Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung bei Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Nichtunternehmern
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begeht, wer in Steuerverkürzungsabsicht Vorsteuer aus Rechnungen geltend macht, die von Personen gestellt werden, die nicht Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG sind.
2. Keine Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sind Personen, die von ihnen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht gegenüber dem Finanzamt anmelden sollen, und die lediglich zu diesem Zweck in der Lieferkette vorgeschaltet wurden.
Normenkette
AO § 370 Abs. 1 Nr. 1; UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 29.04.2002; Aktenzeichen 5 KLs 5 Js 10641/97) |
Tenor
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 29. April 2002 wird hinsichtlich des Angeklagten S. mit der Maßgabe verworfen, daß dieser wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen verurteilt ist.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird – unter Ver-werfung ihrer Revision im übrigen – das vorgenannte Urteil bezüglich des Angeklagten H. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte wegen Untreue in 41 Fällen verurteilt wurde;
- im Gesamtstrafausspruch.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Verfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten H. wegen Untreue in 41 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 17 Fällen, davon in elf Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen hat das Landgericht bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen das Urteil zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben im wesentlichen erfolglos. Im übrigen hat das Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten H. in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte S., der zunächst als freier Mitarbeiter der U. H. GmbH (im folgenden: U. ) mit dem Einkauf von elektronischen Bauteilen (hier: Central Processing Units – CPUs) betraut war, ab August 1996 in diesem Unternehmen die Stellung eines Geschäftsführers inne. Auf Rechnung der U. kaufte der Angeklagte S. von dem anderweit verfolgten Zeugen He über dessen Unternehmen C. und Co solche CPUs in großem Ausmaß. Die U. finanzierte dem Zeugen He die Bestellungen vor, die dieser als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei aus dem EU-Ausland einführte. Dem Angeklagten S. war dabei bewußt, daß He die CPUs an U. zwar mit Umsatzsteuerausweis verkaufte, seinerseits aber keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgab. Dies geschah in Absprache mit dem Angeklagten S, der die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer für die U. als Vorsteuer geltend machte. Ihm kam es darauf an, die Ware durch diese Vorgehensweise um den Umsatzsteueranteil zu verbilligen. Den Vermögensvorteil, der durch die nicht angemeldete und nicht abgeführte Umsatzsteuer entstand, teilten sich He., der hiervon 70 % erhielt, und der Angeklagte S.. Hierdurch erzielte der Angeklagte S. insgesamt einen – von den Beteiligten sogenannten – „Umsatzsteuergewinn” in Höhe von ca. 1 Million DM. Der Angeklagte S. veräußerte die CPUs überwiegend an die vom Angeklagten H. geführte H. P. C. und V. GmbH (HP ), deren Gesellschafter der Angeklagte H. und dessen Ehefrau waren. Der HP gegenüber stellte der Angeklagte S. Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis. Die HP machte die ausgewiesene und von ihr bezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Der Angeklagte H. verkaufte über sein Unternehmen die CPUs dann an verschiedene Abnehmer, unter anderem auch an die niederländische Ha . Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, daß der Angeklagte H. Kenntnis davon hatte, daß der Angeklagte S. die CPUs vom He bezog und dieser keine entsprechenden Umsatzsteueranmeldungen abgegeben hatte.
Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des He verurteilt, weil dieser in den Monaten Juli bis Dezember 1996 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und dadurch ca. 15 Millionen DM Steuern verkürzt hatte. Eine eigene Täterschaft bei der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen der U. durch den Angeklagten S. scheide aus, weil dieser berechtigt die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer in Abzug gebracht habe. Unabhängig davon, ob He für die C.S. die ausgewiesene Umsatzsteuer angemeldet habe, habe er als Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne der U. die Ware verschafft.
Der Angeklagte H. hatte nach den Feststellungen des Landgerichts in 39 Fällen Zahlungen an die Einkäufer Ho (M in Dreieich) und N. (J in Raunheim) geleistet, die aus einem vorher zu Lasten ihres Arbeitgebers getätigten Preisaufschlag gezahlt wurden. Um selbst aus dem Vermögen der GmbH seinen Anteil entnehmen zu können, erstellte der Angeklagte H. entsprechende Provisionsabrechnungen, die teilweise über die Summe der Preisaufschläge hinausgingen. Insgesamt fertigte er in 39 Fällen Provisionsabrechnungen in Höhe von ca. 275.000 DM. Weiterhin ließ sich der Angeklagte vom Zeugen B. zwei Scheinrechnungen – unter Ausweis der Umsatzsteuer – in Höhe von brutto 138.000 DM und 172.500 DM über Beratungs- und Vermittlungsleistungen ausstellen, die B. tatsächlich nicht erbracht hatte. Der Zeuge B. erhielt hierfür eine Provision in Höhe von 10 % der Rechnungssumme. Diese Gelder entnahm der Angeklagte H. dem Gesellschaftsvermögen. Diese vorgenannten Entnahmen aus dem Vermögen der HP GmbH hat das Landgericht als jeweils tatmehrheitlich begangene Untreuehandlungen zu Lasten der HP GmbH gewertet.
