Rn 12
H. M. zufolge ist auch der "faktische" Geschäftsleiter Adressat der Insolvenzantragspflicht. Hinter dieser Rechtsfigur verbergen sich letztlich zwei Fallgestaltungen:
3.1.3.1 Der fehlerhaft bestellte Geschäftsleiter
Rn 13
Sofern der Geschäftsleiter zum Organ bestellt worden, der Bestellungsakt aber (unerkannt) unwirksam erfolgt ist, ist der Geschäftsleiter dennoch Adressat der Insolvenzantragspflicht. Das gilt auch, wenn er, nachdem er die Unwirksamkeit des Bestellungsaktes erkannt hat, die Organstellung weiterhin ausübt.
3.1.3.2 Der "faktische" Geschäftsleiter i. e. S.
Rn 14
Unter einem "faktischen" Geschäftsleiter i. e. S. versteht die h. M. jemanden (meist einen Gesellschafter), der – ohne zum Geschäftsleiter bestellt worden zu sein – mit Einverständnis der Gesellschafter "wie" ein Mitglied des Vertretungsorgans auftritt. H. M. nach kann ein "faktischer" Geschäftsleiter i. e. S. nur eine natürliche Person sein. Wann jemand "wie" ein Mitglied des Vertretungsorgans tätig wird, ist nicht immer einfach zu beantworten. Die h. M. legt insoweit strenge Maßstäbe an, mit der Folge, dass der Nachweis in der Praxis außerordentliche Schwierigkeiten bereitet. Letztlich müssen für eine "faktische" Geschäftsleitung i. e. S. drei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss der Betreffende mit Wissen und Wollen der Gesellschafter handeln, zum anderen muss er auf die Geschäftsführung mit einer gewissen Nachhaltigkeit Einfluss nehmen und schließlich muss der Betreffende – so die h. M. – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis aufgetreten sein. In Bezug auf das Merkmal "Auftreten im Außenverhältnis" bleibt festzuhalten, dass die zivilrechtliche Rechtsprechung insoweit in einem deutlichen Spannungsverhältnis zur strafrechtlichen Rspr. steht. Letztere ist deutlich liberaler und lässt eine Ausnahme von diesem Erfordernis zu, wenn der faktische Geschäftsführer den förmlich bestellten Geschäftsführer anweisen kann und er durch ihn die Geschäftspolitik des Unternehmens tatsächlich bestimmt, m.a.W. sich gegenüber dem formellen Geschäftsführer in den wesentlichen unternehmerischen Fragen durchsetzen kann.
Rn 15
Nach h. M. ist auch der "faktische" Geschäftsleiter i. e. S. Adressat der Insolvenzantragspflicht. Dies steht auf den ersten Blick mit dem Wortlaut des § 15a Abs. 1 in Widerspruch; denn dieser spricht ausdrücklich von "Mitgliedern des Vertretungsorgans", knüpft also nicht an einer "Funktion im Unternehmen", sondern an der Vertretungsbefugnis an. Die h. M. geht jedoch davon aus, dass mit der neuen Wortwahl in § 15a Abs. 1 keine inhaltliche Abweichung zum bisherigen § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. (oder § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG a. F.) gewollt war. Nichts anderes folgt aus dem neuen § 15a Abs. 3 (siehe unten Rn. 32 ff.); denn ausweislich der Gesetzesbegründung sollte diese Bestimmung die Rspr. zum "faktischen" Geschäftsleiter unberührt lassen. Die h. M., die den "faktischen" Geschäftsleiter i. e. S. in § 15a Abs. 1 einbezieht und ihm gleichzeitig ein Antragsrecht zugesteht (§ 15 Rn. 13), ist allerdings abzulehnen; denn dieses Konzept ist – anders als im Rahmen des § 64 Satz 1 - mit den verfahrensrechtlichen Vorgaben in §§ 15, 15a unvereinbar.