Rn 106
In Anlehnung an § 40 VerglO werden dem Schuldner in § 22 Abs. 3 umfassende Auskunfts- und Mitwirkungspflichten zur Unterstützung des vorläufigen Insolvenzverwalters auferlegt, die über die Verweisung in § 22 Abs. 3 Satz 3 auch die in § 101 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, Abs. 2 genannten Mitglieder der Vertretungs- und Aufsichtsorgane, vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter und Angestellte treffen (vgl. die Kommentierung zu § 101). Schließlich befreit die Organe juristischer Personen eine regelmäßig sofort wirksame Niederlegung ihres Amts nicht von ihren Auskunfts- und Mitwirkungspflichten. Kommt es zu einer Amtsniederlegung unmittelbar vor oder nach Einleitung des Insolvenzantragsverfahrens, so ist von einem Fortwirken der Auskunftspflicht auszugehen. Auf sonstige Dritte ist § 22 Abs. 3 nicht anwendbar, gleichwohl können dem vorläufigen Verwalter auf anderen Grundlagen auch gegen sie Auskunftsansprüche zustehen (s. o. Rdn. 65 ff.). Die Pflichten aus § 22 Abs. 3 sind unabhängig davon, ob ein Eigen- oder Fremdantrag Auslöser des Eröffnungsverfahrens war. Es handelt sich ferner um höchstpersönliche Pflichten, die nicht auf einen Vertreter, bspw. einen Rechtsanwalt oder Steuerberater, delegiert werden können.
Rn 107
Adressat der Auskünfte und Mitwirkungshandlungen ist der vorläufigen Insolvenzverwalter unabhängig davon, ob und welche Verfügungsbeschränkungen angeordnet sind. Ein höchstpersönliches Handeln ist nicht erforderlich, vielmehr kann er auch Hilfskräfte beauftragen. Die Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht ist in § 20 geregelt. Eine entsprechende Anwendung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten auf einen (isolierten) Sachverständigen, der nicht gleichzeitig vorläufiger Insolvenzverwalter ist, kommt nicht in Betracht. Da die Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung zu den originären Aufgaben eines vorläufigen Verwalters gehört (s. o. Rdn. 34 ff.), kann er sich auch insoweit auf die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners berufen.
Rn 108
In jedem Fall muss der Umfang der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Schuldners unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten betrachtet werden. Dabei ist zunächst der Zweck der gesetzlichen Regelung in den Blick zu nehmen, die dem vorläufigen Insolvenzverwalter die effektive Wahrnehmung seines Sicherungs- und Erhaltungsauftrags und die Gewinnung der Tatsachen zur Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung ermöglichen will. Dagegen müssen aber die Rechte des Schuldners und betroffener Dritter abgewogen werden. So dürfte es unverhältnismäßig sein, die Arbeitskraft des Geschäftsführers einer insolventen GmbH wochenlang ohne jegliche Vergütung am Geschäftssitz der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. Zwar darf die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht von Organen als Träger der Schuldnerrolle nicht von der Zahlung einer Vergütung abhängig gemacht werden, es kann aber von ihnen keine dauerhafte und regelmäßige Dienstleistung erwartet werden, die über die reine Informationserteilung und die hierzu erforderlichen Mitwirkungshandlungen hinausgeht.
6.1 Betretungsrecht
Rn 109
§ 22 Abs. 3 Satz 1 ermächtigt jeden vorläufigen Insolvenzverwalter dazu, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Über Notwendigkeit sowie Art und Weise der Umsetzung seines Betretungsrechts kann der vorläufige Verwalter selbständig entscheiden. Weigert sich der Schuldner, dem vorläufigen Verwalter das Betreten der Geschäftsräume zu gestatten, kann das Betretungsrecht auch ohne zusätzliche ausdrückliche richterliche Durchsuchungsanordnung zwangsweise durchgesetzt werden. Die Vorschriften über die Maßnahmen bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung dienen der Sicherung des Schuldnervermögens und stellen eine verfassungsrechtlich ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Zur Vermeidung unnötiger und vor allen Dingen zeitraubender Rechtsbehelfe seitens des Schuldners empfiehlt es sich, klarstellend einen entsprechenden Hinweis auf das Betretungsrecht in den Ernennungsbeschluss für den vorläufigen Verwalter aufzunehmen.
Rn 110
Der Beschluss, der die Bestellung eines vorläufigen Verwalters anordnet, ist ein Vollstreckungstitel i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und kann mithilfe des Gerichtsvollziehers vollstreckt werden (§ 883 ZPO). Auch eine Anordnung zur Durchsuchung durch den Gerichtsvollzieher ist gem. § 4 i. V. m. §§ 748 Abs. 1, 883 Abs. 1 ZPO zulässig. Unter vollstreckungsrechtlichen Gesichtspunkten ist gem. § 4 i. V. m. 724 ZPO eine vo...