Die Belege über die vorgenannten Entnahmen, die sämtlich mit einem Umsatzsteuerausweis versehen waren, verwandte der Angeklagte H., indem er hieraus Vorsteuern geltend machte. Dadurch verkürzte er seine Umsatzsteuerlast. Weiterhin legte er in elf Fällen seinen Umsatzsteueranmeldungen Quittungen bei, in denen er in der Absicht, Umsatzsteuer zu verkürzen, die ausgewiesenen Beträge durch Manipulation am Beleg erhöht hatte. Insoweit hat ihn das Landgericht wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in elf Fällen verurteilt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben, soweit sie zu Ungunsten der Angeklagten eingelegt wurden, im wesentlichen ohne Erfolg.
Die drei von der Staatsanwaltschaft erhobenen Aufklärungsrügen sind jedenfalls schon deshalb unzulässig, weil sich ihnen jeweils keine bestimmte Beweisbehauptung entnehmen läßt. Insoweit beschränken sich die Rügen darauf, lediglich allgemeine Ermittlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
1. Hinsichtlich des Angeklagten S. führt die Revision der Staatsanwaltschaft zu einer Änderung des Schuldspruchs.
a) Ohne Rechtsfehler geht das Landgericht allerdings davon aus, daß hinsichtlich der von dem Zeugen H. begangenen Umsatzsteuerhinterziehungen keine Mittäterschaft des Mitangeklagten S. vorliegt. Zwar ist eine Mittäterschaft bei Steuerhinterziehungen Dritter nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich möglich, weil Täter auch derjenige sein kann, den selbst keine steuerlichen Pflichten treffen (BGHSt 38, 37, 41; BGH NStZ 1986, 463). Etwas anderes gilt aber für den echten Unterlassenstatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Danach macht sich strafbar, wer die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis läßt, insbesondere indem er es unterläßt, eine Steuererklärung abzugeben, und dadurch Steuern verkürzt. Täter kann deshalb nur derjenige sein, den die konkrete Pflicht zur Abgabe der Steueranmeldung trifft (vgl. auch Gribbohm/Utech NStZ 1990, 209, 211). Hinsichtlich der Firmen, für die der Zeuge H. handelte, traf ausschließlich ihn die steuerrechtliche Pflicht zur Abgabe entsprechender Umsatzsteueranmeldungen.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte S. habe die der U. in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer in Abzug bringen dürfen.
aa) Eine – hier allein in Betracht kommende – Vorsteuererstattung nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, daß in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG eine Steuer gesondert ausgewiesen ist für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmen für das Unternehmen des Vorsteuerberechtigten ausgeführt wurden. Demnach müßte zwischen dem Lieferanten und dem Empfänger ein Leistungsaustausch stattgefunden haben, mithin der Verurteilte H. als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG geliefert haben. Zwar ist Unternehmer grundsätzlich derjenige, der nach außen als Leistender aufgetreten und aus dem Rechtsverhältnis berechtigt und verpflichtet ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein vorgeschobenes Strohmanngeschäft vorliegt und die Parteien davon ausgehen, daß die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen eintreten sollen (BFHE 198, 208, 213; vgl. auch Klenk in Sölch/Ringleb, UStG 48. Lfg. § 2 Rdn. 225 f.). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Strohmann und der Dritte kollusiv handeln. In solchen Kollusionsfällen bedient sich eine Seite des Strohmanns für die Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen. Liegt eine solche Fallgestaltung vor, ist dieser Strohmann nur noch als Hilfsperson dem Lager desjenigen zuzuordnen, in dessen Interesse er handelt (vgl. Heidner in Bunjes/Geist, UStG 7. Aufl. § 2 Rdn. 13 m. w. N.). Entscheidend ist deshalb immer, ob nach dem Gesamtbild der Umstände noch ein Verhalten „wie ein Händler” angenommen werden kann (vgl. BFH BStBl II 1985, 173, 176; 1987, 752; Heidner aaO Rdn. 7; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG 8. Aufl. § 2 Rdn. 303).
bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt dem Zeugen He eine entsprechende eigene Unternehmerstellung; denn er war in die Lieferkette nicht wie ein typischer Händler einbezogen. Auch wenn die Bestellungen formell über ihn abgewickelt wurden, bestand seine wesentliche Aufgabe darin, durch Hinterziehung der Umsatzsteuer einen Gewinn zu ermöglichen. Er hatte weder ein Kapitalrisiko zu tragen, weil ihm die Waren durch die U. vorfinanziert wurden, noch bestand ein wesentliches Abnahmerisiko, weil er nur auf Bestellung des Angeklagten S. handelte. Aus dessen Sicht war He lediglich ein nach seinen Vorgaben funktionierendes Zwischenglied, dessen alleinige Aufgabe es war, einen „Umsatzsteuergewinn” zu erwirtschaften. Dieses ist aber gerade kein handelstypisches Verhalten.
War He somit als unselbständiger Strohmann dem Lager des Angeklagten S. zuzurechnen, fehlte ihm die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Lieferungen, die durch He an die U. erfolgten, unterlagen damit nicht dem Vorsteuerabzug. Da der Angeklagte S. die CPUs über seinen Strohmann He für die U. als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 lit. b i. V. m. § 6a Abs. 1 UStG) erhielt, war zu Lasten der U. keine Umsatzsteuer entstanden, die Gegenstand einer Vorsteuererstattung hätte sein können.
cc) In der Geltendmachung der Vorsteuer in den Umsatzsteueranmeldungen liegt damit eine täterschaftliche Handlung der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Daß der Angeklagte, dem es um den „umsatzsteuerlichen Gewinn” ging, dabei auch vorsätzlich gehandelt hat, bedarf keiner näheren Erläuterung. Eine Beihilfehandlung zur Steuerhinterziehung des He kommt daneben nicht mehr in Betracht, weil dessen Handlung eine ihm steuerlich zuzurechnende Vorbereitungshandlung für seine eigene Steuerhinterziehung darstellte. Die steuerliche Verkürzung realisierte sich allein durch den unberechtigten Vorsteuerabzug der U., den der Angeklagte S. bewirkt hat. Ein weiterreichender selbständiger Steuerschaden ist durch das Verhalten des He nicht entstanden.
dd) Den Schuldspruch kann der Senat hier selbst umstellen. Der Angeklagte S. war wegen täterschaftlicher Steuerhinterziehung angeklagt. Die Frage der Unternehmerstellung im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG war – wie die Urteilsgründe belegen – ein zentraler Punkt der Erörterungen im landgerichtlichen Verfahren. Vor diesem Hintergrund ist es auszuschließen, daß sich der Angeklagte im Falle einer neuerlichen Zurückverweisung anders hätte verteidigen können als bislang geschehen.
c) Die Änderung des Schuldspruchs führt beim Angeklagten S. gleichwohl nicht zu einer Aufhebung des Strafausspruches. Der Senat kann ausschließen, daß im Hinblick auf die in den Urteilsgründen aufgeführten Milderungsgründe und insbesondere aufgrund der dargestellten Verfahrensverzögerung eine andere Strafe in Betracht kommt.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten H. beanstandet die unterbliebene Verurteilung wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Abnahme der CPUs. Sie bleibt ohne Erfolg.
a) Die Auffassung der Beschwerdeführerin, im Verhältnis zwischen der (vom Angeklagten S. repräsentierten) U. und der vom Angeklagten H. geleiteten HP GmbH läge kein Liefervorgang im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor, trifft nicht zu. An einer Unternehmerstellung im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG bestehen in diesem Fall keine Zweifel. Sie handelten die Preise aus und verhielten sich wie Kaufleute. Insoweit waren sie beide Teil eines selbständigen Leistungsaustausches. Allein der Umstand, daß der dem Angeklagten S. vorgeschaltete He kein Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne war, hat keinen Einfluß auf das Verhältnis zwischen U. und HP., weil jede Leistungsbeziehung selbständig zu betrachten ist.
Die Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG mag allerdings dann fehlen, wenn bloße Scheingeschäfte abgewickelt werden, die letztlich nur auf einen „Umsatzsteuergewinn” ausgerichtet sind. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht jedoch nur eine Kreislieferung in zwei Fällen festgestellt, wobei offen geblieben ist, ob der Kreis sich bis zum Angeklagten H. und dessen HP geschlossen und er hiervon überhaupt Kenntnis erlangt hat.
b) Ohne Rechtsverstoß kommt das Landgericht nach einer eingehenden und sorgfältigen Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, daß der Angeklagte H. nicht in ein Gesamtsystem eingebunden war, das auf die Verkürzung der Umsatzsteuer ausgerichtet war, oder daß der Angeklagte H. beim Ankauf der CPUs hiervon zumindest Kenntnis erlangt hatte.
aa) Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte. Das Revisionsgericht kann eine solche Entscheidung im übrigen nur auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit gestellt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHR StPO § 261 Be-weiswürdigung 16; BGH NStZ-RR 2000, 171 f.).
bb) Diesen Anforderungen hält das landgerichtliche Urteil stand.
