Rn 36
Unter Berücksichtigung des Bestandsschutzes und der Rechtssicherheit ist die zur Massemehrung vorgenommene Verschärfung des Anfechtungsrechts problematisch. Daher hat der Gesetzgeber in der Übergangsvorschrift des Art. 106 EGInsO angeordnet, dass vor dem 1.1.1999 vorgenommene Rechtshandlungen nur dann nach §§ 129 ff. anfechtbar sind, wenn sie nach früherem Recht im gleichen Umfang der Anfechtung unterlagen. Insoweit besteht Vertrauensschutz für nach alter Rechtslage unangreifbar erworbene Rechtspositionen.
4.6.1 Ermittlung der bisherigen Rechtslage
Rn 37
Bevor daher die §§ 129 ff. geprüft werden können, muss zunächst die Rechtslage nach dem bisherigen Recht ermittelt werden. Maßstab für die Beurteilung der Anfechtbarkeit sind Rechtsprechung und Lehre auf dem Stand vom 31.12.1998, spätere Entwicklungen dürfen nicht mehr berücksichtigt werden. Soweit also die erst später geltenden Normen der InsO bereits am 31.12.1998 als Auslegungsmaßstab des alten Rechts Verwendung fanden, kann der Anfechtungsgegner dagegen nicht einwenden, dass diese erst später in Kraft getreten seien. Insoweit kommt es dann doch zu einer mittelbaren Rückwirkung des neuen Rechts.
Rn 38
Bei der Ermittlung der bisherigen Rechtslage kommt es im Hinblick auf die unterschiedlichen Anfechtungsmöglichkeiten von KO und GesO auch darauf an, ob das betreffende Verfahren ehemals nach KO oder GesO abzuwickeln gewesen wäre. Soweit eine exakte Einordnung nicht möglich ist (z.B. Unternehmen mit Sitz in Berlin auf dem ehemaligen Grenzgebiet), sollte eine Anfechtung nach InsO nur zulässig sein, wenn diese sowohl nach KO als auch GesO zum Erfolg geführt hätte.
Rn 39
Der Anfechtungsgegner trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die (regelmäßig für ihn vorteilhaften) Abweichungen des bisherigen Rechts.
4.6.2 Anfechtung nach bisherigem Recht ausgeschlossen
Rn 40
Ergibt eine Überprüfung nach bisherigem Recht, dass eine Rechtshandlung nicht hätte angefochten werden können, so sind gem. Art. 106, 1. Fall EGInsO grundsätzlich die §§ 129 ff. InsO nicht anwendbar und es besteht auch nach neuem Recht keine Anfechtungsmöglichkeit.
Rn 41
Eine Ausnahme von diesemGrundsatz ist für die Ausschlussfrist des § 41 KO anzuerkennen. Soweit daher nach § 146 Abs. 1 noch keine Verjährung eingetreten ist, bleibt die Anfechtung zulässig. Weil es sich um auf die Verfahrenseröffnung bezogene Ausübungsfristen handelt, kann sich kein schützenswertes Vertrauen bilden, so dass der Schutzzweck der Norm (dazu Rn. 1) nicht betroffen ist. Deshalb ist Art. 106 EGInsO teleologisch zu reduzieren und wird von Art. 104 EGInsO verdrängt, nach dem die Regelungen der InsO Vorrang haben.
4.6.3 Anfechtung nach bisherigem Recht eingeschränkt möglich
Rn 42
Im Anschluss an die Ermittlung der bisherigen Rechtslage ist sodann eine Vorabprüfung nach den Vorschriften der InsO und ein Vergleich der Ergebnisse vorzunehmen. Soweit die Anfechtung nach KO oder GesO gegenüber den Vorschriften der InsO nur in eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre, müsste nach dem Wortlaut des Art. 106, 2. Fall EGInsO eine Anfechtung gleichfalls ausgeschlossen sein. Sinn und Zweck der Vorschrift ist jedoch lediglich die Beachtung schutzwürdigen Vertrauens, so dass ein völliger Ausschluss der Anfechtung in diesen Fällen zu weit gehen würde. Daher bedarf Art. 106, 2. Fall EGInsO einerseits der teleologischen Erweiterung dahingehend, dass eine Anfechtung nach §§ 129 ff. zwar möglich ist. Andererseits ist durch teleologische Reduktion der einzelnen Anfechtungsvorschriften der InsO sicherzustellen, dass die Anfechtung im Ergebnis nicht weiter reicht als nach bisherigem Recht.
4.6.4 Anfechtung nach bisherigem Recht in gleichem Umfang möglich
Rn 43
Ergibt die Anwendung der bisherigen Vorschriften eine vollumfängliche Anfechtbarkeit, so kommen die §§ 129 ff. uneingeschränkt zur Anwendung. Greifen diese im Ergebnis nicht durch, ist ein Rückgriff auf die Vorschriften von KO oder GesO wegen Art. 104 EGInsO ausgeschlossen.
4.6.5 Anfechtung nach bisherigem Recht weitreichender
Rn 44
Sollte ein Abgleich mit den Vorschriften des bisherigen Rechts ergeben, dass die Vorschriften der KO bzw. GesO eine Anfechtung in größerem Umfang ermöglicht hätten, sperrt Art. 104 EGInsO gleichwohl einen Rückgriff auf die bisherigen Regeln. Maßgeblich sind in diesen Fällen daher allein die §§ 129 ff.