Rn 9
Einen in der Praxis häufig anzutreffenden Sonderfall der Befriedigung stellt die Erlangung von Zahlungen oder Sicherungen im Wege der Zwangsvollstreckung dar. Hierunter fallen zunächst diejenigen Gläubiger, denen es nach Titulierung ihrer Forderung nach zeitaufwändiger Beschreitung des Klageweges noch gelingt, durch Pfändungsmaßnahmen Sicherungen am Vermögen des Insolvenzschuldners oder gar Zahlungen durch den Schuldner bzw. Drittschuldner zu erlangen. Anfechtungsrelevant sind jedoch vor allem diejenigen Fälle bei denen Gläubiger beteiligt sind, die sich einen Titel selbst schaffen und durch eigene Vollstreckungsbeamte vollstrecken lassen können. Diese Gläubiger – überwiegend die örtlichen Krankenkassen und Finanzämter – haben hier einen Vorsprung im Wettlauf der Zwangsvollstreckung. Dieser Vorrang des schnelleren Gläubigers entspricht der gesetzlichen Wertung in der Zwangsvollstreckung, angeordnet durch § 804 Abs. 2 ZPO. Entsprechend dem Zweck des § 131 sollen im Rahmen des Insolvenzverfahrens das Prioritätsprinzip der Einzelzwangsvollstreckung und die vorgeschilderten Wettbewerbsvorteile Einzelner zugunsten einer Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger kompensiert werden: staatliche Zwangsmittel werden bewusst eingeschränkt.
Rn 10
Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine solche Einschränkung der Zwangsvollstreckung lässt sich aus § 131 nicht unmittelbar entnehmen, sie ergibt sich jedoch aus § 88. Diese sog. "Rückschlagsperre" soll im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die durch Vollstreckungsmaßnahmen im Einmonatszeitraum vor Insolvenzantragstellung eingetretenen Sicherungen beseitigen – sie sollen keinen Bestand haben. Diese "Beseitigung" tritt unmittelbar rückwirkend kraft Gesetzes ein. Für den Fall, dass die Vollstreckung bereits zu einer Befriedigung eines Vollstreckungsgläubigers geführt hat, ist eine weitergehende (Folgen-)Anfechtung nach § 131 notwendig.
Rn 11
Durch höchstrichterliche Rechtsprechung ist zwischenzeitlich eindeutig geklärt worden, dass nicht nur Befriedigungen unmittelbar im Wege der Zwangsvollstreckung inkongruent sind, sondern darüber hinaus bereits Befriedigungen unter dem Druck einer unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung. Dieser Entscheidung lag eine Fallgestaltung zugrunde, bei die Anfechtungsgegnerin – eine Krankenkasse – die Vollstreckung aus dem von ihr erlassenen Bescheid lediglich angekündigt und noch nicht vollzogen hatte. Nach deutlicher Feststellung des BGH tritt das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip zugunsten der Gleichbehandlung des Gesamtgläubigerschaft zurück. Unmaßgeblich für die Beurteilung sei es, ob die Zwangsvollstreckung im formalrechtlichen Sinne bereits begonnen hat.