Leitsatz (amtlich)
a) Der amtlich bestellte Abwickler einer Kanzlei kann auch dann mit seiner Vergütungsforderung gegen den Anspruch auf Herausgabe des aus der Abwicklung Erlangten aufrechnen, wenn zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vertretenen eröffnet worden ist.
b) Nach Ablauf seiner Bestellung ist der ehemalige Abwickler zur Herausgabe des bis dahin nicht ausgekehrten Fremdgeldes an den Verwalter verpflichtet. Eine Aufrechnung mit seinem Vergütungsanspruch ist unzulässig.
Normenkette
BRAO § 53 Abs. 9-10, § 55 Abs. 3; InsO § 95 Abs. 1; BGB §§ 271, 667
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock v. 14.6.2004 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger 62 % und der Beklagte 38 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte war v. 1.1.1999 bis zum 31.12.2001 amtlich bestellter Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwalts R. (fortan: Schuldner). Am 14.10.1999 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet; der Kläger wurde zum Treuhänder bestellt. Der Kläger verlangt die Auszahlung eines Betrages von 21.057,78 EUR, der sich am 31.12.1999 auf dem vom Beklagten für die Abwicklung eingerichteten Bankkonto befand. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Kanzlei werde nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst. Hilfsweise hat er mit seinem Vergütungsanspruch aufgerechnet, den er zunächst mit 32.058 EUR beziffert hat.
Das LG hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen, weil die Abwicklung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht beendet war (LG Rostock ZInsO 2002, 290). Während des Berufungsverfahrens hat die Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern die Vergütung des Beklagten auf 17.639,57 EUR festgesetzt. Am 31.12.2001, als die Bestellung des Beklagten auslief, wies das Abwicklungskonto einen Stand von 31.593,08 EUR auf; ein Betrag von 9.592,36 EUR entfiel auf Fremdgeld. Der Kläger hat weiterhin nur Auszahlung des Guthabens am 31.12.1999 verlangt. Das Berufungsgericht hat den Beklagten unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung zur Zahlung von 7.963,49 EUR nebst Zinsen verurteilt (OLG Rostock v. 14.6.2004 - 3 U 37/03, OLGReport Rostock 2004, 343 = ZIP 2004, 1857). Es hat die Revision zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob die Vergütungsforderung des Abwicklers einer Anwaltskanzlei eine Masseverbindlichkeit oder eine einfache Insolvenzforderung darstelle, von grundsätzlicher Bedeutung sei.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Klägers und die Anschlussrevision des Beklagten. Der Kläger verlangt Zahlung des gesamten Guthabens des Abwicklungskontos am 31.12.1999; der Beklagte erstrebt die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision des Beklagten bleiben ohne Erfolg.
I.
Dem Kläger war gegen die Versäumung der Revisions- und der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Berufungsurteil ist dem Kläger am 16.6.2004 zugestellt worden. Am 16.7.2004 hat der Kläger Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren beantragt. Der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ihm am 9.2.2005 zugestellt worden. Noch am 9.2.2005 hat der Kläger durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; am 9.3.2005 ist die Revisionsbegründung eingegangen. Die Wiedereinsetzungsfristen für die Einlegung der Revision (§ 234 Abs. 1 S. 1 ZPO) und deren Begründung (§ 234 Abs. 1 S. 2 ZPO) sind damit gewahrt worden.
II.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anspruch des Klägers auf Herausgabe dessen, was der Beklagte aus der Abwicklung der Kanzlei erlangt habe, folge aus § 667 BGB i.V.m. § 55 Abs. 3 S. 1, § 53 Abs. 9 S. 2 BRAO. Er erstrecke sich insb. auf die Entgelte, die der Beklagte nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingenommen habe, aber auch auf die Fremdgelder i.H.v. 7.963,49 EUR; denn der Beklagte sei nach Ende der Abwicklung nicht mehr berechtigt, über diese Fremdgelder zu verfügen. Nunmehr sei es Aufgabe des Klägers, die Fremdgelder an die Berechtigten - denen ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zustehe - herauszugeben. Der Anspruch sei mit Ende der Abwicklung am 31.12.2001 fällig geworden.
