die wirtschaftliche Bewertung der Vor- und Nachteile zu berücksichtigenden Umstände insoweit zu eng gezogen, als es den objektiven Wert des zu veräußernden Grundstücks für unerheblich gehalten und daher nicht festgestellt hat. Dessen Feststellung war aber unabhängig von der Frage, ob Übertragung und Belastung des Grundstücks angeklagt waren (dazu II. 1.), geboten.
Es ist im Wirtschaftsverkehr eine vor allem aus haftungs- und steuerrechtlichen Gründen verbreitete Praxis, ein Unternehmen in eine Betriebsgesellschaft und ein Besitzunternehmen aufzuspalten (vgl. Bentler, Das Gesellschaftsrecht der Betriebsaufspaltung S. 27 f., 32 ff.; Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht 6. Aufl. 1994 Rdn. 4 ff., 23 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl. 1997 S. 328 f.). Dieser Gesichtspunkt hätte näherer Prüfung bedurft, zumal der Angeklagte – wie sich dem Urteil entnehmen läßt – im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Beschuldigtenvernehmung angegeben hatte, es handele sich bei der Herausnahme des Grundstücks um eine solche „Betriebsaufspaltung”.
Zu deren Umsetzung bestehen vielfältige Möglichkeiten. Eine verbreitete, rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandende Praxis besteht darin, ein vorhandenes Grundstück nach Aufspaltung des ursprünglichen Unternehmens an die Betriebsgesellschaft zu vermieten. Es ist daher zunächst von Bedeutung, ob das Grundstücksgeschäft selbst zu einem wirtschaftlichen Nachteil gemäß § 266 StGB geführt hat. Ist dies nicht der Fall, kann die Begründung eines Mietverhältnisses nur zu einem Untreueschaden führen, wenn Miete und Gegenleistung – wofür jeglicher Anhaltspunkt fehlt – nicht in einem äquivalenten Verhältnis stehen oder Teil eines weitergehenden, für einen Beteiligten nachteiligen Geschäfts sind. Im zweiten Fall ist eine umfassende Bewertung des Gesamtgeschäfts geboten.
Danach hätte das Landgericht zunächst das Grundstücksübertragungsgeschäft prüfen müssen. Daß es zu einer Änderung des Grundbuchs nicht gekommen ist und die TLS GmbH & Co KG daher sachenrechtlich ihr „eigenes Grundstück” mietete, war bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht ausschlaggebend. Denn bereits zum 1. Juli 1992 sollten „alle mit dem Grundstück verbundenen Rechte und Pflichten auf die Übernehmerin” übergehen. Der Bemessung des bei Durchführung dieses Geschäfts bestehenden Verkehrswerts des Grundstücks kam daher entscheidende Bedeutung zu. Da sie fehlt, kann nicht abschließend beurteilt werden, ob es durch den Grundstücksübertragungsvertrag allein oder auf einer zweiten Ebene durch die von Dr. Walter K. insgesamt abgeschlossenen Verträge zunächst bei der KG zu einem Vermögensnachteil und infolgedessen bei der Komplementär-GmbH zu einem erhöhten Haftungsrisiko und zu einer Gefährdung des Stammkapitals gekommen ist.
Allerdings enthält das Urteil Hinweise darauf, daß der Wert des Grundstücks über den als Kaufpreis vereinbarten 4,3 Millionen DM lag. So wurde der Bankkredit über 4,5 Millionen DM zur Finanzierung des Kaufs des Betriebsvermögens im Jahr 1990 ausschließlich durch Grundpfandrechte auf dem Betriebsgrundstück gesichert. Eine weitere nachrangige Belastung des Grundstücks blieb – allerdings nur bei Gewährung ergänzender Sicherheiten – immerhin möglich. In den Jahren 1990/1991 planten die Gesellschafter „nach seiner erwarteten planungsrechtlichen Aufwertung” zudem die Bebauung und ertragreiche Verwertung des Grundstücks. Diese Hinweise vermögen die fehlende Feststellung des Verkehrswerts jedoch nicht zu ersetzen. Denn sie lassen eine hinreichend sichere Prüfung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Grundstücksgeschäfts nicht zu, zumal der Angeklagte angegeben hat, der objektive Wert des Grundstücks habe sich von Mitte 1992 bis Mitte 1994 nicht über 3,5 Millionen DM bewegt, und der Buchwert in der zum 31. Dezember 1991 aufgestellten Bilanz nur mit gut 2,9 Millionen DM ausgewiesen wurde.
