Rn 8
Schließlich definiert § 138 Abs. 2 die Gruppe der nahe stehenden Personen für den Fall, dass der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist, und schließt damit die unter der Geltung der KO bestehende Gesetzeslücke im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Beziehungen. Hierunter fallen unter anderem gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 die OHG, KG, Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), Partenreederei und die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV).
Rn 9
In der ersten Fallgruppe (§ 138 Abs. 2 Nr. 1, 1. Fall) werden Mitglieder der Vertretungs- und Aufsichtsorgane bei juristischen Personen und persönlich haftende Gesellschafter bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit zu Insidern i.S.d. InsO erklärt. Diesen stehen jeweils ihre Stellvertreter gleich. Auch kraft Gesellschaftsvertrag (z.B. bei der Publikums-KG) geschaffene Aufsichtsgremien sind erfasst.
Rn 10
Problematisch kann diese weitgehende Einbeziehung für die Hausbank oder einen Lieferanten sein, wenn bei vorinsolvenzlichen Sanierungsbemühungen ein Vertreter in die genannten Gremien entsandt wird. In diesen Fällen wird man § 138 Abs. 2 Nr. 1 so lange einschränkend auszulegen haben, wie dieser Vertreter von Gesetzes wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und damit auch gegenüber seinem Arbeitgeber keine Auskünfte erteilen darf. Nach Eintritt der Krise und Ablauf der in § 64 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG geregelten Frist wandelt sich die Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsleitung in eine Antragspflicht um und das hinter dem jeweiligen Organmitglied stehende Unternehmen muss sich das Wissen analog § 166 BGB zurechnen lassen.
Rn 11
Bei der nach § 138 Abs. 2 Nr. 1 2. Fall, geforderten Kapitalbeteiligung von über 25 % muss es sich nicht zwingend um eine unmittelbare handeln. Auch eine nur mittelbare Beteiligung dieser Größenordnung genügt, etwa wenn der Gesellschafter an der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft selbst zwar einen geringeren Anteil als 25 % hält, er jedoch zusammen mit seinem Anteil an einer anderen Gesellschaft, die ebenfalls an der insolvenzschuldnerischen Gesellschaft beteiligt ist und in einer beherrschenden Stellung zu ihr steht, die 25 %-Marke überschreitet. Unter die Vorschrift fallen auch Kommanditisten. Die notwendigen Informationen wird der Insolvenzverwalter kraft der nach § 101 vermittelten Informationsrechte oder über §§ 20 ff. AktG erlangen können.
Rn 12
Von § 138 Abs. 2 Nr. 2 sollen in erster Linie Prokuristen und leitende Angestellte, nicht aber selbständig Tätige, die durch einen Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter mit dem Schuldner verbunden sind (z.B. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater), erfasst werden. Für die Frage der Kausalität zwischen beruflicher Stellung und der Kenntniserlangung sind die Grundsätze zu § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG heranzuziehen.
Rn 13
Unter dem Gesichtspunkt der zum Teil sehr umfassenden Informationsmöglichkeiten – dies gilt in vielen Fällen auch für Hausbanken (bei Krediten von mehr als TDM 500 vgl. §§ 18, 21 KWG) – erscheint dieses jedoch kritikwürdig. Daher soll ein Steuerberater dann nahe stehende Person sein, wenn die gesamte Buchführung des Insolvenzschuldners auf ihn ausgelagert wurde und er deshalb auch anfechtungsrechtlich wie ein Leiter der Buchhaltung zu behandeln sei. Gleiches soll auch für Abschlussprüfer und Anwälte gelten, wenn die in § 3 Abs. 1 Satz 2 GwG genannten Voraussetzungen vorliegen.
Rn 14
Über § 138 Abs. 2 Nr. 3 werden wiederum solche Personen mit einbezogen, die zu einer Person nach Abs. 2 Nr. 1 oder 2 in einem nach Abs. 1 bezeichneten Näheverhältnis stehen (z.B. Schwester der Ehefrau des Prokuristen), es sei denn, dass die (Bezugs-)Personen nach Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (z.B. Bruder der Geschäftsführerin ist beratender Steuerberater der Schuldnerin; seine Ehegattin wird behandelt wie eine fremde Dritte, weil aufgrund der Verschwiegenheitspflicht davon auszugehen ist, dass die Ehefrau keine bessere Erkenntnis über die Gesellschaft hat als ein außenstehender Dritter). Ein vertragliches Schweigerecht genügt dagegen nicht.