Der Beklagte könne jedoch mit seiner Vergütungsforderung aus § 670 BGB i.V.m. § 55 Abs. 3 S. 1, § 53 Abs. 9 S. 2 BRAO in der festgesetzten Höhe aufrechnen. Die Vergütungsforderung sei eine Masseverbindlichkeit, auch soweit die Tätigkeit des Beklagten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgolten werde. Die durch Fehlen einer den Rang der Abwicklungsvergütung bestimmenden Norm begründete Regelungslücke in der Insolvenzordnung sei durch die entsprechende Anwendung des § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu füllen. Die Bürgenhaftung der Rechtsanwaltskammer gem. § 53 Abs. 10 S. 6 BRAO stehe nicht entgegen. Der Beklagte könne seine gesamte Vergütungsforderung zur Aufrechnung stellen, obwohl der Kläger den Saldo per 31.12.1999 verlange; denn die Vergütung sei insgesamt fällig. Nur ggü. dem Anspruch auf Auskehrung des Fremdgeldes sei die Aufrechnung unzulässig.
III.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Revision des Klägers
Grundlage des Begehrens des Klägers ist § 667 BGB i.V.m. § 55 Abs. 3 S. 1, § 53 Abs. 9 S. 2 BRAO und § 80 InsO. Der Anspruch auf Herausgabe des aus der Abwicklung Erlangten ist gem. § 35 InsO Bestandteil der Insolvenzmasse.
a) Gegenstand der Revision des Klägers ist der vom Berufungsgericht wegen der vom Beklagten erklärten Aufrechnung abgewiesene Anspruch auf Zahlung (BGH v. 1.6.1978 - III ZR 44/77, BGHZ 71, 380 [382]) von (21.057,78 - 7.963,49 =) 13.094,29 EUR. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe keinen richterlichen Hinweis erteilt, welchen Streitgegenstand es annehmen wolle, geht fehl. Das Berufungsgericht hat im Termin zur letzten mündlichen Verhandlung am 24.5.2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Beklagte mittlerweile die Schlussrechnung vorgelegt habe und auf dieser Basis entschieden werden könne. Der Kläger hat seinen Antrag gleichwohl nicht umgestellt. Damit hat er ausdrücklich davon abgesehen, eine über den Betrag von 21.057,78 EUR hinausgehende Forderung - sei es auch hilfsweise - in diesem Rechtsstreit geltend zu machen.
b) Dieser Anspruch ist jedoch gem. §§ 387, 389 BGB durch Aufrechnung mit dem Vergütungsanspruch erloschen. Die Parteien streiten darum, ob der Vergütungsanspruch des Beklagten aus § 55 Abs. 3, § 53 Abs. 10 S. 4 BRAO als Abwickler der Kanzlei des Schuldners eine Masseforderung oder nur eine Insolvenzforderung darstellt. Diese Rechtsfrage wird jedoch nicht entscheidungserheblich; denn die Aufrechnung ist auch dann, wenn man dem Beklagten nur eine Insolvenzforderung zugesteht, gem. § 95 Abs. 1 S. 1 InsO zulässig.
aa) Die Abwicklung ist vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners angeordnet worden. Damit entstanden dem Grunde nach sowohl der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten (BGH v. 1.6.1978 - III ZR 44/77, BGHZ 71, 380 [384 f.]) als auch der Vergütungsanspruch.
bb) Beide Ansprüche sind gleichzeitig mit dem Ende der Abwicklung - also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - fällig geworden.
(1) Die Fälligkeit eines Anspruchs aus § 667 BGB richtet sich nach den getroffenen Vereinbarungen, hilfsweise nach den Umständen des jeweiligen Falles (§ 271 Abs. 1, 2. Fall BGB). Der Anspruch auf Herausgabe dessen, was der Beauftragte zur Ausführung des Auftrags erhalten hat, wird i.d.R. erst dann fällig, wenn der Zweck erreicht oder endgültig verfehlt wurde (BGH, Urt. v. 3.5.2005 - IX ZR 401/00; Soergel/Beuthien, BGB, 12. Aufl., § 667 Rz. 19; Erman/Ehmann, BGB, 11. Aufl., § 667 Rz. 7; Seiler in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 667 Rz. 20). Das aus der Geschäftsführung Erlangte - insb. für den Auftraggeber eingezogenes Geld - kann demgegenüber schon dann herauszugeben sein, wenn der Beauftragte etwas erlangt hat, was herauszugeben ist (Erman/Ehmann, BGB, 11. Aufl., § 667 Rz. 27); auch hier kommt es jedoch auf die Umstände des Einzelfalles an (Soergel/Beuthien, BGB, 12. Aufl., § 667 Rz. 21; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 667 Rz. 8; vgl. auch BGH v. 30.11.1989 - III ZR 112/88, BGHZ 109, 260 [264] = BRAK 1990, 55 = MDR 1990, 315).
