Leitsatz (amtlich)
Die Umwandlung eines Kontokorrentkredits in ein Darlehen („bankinterne Umschuldung”) unter Verwendung eines neuen Kontos bedeutet im Zweifel lediglich eine Vertragsänderung, mit der Folge, daß eine zur Absicherung des Rückzahlungsanspruchs aus dem Kontokorrentkreditvertrag eingegangene Bürgschaft bestehenbleibt.
Normenkette
BGB § 767
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 24 U 227/96) |
LG Darmstadt (Aktenzeichen 8 O 372/96) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 1998 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Darmstadt – 8. Zivilkammer – vom 2. Oktober 1996 teilweise geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, 10.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 28. November 1995 an die Klägerin zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen, soweit es um einen Anspruch der Klägerin bis zum Betrag von 100.000 DM geht.
Hinsichtlich der den Betrag von 100.000 DM übersteigenden negativen Feststellungswiderklage wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte war Gesellschafter und in der Zeit vom 10. Dezember 1991 bis zum 31. Mai 1992 Geschäftsführer der I. S. B. O. GmbH (im folgenden: GmbH). Diese nahm am 20. September 1991 bei der klagenden Sparkasse einen Kontokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM auf dem zu diesem Zweck eingerichteten Girokonto mit der Nummer … auf; der Kredit war mit 12,5 % und ein etwaiger Überziehungsbetrag mit 16,5 % zu verzinsen. Bereits am 16. August 1991 hatte der Beklagte formularmäßig die selbstschuldnerische Bürgschaft für „alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen” der Klägerin aus deren Geschäftsverbindung mit der GmbH übernommen. Am 31. Mai 1992 schied der Beklagte als Gesellschafter und Geschäftsführer aus der Gesellschaft aus. Nachdem die Klägerin ihn mit Schreiben vom 7. April 1994 zum Ausgleich des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schuldsaldos von 128.082,91 DM aufgefordert hatte, schloß sie am 13. September 1994 mit der GmbH einen Vertrag, wonach dieser ein Tilgungsdarlehen von 110.000 DM zu einem Zinssatz von 9,75 % gewährt wurde. Das Darlehen wurde auf einem Konto mit der Nummer … gebucht und in Höhe eines Betrages von 109.562 DM zum Ausgleich des Girokontos verwendet. Im Darlehensvertrag vom 13. September 1994 waren als Sicherheiten die bereits für den Kontokorrentkredit erteilten Bürgschaften des Beklagten und der anderen Gesellschafter aufgeführt. Mit Schreiben vom 23. September 1994 informierte die Klägerin den Beklagten „aufgrund der bestehenden selbstschuldnerischen unbeschränkten Bürgschaft” unter Übersendung eines Exemplars des Vertrages vom 13. September 1994 über das „zur Umschuldung der Restverbindlichkeiten” der GmbH gewährte Darlehen und wies darauf hin, daß die Bürgschaft dadurch „keine Veränderung” erfahre.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Zahlung eines Bürgschaftsteilbetrags von 10.000 DM. Der Beklagte hat demgegenüber Feststellung beantragt, daß der Klägerin auch über den eingeklagten Betrag hinaus kein Anspruch aus dem Bürgschaftsvertrag zustehe. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Verurteilung des Beklagten entsprechend dem Klageantrag, zur Abweisung der Feststellungswiderklage, soweit der Gesamtanspruch, dessen sich die Klägerin berühmt, 100.000 DM nicht überschreitet, und zur Zurückverweisung wegen der restlichen Widerklage.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Verpflichtung des Beklagten sei trotz der weiten Fassung des Bürgschaftsformulars auf den am 20. September 1991 eingeräumten Kontokorrentkredit, der Anlaß für die Bürgschaft gewesen sei, beschränkt gewesen. Dieser Kredit und damit auch die Haftung des Beklagten seien durch die im September 1994 durchgeführte Umschuldung erloschen.
1. Die Revision greift das Berufungsurteil bereits im zuletzt genannten Punkt mit Erfolg an. Das Berufungsgericht hat seine Annahme, der verbürgte Kredit bestehe nicht mehr, mit der Erwägung begründet, das Tilgungsdarlehen sei seiner Art nach von dem Kontokorrentkredit verschieden; dies komme darin zum Ausdruck, daß für den „neuen” Kredit eine andere Kontonummer verwendet worden sei. Daraus ergibt sich indessen nicht, daß mit der Ausgleichung des Kontokorrentkreditkontos die Kreditschuld, die Anlaß für die Bürgschaftsübernahme war, getilgt worden ist.
