Rn 21
§ 304 beschränkt den persönlichen Anwendungsbereich, also die Berechtigung des Schuldners an einem Verbraucherinsolvenzverfahren teilnehmen zu dürfen, in mehrfacher Hinsicht. Zum einen steht das Verfahren nur den lebenden natürlichen Personen des § 11 Abs. 1 Satz 1 offen. Umfasst sind damit auch Kinder, Jugendliche, Betreute und Ausländer. Maßgeblich ist, dass sie ihren allgemeinen Gerichtsstand im Geltungsbereich der InsO haben, also ein deutsches Insolvenzgericht nach § 3 örtlich zuständig ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO).
Rn 22
Auch wenn der Zehnte Teil der InsO in seiner Überschrift vom "Verbraucher" spricht, findet sich der Begriff in § 304 nicht wieder. Dies aus gutem Grund. Die gesetzliche Definition in § 13 BGB kann für die Abgrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs des Verbraucherinsolvenzverfahrens allenfalls in Zweifelsfällen herangezogen werden. Nach § 13 BGB ist jede natürliche Person Verbraucher, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Die Anknüpfung an ein konkretes Rechtsgeschäft folgt der Konzeption des Europarechts. Demnach verweist der rollenbezogene Ausgangspunkt auf die strukturelle Unterlegenheit des Verbrauchers. Ob der Verbraucher schutzbedürftig ist oder nicht, ergibt sich erst im Blick auf seine situativen Schutzbedürftigkeit. Dieses Konzept ist für die Abgrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs des Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht tragfähig. Die Konzeption des § 304 ist personen- und nicht rollenbezogen. Die Abgrenzung erfolgt anhand einer typisierenden Betrachtung der Person des Schuldners ausschließlich nach den in § 304 geregelten Merkmalen.
Rn 23
Die Begrenzung auf natürliche Personen führt dazu, dass Personengesellschaften und selbst nur aus natürlichen Personen bestehende Gesellschaften des bürgerlichen Rechts nicht in den persönlichen Anwendungsbereich einbezogen sind, während einzelne Mitglieder verfahrensfähig sein können, wenn sie die Voraussetzungen des § 304 erfüllen.
Rn 24
Aus dem Kreis der natürlichen Personen werden, orientiert an den besonderen Instrumentarien und den Zielen des Verbraucherinsolvenzverfahrens, Teilgruppen nicht in den Anwendungsbereich des Verfahrens einbezogen. Nämlich natürliche Personen, die zum Zeitpunkt der Eröffnungsantragstellung:
Rn 25
Dem Tatbestandsmerkmal der "selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit" kommt damit eine doppelte Relevanz zu. Im Zentrum der vorzunehmenden Prüfung steht zunächst die Frage, ob der Schuldner überhaupt gegenwärtig selbstständig wirtschaftlich tätig ist oder in der Vergangenheit entsprechend tätig war. Lässt sich in einem ersten Prüfungsschritt eine aktuelle selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners verneinen, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Schuldner ggf. in der Vergangenheit selbstständig wirtschaftlich tätig war.
Rn 26
Ist bereits eine aktuelle selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners zu bejahen, finden auf ihn – ohne weitere Prüfung seiner Vermögens- und Verschuldungsstruktur – ausschließlich die Vorschriften über das Regelinsolvenzverfahren Anwendung. War der Schuldner dagegen lediglich in der Vergangenheit selbstständig wirtschaftlich tätig, wird die Anwendbarkeit der Vorschriften über das Verbraucherinsolvenzverfahren in einem zweiten Schritt nach § 304 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 geprüft.
2.1 Keine Ausübung einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit
Rn 27
§ 304 Abs. 1 Satz 1 eröffnet den Anwendungsbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens für Personen, die keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben. An der ursprünglichen Konzeption, natürlichen Personen, die lediglich eine geringfügige selbstständige Tätigkeit ausüben, den Weg in das Verbraucherinsolvenzverfahren zu eröffnen, wird seit dem in Kraft treten des InsO-ÄndG am 01.12.2001 nicht mehr festgehalten.