Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 7
Als Rechtsfolge bestimmt § 92, dass Ansprüche auf Liquidation eines Gesamtschadens während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden können, d.h., die einzelnen Insolvenzgläubiger sind hinsichtlich dieser Ansprüche nicht mehr einziehungs- und prozessführungsbefugt (sog. Sperrwirkung). Diese Befugnis geht als Befugnis, fremde und auch nicht zur Insolvenzmasse gehörende (andernfalls wäre § 80 Abs. 1 einschlägig) Ansprüche treuhänderisch im eigenen Namen geltend zu machen, auf den Insolvenzverwalter über (sog. Ermächtigungswirkung). Die Befugnis, die Ansprüche geltend zu machen, muss auch die Befugnis des Insolvenzverwalters umfassen, über sie einen Vergleich zu schließen. Alles andere wäre höchst unpraktisch. Die Klage eines zur Geltendmachung seines Anspruchs nicht befugten Gläubigers ist als unzulässig abzuweisen; das gilt wegen der Gefahr divergierender Entscheidungen auch für eine bloße Feststellungsklage. Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits anhängiger Prozess über den Ersatzanspruch eines Insolvenzgläubigers wird analog § 17 Abs. 1 AnfG unterbrochen. Unzulässig ist auch die Vollstreckung aus einem schon vor Verfahrenseröffnung ergangenen Titel, da auch dies eine "Geltendmachung" des betreffenden Anspruchs ist. Die Sperrwirkung richtet sich auch gegen Insolvenzgläubiger, die tatsächlich nicht am Insolvenzverfahren teilnehmen; niemand soll sich den unerwünschten Vorteil einer individuellen Geltendmachung durch Verzicht auf Verfahrensteilnahme "erkaufen" können. Dagegen gilt die Ermächtigung des Verwalters nicht auch für die Ansprüche derjenigen Insolvenzgläubiger, die sich am Insolvenzverfahren nicht beteiligen. Andernfalls würde mit dem für sie erlangten Erlös eine Masse vermehrt, an deren Verteilung sie nicht teilhaben. Zur Vermeidung praktischer Schwierigkeiten bei der Geltendmachung der Ansprüche muss zugunsten des Verwalters von der Vermutung ausgegangen werden, dass sich alle geschädigten Insolvenzgläubiger am Verfahren beteiligen, dass also der angerichtete Gesamtschaden nur auf sie entfällt. Es ist dann Sache des Schädigers, darzulegen und zu beweisen, dass ein Teil des Gesamtschadens andere, am Verfahren nicht beteiligte Gläubiger betrifft.
Materiell-rechtlich bleiben die betreffenden Insolvenzgläubiger Inhaber der vom Insolvenzverwalter geltend zu machenden Ansprüche. Sie können über diese deshalb verfügen, sie z.B. abtreten oder erlassen. Eine Störung der Abwicklung des Insolvenzverfahrens ist hierdurch nicht zu besorgen. Denn nach einer Abtretung richtet sich die Sperrwirkung nunmehr gegen den Zessionar, der nun einmal eine beschlagnahmte Forderung erworben hat, die durch die Abtretung nicht beschlagfrei geworden sein kann. Im Falle eines Erlasses wird die Minderung des Erlöses, den die Masse vom Schädiger erlangt, dadurch aufgewogen, dass der erlassende Gläubiger bei der Verteilung dieses Erlöses unberücksichtigt bleibt. Hat der Schädiger in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung an den nicht mehr empfangszuständigen Gläubiger geleistet, so wird er analog § 82 befreit.