Richtig ist, daß mehrere Kontoeröffnungs- und Kreditverträge in der Regel auch mehrere Schuldverhältnisse begründen (BGH, Urt. v. 25. Januar 1982 - VIII ZR 324/80, ZIP 1982, 424, 425; v. 13. Dezember 1990 - IX ZR 33/90, WM 1991, 495, 496; v. 18. Januar 1996 - IX ZR 69/95, ZIP 1996, 456, 458, insoweit in BGHZ 132, 6 nicht abgedr.). Daraus folgt aber noch nicht ohne weiteres, daß ein Kredit, den dasselbe Bankinstitut zur Ablösung eines früheren Kredits „gewährt” (bankinterne Umschuldung), Gegenstand eines neuen Schuldverhältnisses sein müßte. Die Umwandlung einer schon bestehenden Schuld in ein Darlehen ist nicht notwendigerweise eine Schuldumschaffung; es kann sich auch um eine bloße Vertragsänderung handeln, die das ursprüngliche Schuldverhältnis als solches bestehen läßt. Wenn bei einem Kreditverhältnis nur einzelne Vertragskonditionen wie insbesondere die Rückzahlungsweise geändert werden, gilt für den Schutz desjenigen, der sich für die Kreditschuld verbürgt hat, § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB: Verbesserungen wirken sich zu seinen Gunsten aus; Verschlechterungen berühren seine Rechtsstellung nicht (BGH, Urt. v. 21. Mai 1980 - VIII ZR 201/79, NJW 1980, 2412, 2413). Ob die Parteien eine Novation oder nur eine Abänderung der bisherigen Vertragsmodalitäten gewollt haben, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu beantworten (OLG Hamm WM 1985, 1223 u. 1992, 981 f; Palandt/Putzo, BGB 58. Aufl. § 607 Rdnr. 15 ff). Bei Annahme einer Schuldumschaffung ist wegen der damit verbundenen einschneidenden Folgen Vorsicht geboten; im Zweifel ist nur eine Vertragsänderung gewollt (BGHZ 131, 228, 231 f; BGH, Urt. v. 10. März 1994 - IX ZR 98/93, NJW 1994, 1866, 1867 m.w.N.).
Es kommt demnach darauf an, ob mit dem am 13. September 1994 geschlossenen Darlehensvertrag wirklich ein neues Schuldverhältnis begründet oder ob damit die aus dem Kontokorrentkredit entstandene Schuld lediglich den neuen Verhältnissen – das Kontokorrentkonto wurde offensichtlich nicht mehr benötigt – hinsichtlich Tilgungsweise und Verzinsung angepaßt werden sollte. Die insoweit erforderliche Auslegung hat das Berufungsgericht unterlassen. Da weiterer Tatsachenvortrag nicht zu erwarten ist, kann der Senat diese Auslegung ohne Bindung an die Feststellungen des Berufungsgerichts selbst vornehmen. Sie führt zu dem Ergebnis, daß eine Schuldumschaffung nicht gewollt war, sondern lediglich der Kreditvertrag aus dem Jahre 1991 geändert werden sollte. Dabei ist davon auszugehen, daß Grund für die Neuordnung des Kreditverhältnisses die Beseitigung der Kontokorrentabrede unter Umstellung auf eine gleichmäßige Tilgung und einen ermäßigten Zinssatz war. Wie die Aufnahme der bisherigen Sicherheiten in den Vertrag vom 13. September 1994 zeigt, gingen die damaligen Vertragsparteien übereinstimmend davon aus, daß jene Sicherheiten bestehenblieben. Das zeigt sich auch in dem Schreiben der Klägerin vom 23. September 1994, in dem sie dem Beklagten die „Umschuldung” mitteilte und ihn auf das Fortbestehen der Bürgschaft hinwies. Dies entsprach der Interessenlage der Parteien des Kreditverhältnisses. Die Klägerin hatte keinen Anlaß, durch Beseitigung des ursprünglichen Schuldverhältnisses ihre Sicherheiten aufzugeben; auf der anderen Seite bestand auch kein berechtigtes Interesse der Hauptschuldnerin daran, das zu verlangen. Unter diesen Umständen stellt die Umbuchung auf ein neues Konto lediglich eine Form der banktechnischen Abwicklung dar, die für die Frage, ob es sich um eine Schuldumschaffung oder nur um eine Änderung des bestehenden Vertragsverhältnisses handelte, keine entscheidende Rolle spielt.
Das Berufungsgericht hat sich für seine Annahme, die Eröffnung einer neuen Kontobeziehung im Zuge einer bankinternen Umschuldung sei immer als Begründung eines neuen Schuldverhältnisses anzusehen, auf das Urteil des erkennenden Senats vom 18. Mai 1995 (IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 34) gestützt. Mit den dortigen Ausführungen, die für die Entscheidung nicht tragend waren, sollte jedoch nicht gesagt werden, daß bei einer derartigen Neuordnung des Kreditverhältnisses eine Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zur Feststellung dessen, was die Parteien damit bezweckt haben, entbehrlich wäre (zutr. OLG Köln ZIP 1999, 1046, 1047). Die Verwendung eines anderen Kontos schließt es jedenfalls für sich allein nicht aus, daß die Parteien lediglich eine Änderung des bestehenbleibenden Schuldverhältnisses herbeiführen wollen.
2. Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten ist somit auch nach der Umwandlung des Kontokorrentkredits in ein Tilgungsdarlehen in dem Umfang bestehengeblieben, in dem sie durch den Vertrag vom 16. August 1991 begründet worden ist. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war hiernach die Haftung des Beklagten auf den Kredit, der Anlaß für die Bürgschaftsübernahme war, begrenzt. Ist diese Annahme richtig, dann hat der Beklagte nur bis zu dem für den Kontokorrentkredit vom 20. September 1991 vereinbarten Höchstbetrag von 100.000 DM und nicht für den von der Klägerin in der Klageschrift genannten Gesamtanspruch von 108.304,90 DM einzustehen, den der Beklagte mit der negativen Feststellungswiderklage bekämpft. Auch dies wird jedoch von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.
a) Allerdings verstößt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die formularmäßige Ausdehnung der Bürgenhaftung auf alle bestehenden und künftigen Forderungen des Gläubigers aus der Geschäftsverbindung mit dem Hauptschuldner nach dem Grundgedanken des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB gegen § 9 AGBG, sofern der Bürge die Entstehung neuer Schulden nicht beeinflussen kann. In solchen Fällen hat er nur für die Verbindlichkeit einzustehen, die Anlaß der Verbürgung war. Handelt es sich dabei um einen limitierten Kontokorrentkredit, so haftet der Bürge grundsätzlich – nur – bis zur Höhe der bei Übernahme der Bürgschaft eingeräumten Kreditlinie (BGHZ 130, 19, 31 ff; 137, 153, 158). In diesem Rahmen bleibt die Haftung bestehen, solange die Kontobeziehung nicht beendet worden ist (BGH, Urt. v. 7. März 1996 - IX ZR 43/95, ZIP 1996, 702, 705).
b) Nach dem oben erwähnten, die Rechtsprechung zur weiten Zweckerklärung tragenden Grundgedanken besteht jedoch für die Anwendung des § 9 AGBG kein Bedürfnis, wenn der Bürge als Geschäftsführer oder Gesellschafter der Hauptschuldnerin auf die Erweiterung der Kreditverbindlichkeiten Einfluß nehmen kann. Für Gesellschafter, die nicht Geschäftsführer sind, ist das, wie der Senat mit dem nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 15. Juli 1999 (IX ZR 243/98, WM 1999, 1761 f, z. Abdr. in BGHZ best.) entschieden hat, nur dann anzunehmen, wenn sie über die Mehrheit der Anteile verfügen. Ist das nicht der Fall, so kommt es darauf an, ob gesellschaftsrechtlich sichergestellt ist, daß Erweiterung und Neubegründung von Verbindlichkeiten nicht ohne Mitwirkung des bürgenden Gesellschafters herbeigeführt werden können.
Der Beklagte war, als er am 16. August 1991 den Bürgschaftsvertrag schloß, nicht Geschäftsführer der GmbH. Daß er es später geworden ist, ist ohne Bedeutung; die Frage, in welchem Umfang ein Bürgschaftsvertrag wirksam ist, kann nur nach den Verhältnissen bei Abschluß des Vertrages beurteilt werden. Eine den Betrag von 100.000 DM übersteigende Haftung hängt deshalb davon ab, in welchem Umfang er an der GmbH beteiligt war. Hierüber haben die Parteien nichts Näheres vorgetragen. In einem vom Beklagten eingereichten Protokoll einer Gesellschafterversammlung vom 26. Mai 1992 ist festgehalten, daß neben dem Beklagten ein anderer Gesellschafter einen gleich hohen Geschäftsanteil hielt. Jene Gesellschafterversammlung betraf jedoch, was offenbar beide Parteien nicht bemerkt haben, nicht die Hauptschuldnerin, sondern eine andere Gesellschaft, an der der Beklagte ebenfalls beteiligt war. Den Parteien muß Gelegenheit gegeben werden, zu den Beteiligungsverhältnissen in der GmbH bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages und gegebenenfalls zum Inhalt des Gesellschaftsvertrages weiter vorzutragen; denn erst das Senatsurteil vom 15. Juli 1999 (aaO) hat klargestellt, welche Bedeutung der Umfang der Beteiligung des Bürgen an der Gesellschaft, für die er sich verbürgt hat, für die Anwendbarkeit des § 9 AGBG auf die weite Zweckerklärung in einem formularmäßigen Bürgschaftsvertrag hat.
II.
Das Berufungsurteil ist danach insgesamt aufzuheben. Soweit eine Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten bis zu insgesamt 100.000 DM im Streit ist, hat der Senat, da keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, in der Sache selbst zu entscheiden. Der auf Zahlung von 10.000 DM gerichteten Klage ist stattzugeben. Die Feststellungswiderklage ist abzuweisen, soweit es um einen Anspruch der Klägerin bis zum Betrag von 100.000 DM geht. Wegen des Anspruchs, dessen sich die Klägerin darüber hinaus berühmt, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses nach Ergänzung des Parteivorbringens die dazu erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 30.09.1999 durch Bürk, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 2578 |
DB 1999, 2559 |
NJW 1999, 3708 |
EWiR 2000, 171 |
JurBüro 2000, 163 |
KTS 2000, 91 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 2251 |
WuB 2000, 215 |
ZIP 1999, 1881 |
MDR 1999, 1516 |
ZBB 1999, 390 |
JAR 2000, 38 |