(2) Das vom Beklagten während der Dauer der Abwicklung verwaltete Guthaben auf dem Abwicklungskonto war - auch soweit der Beklagte gem. § 55 Abs. 3, § 53 Abs. 9 und 10 BRAO Gebührenforderungen des Schuldners eingezogen hat - nicht nur "aus der Geschäftsbesorgung erlangt" (§ 667 Fall 2 BGB), sondern diente auch der weiteren "Ausführung des Auftrags" (§ 667 Fall 1 BGB). Der nach § 55 BRAO bestellte Abwickler hat das vorhandene Barvermögen in Besitz zu nehmen, um daraus die Kosten für die vorläufige Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs zu bestreiten (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 53 Rz. 36; vgl. auch die Hinweise der Bundesrechtsanwaltskammer für die Tätigkeit des Abwicklers, BRAK 1995, 238 [239]). Gleiches gilt für eingehende Gebühren. Diese können im Rahmen des Erforderlichen ebenfalls für Aufwendungen wie Porto- oder Gerichtskosten (§ 55 Abs. 3, § 53 Abs. 9 S. 2 BRAO, § 670 BGB) und für Vorschüsse auf die spätere Vergütung verwandt werden (BGH v. 24.10.2003 - AnwZ (B) 62/02, BGHZ 156, 362 [369 f.] = BGHReport 2004, 136 m. Anm. Kilian = MDR 2004, 239). I.d.R. wird der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach § 53 Abs. 9 S. 2 BRAO, § 667 BGB also erst mit dem Ende der Abwicklung fällig werden.
(3) Anders könnte möglicherweise zu entscheiden sein, wenn der Abwickler Überschüsse erwirtschaftet, die offensichtlich nicht mehr für die weitere Abwicklung benötigt werden (§ 271 Abs. 1 Fall 2 BGB). Um einen solchen Fall handelte es sich hier jedoch nicht. Nach der jetzt vorliegenden Endabrechnung wies das Abwicklungskonto am 31.12.2001 einen Stand von 31.593,03 EUR auf. Abzgl. der Fremdgelder von insgesamt 9.592,36 EUR und der Abwicklervergütung von 17.639,57 EUR bleibt nur ein Betrag von 4.361,10 EUR, welcher der Masse zugute kommt. Am 31.12.1999 - auf diesen Stichtag möchte der Kläger abstellen - stand keinesfalls fest, ob die Abwicklung einen Überschuss erbringen oder auch nur zur Deckung aller Unkosten ausreichen würde. Entgegen der Ansicht der Revision war es nicht Sache des Beklagten, im Einzelnen darzulegen, in welcher Höhe das am 31.12.1999 vorhandene Guthaben auf dem Abwicklungskonto für die weitere Abwicklung der Kanzlei benötigt werden würde. Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 667 BGB ist der Auftraggeber (BGH, Urt. v. 18.11.1986 - IVa ZR 79/85, WM 1987, 80), der gem. § 666 BGB jederzeit einen Auskunftsanspruch über den Stand der Geschäfte geltend machen kann. Der Auftragnehmer hat lediglich die bestimmungsgemäße Verwendung etwa erhaltener Gelder - die hier nicht im Streit ist - zu beweisen (BGH, Urt. v. 4.10.2001 - III ZR 290/00, BGH-Report 2002, 71; v. 4.11.2002 - II ZR 210/00, BGH-Report 2003, 331; v. 19.2.2004 - III ZR 147/03, MDR 2004, 678 = BGHReport 2004, 906 = WM 2004, 2213).
(4) Der Vergütungsanspruch des Abwicklers wird ebenfalls mit dem Ende der Abwicklung fällig. Zuvor hat der Abwickler nur Anspruch auf Sicherheit (§ 53 Abs. 10 S. 4 BRAO) und Vorschüsse (§ 53 Abs. 10 S. 6 BRAO). Die Festsetzung durch die zuständige Rechtsanwaltskammer ist keine Fälligkeitsvoraussetzung. Sie ist nicht obligatorisch, sondern wird nur dann erforderlich, wenn sich die Beteiligten nicht über die Höhe der Vergütung einigen können (§ 53 Abs. 10 S. 5 BRAO).
