Gesetzestext
(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.
(2) 1Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. 2Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
1. Allgemeines
Rn 1
Die Zahlungsunfähigkeit stellt den allgemeinen Eröffnungsgrund dar, der für alle insolvenzfähigen Rechtsträger und gesonderten Vermögensmassen Geltung hat.
Neben der Funktion als Auslösetatbestand für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens hat die Zahlungsunfähigkeit Relevanz für die Anfechtungsgründe der §§ 130–132, für die gesetzlichen Antragspflichten gem. 15a oder § 42 Abs. 2 BGB, für Schadensersatzpflichten gem. § 42 Abs. 2 BGB, § 64 Abs. 2 GmbHG, § 130a Abs. 3 HGB, § 93 Abs. 3 AktG, § 99 Abs. 2 GenG sowie für insolvenzspezifische Straftatbestände wie etwa § 15a Abs. 4, §§ 283, 283a, 283c, 283d StGB.
Zu beachten ist indes, dass der Terminus im Strafrecht mitunter strenger definiert wird, als in der InsO. Hier wird zwischen betriebswirtschaftlicher Methode und sog. wirtschaftskriminalistischen Beweisanzeichen differenziert. Letztere wird zumeist im strafrechtsrelevanten Kontext zur Anwendung gebracht.
Rn 2
Die in Abs. 2 enthaltene, kurze Legaldefinition der Zahlungsunfähigkeit ist im Insolvenzrecht einheitlich zu begreifen und maßgeblich.
Nach dem Hinweis der Begründung des Regierungsentwurfs zur Insolvenzordnung aus 1992 soll die gesetzliche Fassung des § 17 Abs. 2 der bisherigen Definition des Begriffes der Zahlungsunfähigkeit entsprechen, wie sie in Rechtsprechung und Literatur üblich geworden war.
Die mit der InsO eingeführte Legaldefinition soll dazu beitragen, den Eintritt der insolvenzrechtlich relevanten Zahlungsunfähigkeit vorzuverlegen und damit zu einer früheren Eröffnung von Insolvenzverfahren gelangen zu können, damit eine frühzeitigere Verfahrenseinleitung und auch eine vorzeitigere Verfahrenseröffnung die Chancen und Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung und der Unternehmenssanierung realisieren zu können.
2. Bisherige Definition der Zahlungsunfähigkeit
Rn 3
Zahlungsunfähigkeit wurde bisher definiert als das auf einem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen. Sofort zu erfüllen waren dabei solche Geldschulden, die von den Gläubigern ernsthaft eingefordert wurden.
Die Definition hat unterschiedliche Variationen erfahren, die Formulierungsvarianten haben aber keine bzw. nur geringe praktische Auswirkungen gehabt.
Rn 4
Stets geht es bei der Definition der insolvenzrechtlich relevanten Zahlungsunfähigkeit um die Abgrenzung zu einer bloß vorübergehenden Zahlungsstockung und einer nur teilweisen, im Verhältnis zu den Gesamtzahlungen unwesentlichen Nichterfüllung von fälligen Verbindlichkeiten. Zu der Frage, wann die Nichterfüllung ernsthaft eingeforderter Geldforderungen als dauernd zu qualifizieren ist, gab es ein breites Spektrum von Antworten, ohne dass sich sichere Kriterien für dieses Merkmal herausgebildet hätten.
Rn 5
Die Vorschläge, ab welchem Zeitraum die Nichtzahlung trotz ernsthafter Einforderung eine insolvenzrechtlich relevante Zahlungsunfähigkeit begründet, reichten von einer Woche bis zu sechs Monaten. Auch das Merkmal der Wesentlichkeit der Verbindlichkeiten, die nicht beglichen werden, war bislang nicht präzise definiert worden. Nach einer allgemein gehaltenen Formel sollte der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen dann noch im Wesentlichen nachkommen, wenn die Bezahlung der Verbindlichkeiten der Regelfall und die Nichtzahlung die Ausnahme war.
Rn 6
Eine lediglich unwesentliche Nichterfüllung fälliger bzw. ernsthaft geltend gemachter Forderungen sollte danach dann gegeben sein, wenn die Summe der relevanten Gesamtverbindlichkeiten den Betrag der zur Begleichung verfügbaren liquiden Mittel des Schuldners um maximal 10 % bis 25 % überschreitet.