(1) Die von der Beschwerdeführerin aufgeführten Indiztatsachen hat das Landgericht gesehen und gewürdigt. Soweit die Staatsanwaltschaft sich bei ihrer abweichenden Beurteilung auf zwei nachgewiesene Warenkreisläufe stützt, kommt diesem Umstand kein Beweiswert zu, weil das Landgericht nicht feststellen konnte, daß gerade der Angeklagte H. in diesen Kreislauf einbezogen war. Vielmehr schließt das Landgericht auf der Grundlage der Aussage des Zeugen W. eine Lieferung der markierten Kisten an H. aus. Weshalb ein Telefongespräch des Angeklagten S. mit dem He. , das der Angeklagte H. mithören konnte, Anhaltspunkte für dessen Kenntnis von Umsatzsteuerhinterziehungen im Vorfeld der Handelskette geben könnte, ist nicht zu erkennen.
(2) Dem Zusammenhang der Urteilsgründe läßt sich auch mit hinreichender Sicherheit entnehmen, daß der Tatrichter die gebotene Gesamtwürdigung (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11, 24 jeweils m. w. N.) vorgenommen hat. Er stellt nämlich die den Angeklagten H. entlastenden Gesichtspunkte (ordnungsgemäße und unauffällige Abwicklung der Geschäfte, die entlastende Aussage des Mitangeklagten S. sowie mittelbar auch des Zeugen He., der nichts von einer kollusiven Einbindung des Angeklagten H. wußte) den jeweils belastenden Umständen (Nichtregistrierung der eine Identifizierung ermöglichenden Lotnummern der CPUs, günstige Preise, schneller Warenumschlag) gegenüber. Unter Würdigung der jeweils für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte ist das Landgericht dann zu der Wertung gelangt, daß die Einlassung des Angeklagten nicht widerlegbar ist. Bei diesem Gang der Prüfung ist auszuschließen, daß der Tatrichter die belastenden Indizien nicht auch in ihrer Gesamtheit gesehen und gewürdigt hat.
(3) Keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die vom Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung benutzte und von der Beschwerdeführerin beanstandete Wendung, es halte „die Einlassung des Angeklagten für nicht widerlegbar”. Zwar dürfen nicht alle denkbaren Gesichtspunkte und vagen Möglichkeiten, zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden (BGH NJW 2002, 2188, 2189; NStZ-RR 2002, 243; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 18, 22). Dies hat das Landgericht indes ersichtlich auch nicht getan. Vielmehr würdigt es die Umstände, die für und gegen die Einlassung des Angeklagten H. sprechen, wonach er keine Kenntnis von den Umsatzsteuermanipulationen erlangt haben will. Mit der Schlußfolgerung, die Einlassung des Angeklagten sei nicht widerlegbar, wird lediglich zum Ausdruck gebracht, das Landgericht habe sich keine sichere Überzeugung davon bilden können, daß der Angeklagte – entgegen seinen Beteuerungen – doch von den umsatzsteuerlichen Manipulationen seines Lieferanten Kenntnis hatte.
3. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die gemäß § 301 StPO hier zugunsten des Angeklagten H. wirkt, führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte H. wegen Untreue verurteilt worden ist.