c) Folge der Aufrechnung ist das Erlöschen der beiderseitigen Forderungen, soweit sie sich decken (§ 389 BGB). Der Vergütungsanspruch des Beklagten gem. § 55 Abs. 3 S. 1, § 53 Abs. 10 S. 4 BRAO beträgt 17.639,57 EUR. In dieser Höhe hat die zuständige Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern die Vergütung gem. § 55 Abs. 3, § 53 Abs. 10 S. 5 BRAO festgesetzt. Die Festsetzung ist auch im Verhältnis zum Kläger bestandskräftig. Der Einwand des Klägers, er sei am Festsetzungsverfahren nicht beteiligt worden, widerspricht den Feststellungen des angefochtenen Urteils. Das Berufungsgericht hat die Akten der Rechtsanwaltskammer beigezogen. Aus diesen ergab sich, dass der Bescheid über die Festsetzung der Vergütung dem Kläger spätestens am 9.2.2004 zugestellt worden ist und der Kläger innerhalb der Monatsfrist des § 223 Abs. 1 BRAO keinen Antrag auf gerichtliche Überprüfung gestellt hat. Die entsprechenden Ausführungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils hat der Kläger nicht durch einen Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen.
2. Anschlussrevision des Beklagten
a) Die Revision des Beklagten ist als Anschlussrevision zulässig. § 554 Abs. 2 S. 1 ZPO erklärt die Anschlussrevision auch dann für statthaft, wenn "die Revision nicht zugelassen worden ist". In der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist offen geblieben, ob mit Rücksicht auf die Abhängigkeit der Anschlussrevision von der Hauptrevision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand der Hauptrevision und demjenigen der Anschlussrevision bestehen muss (BGH v. 24.6.2003 - KZR 32/02, BGHZ 155, 189 [191 f.] = BGHReport 2003, 1081; Urt. v. 24.5.2005 - IX ZR 276/03). Diese Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil ein entsprechender Zusammenhang besteht. Sowohl die Haupt- als auch die Anschlussrevision betreffen die Frage, ob und in welchem Umfang der nach §§ 55, 53 BRAO bestellte Abwickler einer Rechtsanwaltskanzlei ggü. dem Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts herausgabepflichtig ist. Die Frist des § 554 Abs. 1 S. 2 ZPO ist eingehalten worden.
b) Die Anschlussrevision bleibt jedoch ohne Erfolg. Der Herausgabeanspruch des Klägers aus § 667 BGB i.V.m. § 55 Abs. 3 S. 1, § 53 Abs. 9 S. 2 BRAO und § 80 InsO erstreckt sich auch auf das vom Beklagten eingezogene Fremdgeld.
aa) Entgegen der Ansicht der Anschlussrevision steht das Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) der Auftraggeber des Schuldners diesem Anspruch nicht entgegen. Der Herausgabeanspruch der Mandanten aus § 667 BGB richtet sich gegen den Schuldner, den ehemaligen Rechtsanwalt nämlich, in dessen Interesse, für dessen Rechnung und auf dessen Kosten der Beklagte tätig geworden ist (§ 55 Abs. 3, § 53 Abs. 9 S. 1 BRAO). Während seiner Bestellung zum Abwickler der Kanzlei des Schuldners hätte der Beklagte diese Ansprüche befriedigen können und müssen. An Weisungen des Vertretenen ist der Abwickler nicht gebunden (§ 55 Abs. 3, § 53 Abs. 10 S. 2 BRAO). Nach Ablauf der Bestellung besteht demgegenüber keine Grundlage für ein Handeln des Beklagten namens des Schuldners mehr, wie auch die Gläubiger keine Möglichkeit mehr haben, Zahlungen durch den Beklagten zwangsweise durchzusetzen.
bb) Dass der Kläger während der Dauer der Abwicklung einer Auszahlung von Fremdgeld an die Berechtigten zu Unrecht widersprochen hat, steht seinem Anspruch auf Herausgabe des aus der Abwicklung Erlangten nach Ablauf der Bestellung des Beklagten nicht entgegen. Ggf. haftet er den Berechtigten aus § 60 InsO; der Beklagte - der die Auszahlungen trotz des Widerspruchs des Klägers hätte vornehmen müssen (§ 55 Abs. 3, § 53 Abs. 10 S. 2 BRAO) - kann sich darauf jedoch nicht berufen. Im Übrigen war sein eigenes Verhalten nicht weniger widersprüchlich als dasjenige des Klägers; denn er hat seinerseits die Auszahlung an die Mandanten wegen des angeblichen "Insolvenzbeschlages" des Geldes verweigert.
