Prof. Dr. Eberhard von Olshausen, Dr. Jürgen Blersch
Rn 1
Die im früheren Konkursrecht unbekannte Regelung des § 88 wurde in Anlehnung an die entsprechenden Vorschriften in den §§ 28, 87, 104 VerglO in die Insolvenzordnung aufgenommen, reicht aber nicht so weit wie die vergleichbare frühere Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 1 GesO. Sie erfasst die typischen inkongruenten Sicherheiten, die nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 ohnehin anfechtbar sind. Durch § 88 soll diese Anfechtungsmöglichkeit keinesfalls ersetzt, sondern nur ergänzt werden, indem entsprechende Sicherungen in der besonders kritischen Phase unmittelbar vor Verfahrenseinleitung schon kraft Gesetzes für unwirksam erklärt werden, ohne dass es einer Anfechtung bedarf. Damit soll eine Verfahrenserleichterung geschaffen werden, von der sich der Gesetzgeber insbesondere in Verfahren ohne Insolvenzverwalter (z. B. §§ 270 ff.) vorteilhafte Auswirkungen verspricht. Zu den Einzelheiten dieser Verfahrenserleichterung s. u. bei Rn. 14 und 15. In § 88 Abs. 2 wurde mit Wirkung vom 1.7.2014 die zuvor seit dem 1.12.2001 in § 312 Abs. 1 Satz 3 enthaltene Regelung inhaltsgleich übernommen; Art. 103h EGInsO enthält eine Übergangsvorschrift.
Die Vorschrift des § 88 hat verschiedentlich erhebliche Kritik erfahren, die bis zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit reicht. Der bis heute wohl am häufigsten zu hörende Tadel betrifft den Umstand, dass § 88 nur die in dem dort genannten Zeitraum durch Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung, nicht auch die hierdurch erlangte Befriedigung erfasst. Damit werde der schnell und aggressiv vorgehende (und daher eine Befriedigung erreichende) Gläubiger gegenüber einem rücksichtsvoller agierenden (und daher nur eine Sicherung erlangenden) Gläubiger bevorteilt. Dieser Tadel ist im Bereich des § 88 Abs. 1 nicht gerechtfertigt (anders aber im Fall des § 88 Abs. 2). Der Insolvenzmasse wäre mit der Anordnung einer "Unwirksamkeit der Befriedigung" oder einer "Unwirksamkeit des Erwerbs des zur Befriedigung Erlangten" kaum geholfen, da dadurch das aus der Masse Erlangte noch nicht in diese zurückkehrt. Den hierfür benötigten Anspruch auf Rückgewähr des aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners Ausgeschiedenen gibt dem Verwalter im heutigen Recht aber schon § 143 Abs. 1 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 unter den gleichen, rein objektivierten Voraussetzungen, wie sie § 88 Abs. 1 für die Rückschlagsperre vorsieht. Angesichts dieser gegenüber der VerglO und der KO geänderten anfechtungsrechtlichen Lage hatte der Gesetzgeber der InsO keinen Anlass, dem Verwalter noch einen Bereicherungsanspruch nach dem Vorbild der §§ 87, 104 VerglO zu gewähren, der wegen des möglichen Einwands der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) inhaltlich schwächer als der Anspruch aus § 143 Abs. 1 wäre (vgl. § 143 Abs. 1 Satz 2) und nur mit dem Vorteil einer längeren Verjährung aufwarten könnte (vgl. § 195, § 199 Abs. 1 BGB gegenüber § 146 Abs. 1 InsO).
Anders stellt sich die Situation allerdings im Anwendungsbereich von § 88 Abs. 2 (= § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) dar. Denn dort fallen die auf drei Monate ausgedehnte Rückschlagsperre und die einmonatige Anfechtungsfrist des § 131 Abs. 1 Nr. 1 auseinander. Dadurch ist grundsätzlich der "aggressiver" vorgehende Gläubiger, der durch Zwangsvollstreckung im dritt- oder vorletzten Monat vor Eröffnungsantrag noch eine Befriedigung erreicht, besser gestellt (weil bei fehlendem Nachweis der Zahlungsunfähigkeit oder der Kenntnis von Gläubigerbenachteiligung auch keiner Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 ausgesetzt) als der behutsamer vorgehende Gläubiger, der nur eine Sicherung erlangt hat (die nach § 88 in jedem Fall unwirksam wird).
Zwischenzeitlich schickte sich der Gesetzgeber an, der Kritik, § 88 bevorteile den im fraglichen Zeitraum befriedigten Gläubiger gegenüber dem in dieser Zeit nur eine Sicherung erlangenden Gläubiger, auch außerhalb des § 88 Abs. 2 (= § 312 Abs. 1 Satz 3 a. F.) nachträglich die bisher fehlende Berechtigung zu verleihen. Der Regierungsentwurf eines "Gesetzes … zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung" vom 10. August 2005 sah vor, an § 131 Abs. 1 einen Satz 2 anzufügen, nach dem eine Sicherung oder Befriedigung nicht allein dadurch zu einer inkongruenten Deckung wird, dass der Gläubiger sie durch Zwangsvollstreckung erlangt hat. Dadurch wäre auch im Zeitraum des § 88 Abs. 1 der "aggressiver" vorgehende und deshalb schon befriedigte Gläubiger besser gestellt worden (weil bei fehlendem Nachweis der Kenntnis gem. § 130 keiner Insolvenzanfechtung ausgesetzt) als der behutsamer vorgehende Gläubiger, der nur eine Sicherung erlangt hat (die nach § 88 in jedem Fall unwirksam wird). Die Änderung des § 131 Abs. 1 ist jedoch nicht Gesetz geworden.
Rn 2
Die Vorschrift schränkt die Regelung in § 50 Abs. 1 zur Anerkennung eines Absonderungsrechts ein. Ergänzend sind § 110 Abs. 2 Satz 2, § 114 Abs. 3, § 131 sowie wegen der Fristberechnung § 139 zu berücksichtigen. Für das Nachlassinsolvenzverfahren gilt § 321. Im Unterschied zu § 89 ...