a) Die Staatsanwaltschaft hat im Hinblick auf den Angeklagten H. die umfassende Aufhebung des landgerichtlichen Urteils beantragt. In ihrer Begründung wendet sich die Revision allerdings allein gegen die unterbliebene Verurteilung wegen Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Erwerb der CPUs über die U.. Ob in der Begründung eine teilweise Beschränkung des Rechtsmittels zu sehen ist, bedarf keiner Entscheidung. Eine Beschränkung wäre unwirksam, wenn es sich – unabhängig davon, ob Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) vorliegt – um eine einheitliche Tat im Sinne des § 264 StPO handeln würde. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, sind diese Voraussetzungen hier erfüllt. Der aufgrund der Anklage zur Aburteilung gestellte Lebenssachverhalt enthält alle damit zusammenhängenden und darauf bezogenen Vorkommnisse, auch wenn diese in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind (BGHSt 29, 288, 292 f.; NStZ 2001, 440). Maßgeblich ist dabei, daß zwischen den eine prozessuale Tat bildenden geschichtlichen Vorgängen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Diese Voraussetzung ist hier schon deshalb gegeben, weil die als Untreuehandlung ausgeurteilten Handlungen zugleich den Gegenstand der Umsatzsteuerhinterziehung bildeten; denn die zu Unrecht als Provisionen oder Beraterhonorare bezeichneten Betriebsausgaben enthielten jeweils auch einen sachlich nicht gerechtfertigten Umsatzsteuerausweis, den der Angeklagte bei seinen monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in Verkürzungsabsicht als Vorsteuerabzug geltend machte. Da wiederum die von der Staatsanwaltschaft angestrebte Verurteilung wegen der Umsatzsteuerhinterziehungen im Zusammenhang mit dem Ankauf der CPUs lediglich den Schuldumfang der bereits ausgeurteilten falschen Umsatzsteueranmeldungen erhöhen würde, liegt zwischen sämtlichen Handlungen ein derart untrennbarer Zusammenhang vor, daß sie aufgrund ihrer Verzahnung insgesamt eine einheitliche prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO bilden.
b) Die Verurteilungen wegen Untreue zum Nachteil der HP GmbH gemäß § 266 StGB haben keinen Bestand. Gesellschafter und Geschäftsführer der HP GmbH waren der Angeklagte und seine Ehefrau. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den Alleingesellschafter anerkannt, daß dieser ohne weiteres Vermögenswerte aus der GmbH ziehen kann. Eine Grenze besteht insoweit, als das Stammkapital nicht beeinträchtigt und insbesondere keine Existenzgefährdung der Gesellschaft hierdurch herbeigeführt werden darf (BGHSt 9, 203, 216; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 23, 37, 45). Dies gilt im übrigen auch dann, wenn bei einer mehrgliedrigen Kapitalgesellschaft sämtliche Gesellschafter einvernehmlich handeln, selbst wenn die Entnahmen zum Zwecke der Steuerhinterziehung verschleiert werden (BGHSt 35, 333, 336 f.; BGH NJW 2000, 154, 155 m. Anm. Gehrlein S. 1089 f.).
c) Der neue Tatrichter wird demnach zu prüfen haben, ob die Ehefrau des Angeklagten H. als dessen Mitgesellschafterin die Entnahmen gebilligt hat. Selbst wenn sich ein solches Einverständnis nicht feststellen lassen sollte, hätte das Fehlen ihrer Zustimmung allenfalls dann Bedeutung, wenn die Ehefrau des Angeklagten H. als verbliebene und alleingeschädigte Gesellschafterin gemäß § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 247 StGB fristgerecht einen Strafantrag gestellt hätte. Unabhängig davon wird der neue Tatrichter feststellen müssen, ob durch die Entnahmehandlungen des Angeklagten H. das Stammkapital der HP GmbH angegriffen oder deren Existenz gefährdet worden ist. In diesem Falle käme es auf ein Einverständnis seiner Mitgesellschafter nicht mehr an (BGH NJW aaO).
Soweit eine Beihilfe zur Untreue der Zeugen N. und Ho zu Lasten ihrer Arbeitgeber in Betracht kommt, bezöge sich ein solcher Tatvorwurf nicht auf die angeklagte Tat. Bei einer Beihilfe zu einer Untreue der Zeugen N. und Ho ist Tathandlung die Vereinbarung eines Preisaufschlages, bei einer Untreue zu Lasten der HP. GmbH ist die Entnahme der Gelder Tathandlung. Beide Vorgänge stehen aber nicht in einem so untrennbaren Zusammenhang, daß sie jeweils als dieselbe prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO angesehen werden müßten.
d) Die Aufhebung der Schuldsprüche wegen Untreue führt zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruches mit den zugehörigen Feststellungen. Obwohl auch die Einsatzstrafe in Wegfall gelangt, kann der Senat ausschließen, daß die übrigen Einzelstrafen von dem Rechtsfehler beeinflußt sind. Die insoweit zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen bleiben gleichfalls bestehen.
III.
Trotz der Teilaufhebung nach § 301 StPO sind die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft im Sinne des Kostenrechts erfolglos (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Unterschriften
Harms, Häger, Raum, Brause, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 971233 |
BFH/NV Beilage 2004, 163 |
HFR 2003, 1213 |
UR 2003, 535 |
NJW 2003, 2924 |
Inf 2003, 691 |
EBE/BGH 2003, 246 |
NStZ 2004, 578 |
Nachschlagewerk BGH |
wistra 2003, 344 |
PStR 2003, 193 |
StV 2004, 24 |
BFH/NV-Beilage 2004, 163 |