Dr. Jürgen Blersch, Prof. Dr. Eberhard von Olshausen
Rn 9
Eine Aufrechnung des haftenden Gesellschafters mit einer gegen einen Gesellschaftsgläubiger gerichteten Forderung wird nach überwiegender Meinung durch § 93 nicht ausgeschlossen. Diese Aufrechnungsmöglichkeit lässt sich entweder aus § 392 BGB oder über eine Analogie aus §§ 94 ff. herleiten. Zwar führt eine solche Aufrechnung zu einer Privilegierung des Aufrechnungsgegners gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigern, also zu einem Effekt, den § 93 gerade verhindern will. Aber die Aufrechnungsmöglichkeit ist ein Vorrecht, das dem Gesellschafter schon vor Eröffnung des Gesellschaftsinsolvenzverfahrens gewissermaßen als Qualität seiner Forderung zustand und ihm durch § 93 nicht genommen werden sollte.
Dagegen bleibt dem Gesellschafter bei einer Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter eine Aufrechnung mit Forderungen gegen die insolvente Gesellschaft versagt, da es für deren Wirksamkeit an der erforderlichen Gegenseitigkeit fehlt und diese durch § 93 nicht hergestellt wird (die Ansprüche aus der persönlichen Haftung des Gesellschafters verbleiben materiell beim bisherigen Gläubiger!). Eine Besonderheit gilt allerdings für Kommanditisten. Ein Kommanditist, der noch seine Einlage schuldet, kann sich gemäß § 171 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB durch die Leistung der Einlage an die Gesellschaft (auch mittels durch Aufrechnung erfolgter Leistung) von seiner Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern befreien, und eine großzügige Rechtsprechung gestattete ihm in einem solchen Fall, sogleich gegen den (im Insolvenzfall vom Verwalter geltend zu machenden) Haftungsanspruch eines Gesellschaftsgläubigers aufzurechnen (entsprechende Anwendung der §§ 387 ff. BGB). Dies sollte sogar dann möglich sein, wenn der Kommanditist der Gesellschaft überhaupt keine Einlage (mehr) schuldete, sondern nur den Gesellschaftsgläubigern aus der (höheren) Haftsumme einzustehen hatte (Aufrechnung gegen fiktive Einlageforderung). Jede Aufrechnung gegen die (reale oder fiktive) Einlageforderung der KG hat aber für Kommanditisten deutlich an Reiz verloren, seit der BGH im Jahre 1985 entschieden hat, dass eine solche Aufrechnung den Kommanditisten entgegen der früheren Rechtsprechung nicht mehr in Höhe des Nennwerts der aufgerechneten Forderung, sondern nur noch in Höhe des objektiven Werts dieser Forderung im Augenblick der Aufrechnung von der Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern befreit.
Sehr zweifelhaft erscheint, ob der Gesellschafter die Tilgung der Forderung eines Gesellschaftsgläubigers nach § 129 Abs. 3 HGB wegen Bestehens einer Aufrechnungsmöglichkeit für die Gesellschaft verweigern kann. Denn der Insolvenzverwalter würde mit einer Aufrechnungserklärung regelmäßig den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, dessen Durchsetzung § 93 gerade dient, verletzen.
Sehr streitig ist, ob eine Aufrechnung des Haftungsgläubigers gegen Forderungen, die der persönlich haftende Gesellschafter gegen ihn hat, zulässig ist. Gegen ihre Zulässigkeit wird vorgebracht, dass auch die Aufrechnung eine Form der "Geltendmachung" der persönlichen Haftung des Gesellschafters sei, der die Sperrwirkung des § 93 entgegenstehe, und dass durch die Aufrechnung die gesetzlich beabsichtigte Gleichbehandlung der Gesellschaftsgläubiger vereitelt werde. Indessen will § 93 zwar einen Wettlauf der Gesellschaftsgläubiger während des Insolvenzverfahrens verhindern und für Gläubigergleichbehandlung sorgen, aber schwerlich einem Gläubiger einen schon bei Verfahrenseröffnung bestehenden Vorsprung in Form des "Pfandrechts an der eigenen Verbindlichkeit" nehmen. Er will dies, wie sich auch aus der Begründung zum Regierungsentwurf der InsO – wenn auch mit falscher Herleitung aus entsprechender Anwendung der §§ 406, 412 BGB – ergibt, ebenso wenig, wie der auf Gläubigergleichbehandlung bedachte § 87 eine Bevorzugung einzelner Gläubiger durch die Belassung einer Aufrechnungsmöglichkeit nach §§ 94 ff. verhindern will. Es spricht deshalb vieles für die Bejahung der Aufrechnungsmöglichkeit der Haftungsgläubiger analog §§ 94 ff. Anders liegt dies bei der Aufrechnung des Gesellschaftsgläubigers gegen eine Forderung, die einem Kommanditisten gegen ihn zusteht. Hier besteht keine schützenswerte Aufrechnungslage, weil dem Gesellschaftsgläubiger seine Haftungsforderung jederzeit durch Leistung in das Gesellschaftsvermögen oder an einen anderen Gesellschaftsgläubiger oder durch Zugriff eines solchen anderen Gläubigers entzogen werden konnte (§ 171 Abs. 1 HGB).
Rn 10
Hinsichtlich des Schutzes der Gläubiger vor einer Verjährung ihrer Ansprüche infolge Untätigkeit des Insolvenzverwalters bereitet § 93 keine Schwierigkeiten, wenn man der h.M. folgt, wonach Handlungen, die gegenüber der Gesellschaft zur Hemmung der Verjährung führen, auch gegenüber den der Gesellschaft noch angehörenden Gesellschaftern wirken. Die nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB verjährungshemmende Anmeldung der Hauptforderung in der Gesellschaftsinsolvenz hemmt dann auch die Verjähru...