Danach mangelt es auch an einem unverzichtbaren Kriterium für die wirtschaftliche Bewertung der – nach dem Willen der beteiligten Kommanditisten – eine wirtschaftliche Einheit bildenden Geschäfte insgesamt. Insoweit kommt hinzu, daß auch das nach der vertraglichen Ausgestaltung bei der Pro-Terra GmbH & Co KG liegende Risiko hinsichtlich der Fremdvermietung des Grundstücks, das sich 1993 in einem Rückgang dieser Mieten und 1994 in deren Fortfall realisierte, nicht berücksichtigt wurde.
Da somit ein Vermögensnachteil bei der KG nicht eindeutig feststeht, ist auch eine Gefährdung des Stammkapitals der Komplementär-GmbH nicht belegt (s. auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 25). Endlich ist ebenfalls nicht festgestellt, daß die KG in unmittelbarer Folge des Mietvertrages ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der GmbH nicht mehr nachkam (s. dazu BGH wistra 1989, 264, 266).
bb) Auch die Voraussetzungen eines durch Dr. Walter K. begangenen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) sind – unabhängig von den bedenkenswerten Überlegungen der Revision zum uneigennützigen Handeln (dazu BGH wistra 1989, 264, 267) – nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.
Es wird schon nicht deutlich, welche Form der Krise das Landgericht angenommen hat. Während es einerseits im Urteil heißt, im Juni 1992 habe Zahlungsunfähigkeit gedroht, wird andererseits festgestellt, die Beschlüsse vom 29. Juni 1992 hätten die „bilanzielle und tatsächliche Überschuldung der TLS GmbH & Co KG” bewirkt. Dies läßt besorgen, daß das Landgericht zwischen den eigenständigen Tatbeständen der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung (BGH, Beschl. vom 17. Februar 1995 - 2 StR 729/94) nicht hinreichend unterschieden hat. Dies kann jedoch dahinstehen, da keine der beiden Krisenarten in der gebotenen Weise festgestellt ist.
Zur Ermittlung einer Überschuldung der KG hätte es der Aufstellung eines Überschuldungsstatutsbedurft (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Überschuldung 1). Ein solcher wird nicht mitgeteilt. Soweit das Landgericht Erwägungen zur Überschuldung anstellt, basieren diese lediglich auf der insoweit nicht aussagekräftigen Jahresbilanz (vgl. BGHSt 15, 306, 309).
Zahlungsunfähigkeit ist das nach außen in Erscheinung tretende, auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen des Unternehmens, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im wesentlichen zu befriedigen. Sie ist in der Regel durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel festzustellen (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 1 und 2; BGH, Beschl. vom 17. Februar 1995 - 2 StR 729/94; s. auch Fuhrmann/Schaal aaO § 84 Rdn. 19). Eine solche Gegenüberstellung enthält das Urteil ebenfalls nicht.
Zwar können neben dieser betriebswirtschaftlichen Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit auch Beweisanzeichen wie Häufigkeit der Wechsel- und Scheckproteste, fruchtlose Pfändungen, Ableistung der Eidesstattlichen Versicherung einen sicheren Schluß auf den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erlauben (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 1 und 2). Aber auch in dieser Hinsicht enthält das Urteil keine hinreichenden Angaben. Insbesondere reicht es nicht aus, daß das Landgericht darlegt, im Juni 1992 habe eine „sehr angespannte Liquiditätslage” die Begleichung zweier Forderungen nicht einmal „in nennenswerten Teilbeträgen” zugelassen. Denn die erforderlichen Mittel wären „unter Einsatz des Grundstücks oder aber bei Einzahlung der Kommanditanteile durch die Kommanditisten” zu beschaffen gewesen. Auch die schlichte Feststellung, die Bezahlung der Forderung der Kreditbank in Höhe von ca. 125.000 DM vierteljährlich habe „Probleme” bereitet, trägt die Annahme von Zahlungsunfähigkeit nicht.
2. Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte im Rahmen seiner Vernehmung als nichtvereidigter Zeuge in einer Hauptverhandlung vor dem Landgericht München I in fünf Punkten bewußt falsche Angaben gemacht. Die Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Dagegen hält die vom Landgericht wegen dieser Tat vorgenommene Strafzumessung rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafzumessung ist allerdings grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist aber etwa dann möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind (BGHSt 34, 345, 349). Das ist hier der Fall.
aa) Ein derartiger Fehler liegt jedoch – entgegen der insoweit vom Generalbundesanwalt geteilten Ansicht der Revision – nicht schon darin, daß das Landgericht bei der Bestimmung des Strafrahmens § 157 Abs. 1 StGB nicht erwogen hat. Liegen dessen Voraussetzungen vor, so muß er allerdings grundsätzlich im Urteil erörtert werden. Seiner Anwendung steht im Hinblick auf § 56 StPO insbesondere nicht entgegen, daß der Angeklagte trotz Belehrung gemäß § 55 StPO ausgesagt hat (vgl. RGSt 59, 61, 62; BGHSt 1, 22, 28; BGHR StGB § 157 Abs. 1 Selbstbegünstigung 1; BGH bei Dallinger MDR 1977, 460; StV 1995, 250).
Die Voraussetzungen des § 157 Abs. 1 StGB waren aber nach der zutreffenden, durch die Feststellungen gedeckten Einschätzung des Landgerichts nicht für alle fünf Falschangaben erfüllt. Vielmehr bestand nur bei drei Punkten die Gefahr einer Strafverfolgung. Enthält aber eine Aussage mehrere Unrichtigkeiten, bei denen die Voraussetzungen des § 157 Abs. 1 StGB nur teilweise erfüllt sind, so ist dieser nur bei Bestehen eines inneren Zusammenhangs zwischen den verschiedenen falschen Angaben auf die Aussage insgesamt anwendbar. Anderenfalls ist eine Strafmilderung nur nach allgemeinen Regeln möglich. Dem Angeklagten käme sonst zugute, daß er über eine „allgemeine” Falschaussage hinaus mit Blick auf eine drohende Strafverfolgung weitere falsche Angaben gemacht hat (vgl. RGSt 60, 56, 57 f.; 61, 310, 311 f.; Lenckner aaO § 157 Rdn. 5; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. 1999 § 157 Rdn. 6; offen gelassen von BGH bei Dallinger MDR 1952, 658).
Vorliegend bestand kein derart innerer Zusammenhang im Sinne einer einheitlichen, nicht trennbaren Aussage. Die drei Angaben, bei denen für den Angeklagten die Gefahr der Strafverfolgung gegeben war, hatten die Verluste der TLS GmbH & Co KG im Jahr 1993, die eventuelle Beteiligung eines Geschäftspartners namens H. an der KG sowie die Zahlung eines Geldbetrages, der aus einem unabhängig von der KG durchgeführten Grundstücksgeschäft stammte, an H. im Sommer 1990 zum Gegenstand. Die beiden anderen Falschaussagen betrafen zwar auch dieses Grundstücksgeschäft und die TLS GmbH & Co KG. Es ging dabei aber einerseits um eine von der Zahlung an H. unabhängige Zahlung an einen anderen Geschäftspartner sowie andererseits um die Frage der Durchführung einer Gesellschafterversammlung der TLS GmbH & Co KG im November 1990.
bb) Die danach an sich mögliche Strafmilderung nach allgemeinen Grundsätzen hat das Landgericht nicht vorgenommen. Dies ist für sich betrachtet nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat jedoch umgekehrt zum Nachteil des Angeklagten gewertet, „dreimal ohne Not die Unwahrheit gesagt” zu haben, nämlich in den Fällen, in denen eine Zeugnisverweigerung gemäß § 55 StPO möglich gewesen wäre. Dies ist deshalb rechtsfehlerhaft, weil es in Widerspruch zur Entscheidung des Gesetzgebers steht, der mit § 157 Abs. 1 StGB einen vertypten Milderungsgrund gerade auch für die Konstellation geschaffen hat, die dem Angeklagten strafschärfend vorgehalten wird.
cc) Auf diesem Rechtsfehler kann entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts das Urteil auch beruhen. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Strafe bei einwandfreier Strafzumessung niedriger ausgefallen wäre. Denn neben dem fehlerhaften Strafschärfungsgrund zieht das Landgericht bezüglich § 153 StGB nur noch heran, daß der Angeklagte „in fünf Punkten die Unwahrheit sagte”.
dd) Danach war die Aufhebung des Ausspruchs über die wegen der falschen uneidlichen Aussage verhängten Einzelstrafe erforderlich. Da die zugrundeliegenden Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen wurden, können sie bestehen bleiben. Ihre widerspruchsfreie Ergänzung in der neuen Hauptverhandlung ist zulässig.