c) Die hilfsweise erklärte Aufrechnung mit dem restlichen Vergütungsanspruch des Beklagten ist unzulässig. Über die gesetzlich oder vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, wenn das nach dem besonderen Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses als stillschweigend vereinbart angesehen werden muss oder wenn die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar erscheinen lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH dürfen insb. Treuhänder gegen den Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nicht beliebig aufrechnen, es sei denn, die Gegenforderungen haben ihren Grund in dem Treuhandverhältnis oder dem Auftrag und den damit verbundenen Aufwendungen (BGH v. 24.6.1985 - III ZR 219/83, BGHZ 95, 109 [113] = MDR 1986, 30; v. 29.11.1990 - IX ZR 94/90, BGHZ 113, 90 [93 f.] = MDR 1991, 526; Urt. v. 21.1.1999 - I ZR 209/96, MDR 1999, 1372 = WM 1999, 1462 [1463]).
aa) Das Fremdgeld, dessen Auskehrung der Kläger verlangt, beruht auf Einziehungsaufträgen, die der Beklagte in seiner Eigenschaft als Abwickler der Kanzlei des Schuldners von dessen Mandanten erhalten hatte. Es musste an die Mandanten des Schuldners ausgekehrt werden, in deren Auftrag es eingezogen worden war. Diesen gegenüber wäre eine Aufrechnung mit dem Vergütungsanspruch allerdings schon mangels Gegenseitigkeit der beiderseitigen Forderungen unzulässig gewesen; denn der Vergütungsanspruch des Abwicklers richtet sich gegen den Vertretenen, nicht gegen dessen Mandanten (§ 55 Abs. 3, § 53 Abs. 10 S. 4 BRAO).
bb) Auch nach dem Ende der Abwicklungstätigkeit besteht die Zweckbindung des Fremdgeldes fort. Der Anspruch der Mandanten des Schuldners gegen diesen auf Auskehrung der ihnen zustehenden Beträge bleibt unberührt (vgl. für den umgekehrten Fall der Anordnung der Abwicklung OLG Düsseldorf v. 28.1.1997 - 24 U 6/96, OLGReport Düsseldorf 1997, 102 = AnwBl. 1997, 226). Der Beklagte ist lediglich nicht mehr berechtigt, für den Schuldner zu handeln; dieser - und für ihn gem. § 80 InsO der Kläger - muss den Anspruch vielmehr selbst erfüllen. Diese Zweckbindung prägt auch das Rechtsverhältnis der Parteien. Der Beklagte kann sich folglich nicht dadurch, dass er die Ansprüche der Gläubiger pflichtwidrig nicht erfüllt hat, einen Vorteil verschaffen, nämlich die vor dem Ende der Bestellung zum Abwickler nicht bestehende Möglichkeit der Aufrechnung mit seiner Gebührenforderung.
3. Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis: In den Tatsacheninstanzen hat der Kläger die Auffassung vertreten, nicht zur Aussonderung des vom Beklagten eingezogenen Fremdgeldes verpflichtet zu sein, weil der Beklagte dieses Geld nicht auf einem Anderkonto, sondern auf dem von ihm selbst eingerichteten und auf seinen Namen lautenden Abwicklungskonto verwahrt habe (ebenso Bähr, jurisPR-InsR 2/2005v. 12.5.2005, Anm. 4). Diese Ansicht ist unrichtig. Das Fremdgeld wäre nur dann vom Insolvenzbeschlag erfasst worden, wenn es sich auf einem Konto des Schuldners befunden hätte. Rechte an einem Konto des Beklagten standen der Masse hingegen nicht zu. Während der Dauer der Abwicklung gehörte das Fremdgeld unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zur Masse. Daran ändert sich nichts durch die Herausgabe des Fremdgeldes an den Kläger. Die für den Beklagten geltende Zweckbindung der Treuhand ggü. den Mandanten des Schuldners hat der Kläger daher in gleicher Weise zu beachten. Das Geld ist ohne weitere Sachprüfung an die Mandanten auszukehren, denen es seit 1999 rechtswidrig vorenthalten wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1412927 |
BGHR 2005, 1621 |
EBE/BGH 2005, 302 |
JR 2007, 109 |
WM 2005, 1956 |
WuB 2006, 525 |
ZAP 2005, 1302 |
ZIP 2005, 1742 |
AnwBl 2005, 716 |
MDR 2006, 231 |
NJ 2005, 554 |
NZI 2005, 681 |
ZInsO 2005, 929 |
ZVI 2005, 506 |
ZVI 2006, 45 |
BRAK-Mitt. 2005, 282 |
Mitt. 2005, 524 |