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer darauf beschränkten Revision, daß das Landgericht bei der Verurteilung des Angeklagten (nur) wegen Beihilfe zum Bankrott und zur Untreue den ihm unterbreiteten Verfahrensstoff nicht ausgeschöpft hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat sich zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt, „relevante Veränderungen hinsichtlich des Betriebsgrundstückes im Sinne einer Übertragung oder Belastung” seien nicht angeklagt.
a) In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I vom 31. Mai 1994 werden im konkreten Anklagesatz unter III. insbesondere der Abschluß des Grundstücksübertragungsvertrages vom 1. Oktober 1992 durch Dr. Walter K. sowie Bewilligung und Auszahlung eines Kredits in Höhe von 3 Millionen DM im Februar 1993 an die Pro-Terra GmbH & Co KG geschildert. Aus einem dem gesamten konkreten Anklagesatz vorangestellten Satz ergibt sich, daß auch dieser Sachverhalt „dem Angeschuldigten” zur Last gelegt wird.
b) Danach kann kein Zweifel bestehen, daß die bezeichneten Vorgänge im Zusammenhang mit dem Betriebsgrundstück von der Anklage mitumfaßt waren. Denn mit der Aufnahme eines tatsächlichen Geschehens in den Anklagesatz bringt die Staatsanwaltschaft grundsätzlich ihren Willen zum Ausdruck, dieses Geschehen zu verfolgen. Die gesamten im Anklagesatz beschriebenen geschichtlichen Vorgänge bilden daher den Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung. Etwas anderes gälte nur, wenn den Akten, dem Anklagesatz oder den Ausführungen zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zu entnehmen wäre, daß die Staatsanwaltschaft ein bestimmtes, als selbständige prozessuale Tat (§ 264 StPO) zu wertendes Geschehen nicht der Kognition des Gerichts unterwerfen wollte (BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 17). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
2. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt infolge der Überprüfung des Urteils auch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) aus den zu dessen Revision dargelegten Gründen ebenfalls zur Aufhebung der Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott und zur Untreue sowie zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
III. Die Sache bedarf somit im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wiederum zu der Ansicht gelangen, der Angeklagte habe sich durch sein Abstimmungsverhalten im Rahmen der Gesellschafterversammlungen am 29. Juni 1992 gemäß den §§ 266, 283 StGB strafbar gemacht, so wird sie für ihn auch eine täterschaftliche Tatbeteiligung zu prüfen haben. Unabhängig von der ggf. angenommenen Beteiligungsform wird eine besonders sorgfältige Prüfung der subjektiven Tatseite erforderlich sein (vgl. BGHSt 34, 379, 390).
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten gewertet, daß dieser seiner Vorbildfunktion als Mitglied des bayerischen Landtags und als Rechtsanwalt nicht entsprochen habe. Die dagegen von der Revision des Angeklagten erhobenen Bedenken teilt der Senat. Aus der beruflichen Stellung eines Angeklagten kann nur dann ein Strafschärfungsgrund hergeleitet werden, wenn sich aus ihr besondere Pflichten ergeben, deren Verletzung gerade im Hinblick auf die abzuurteilende Tat Bedeutung hat (BGH, Beschl. vom 9. April 1997 - 1 StR 134/97; s. auch BGH NStZ 1981, 258; 1998, 175; BGH, Beschl. vom 16. Februar 1993 - 5 StR 3/93). Diese Voraussetzung ist nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt.
Soweit das Landgericht umgekehrt zugunsten des Angeklagten die aus seiner Prominenz resultierenden Belastungen durch ein großes Medieninteresse und ein „Spießrutenlaufen zwischen wartenden Fotografen und Kameraleuten” berücksichtigt hat, ist dies ebenfalls bedenklich. Wer sich – beispielsweise in Politik, Kunst oder Sport – an exponierter Stelle in der Öffentlichkeit betätigt, muß mit einem besonderen Interesse an seiner Person auch für den Fall der Durchführung eines Strafverfahrens rechnen.
Unterschriften
Schäfer, Maul, Brüning, Wahl, Boetticher
Fundstellen
Haufe-Index 540169 |
NJW 2000, 154 |
NStZ 2000, 37 |
NZG 2000, 307 |
wistra 2000, 18 |
StV 2000, 487 |