Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 1 des VergnStG HE
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der erkennbaren Vorstellung des Verfassungsgebers sind die herkömmlichen, d. h. jedenfalls die bei Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes am 1. Januar 1970 üblicherweise bestehenden örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, zu denen auch die örtliche Vergnügungssteuer gehört, mit bundesrechtlich geregelten Steuern nicht gleichartig.
2. § 1 des hessischen Gesetzes über die Vergnügungssteuer ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Maßgebend für diese Beurteilung sind hier dieselben Gründe wie im Beschluß vom 4. Juni 1975 – 2 BvR 824/74, BVerfGE 40, 56.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a; VergnStG HE § 1; BVerfGG § 13 Nr. 11, § 80
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Vorlegungsbeschluss vom 20.09.1973; Aktenzeichen V N 2/72) |
Gründe
Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit der hessischen Vergnügungssteuer.
I.
1. Nach § 1 des hessischen Vergnügungssteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Vergnügungssteuer vom 15. Juli 1970 (GVBl. I S. 400) sind die Gemeinden berechtigt – vorher waren sie verpflichtet –, eine Vergnügungssteuer als Gemeindesteuer „nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu erheben”. Die Stadt Frankfurt macht davon Gebrauch und erhebt die Vergnügungssteuer nach den Bestimmungen ihrer durch Beschluß vom 24. Juni 1971 zuletzt geänderten und am 1. Juli 1971 neu bekannt gemachten Vergnügungssteuersatzung.
2. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens, die in Frankfurt/M. ein Hotel betreibt, wird von der Stadt Frankfurt/M. für die Veranstaltung von Tanzbelustigungen und das Auftreten eines Alleinunterhalters zur Vergnügungssteuer in Form der Karten- und Flächensteuer herangezogen. Sie hat deshalb in einem verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO, § 11 hess. Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung beantragt, die Satzung der Stadt Frankfurt/M. über die Erhebung einer Vergnügungssteuer in der Fassung vom 1. Juli 1971, soweit diese die Vergnügungssteuer in Form der Karten- und Flächensteuer vorsieht, hilfsweise deren § 2 Ziff. 2 für nichtig zu erklären. Sie hält die Stadt Frankfurt seit dem 1. Januar 1970, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – Finanzreformgesetz – vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 359), durch das Art. 105 Abs. 2 GG neugefaßt und ein neuer Absatz 2a eingefügt wurden, nicht mehr für befugt, eine Vergnügungssteuer zu erheben. Die Länder seien hiernach nur noch zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern ermächtigt, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig seien. Die von der Stadt Frankfurt/M. erhobene Vergnügungssteuer sei sowohl als Kartensteuer als auch als Flächensteuer mit der bundesgesetzlich geregelten Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) gleichartig.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, „ob § 1 des hessischen Gesetzes über die Vergnügungssteuer vom 14. März 1956 (GVBl. S. 83) in der Fassung des hessischen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Vergnügungssteuer vom 15. Juli 1970 (GVBl. I S. 400) mit dem Grundgesetz vereinbar ist”.
Zur Begründung führt der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen aus:
Die Vorschrift sei für die Entscheidung des Normenkontrollverfahrens erheblich. Der Antrag in diesem Verfahren sei begründet, weil die Ermächtigung, auf die sich die Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin stütze, nämlich § 1 hess. VergnStG, wegen Verstoßes gegen Art. 105 Abs. 2a GG ungültig sei. Die Vergnügungssteuer sei zwar eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne dieser Vorschrift. Auch sei sie schon zur Geltungszeit des Art. 105 GG a. F. zu den Steuern mit „örtlich bedingtem Wirkungskreis” gerechnet worden. Sie werde aber, weil sie nach ihren wesentlichen Merkmalen mit der bundesgesetzlich geregelten Umsatzsteuer gleichartig sei, von dem in Art. 105 Abs. 2a GG aufgenommenen Gleichartigkeitsverbot erfaßt, von dem auch die herkömmlichen Gemeindesteuern, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe, nicht ausgenommen seien. Dabei könne unerörtert bleiben, ob das Verbot der Gleichartigkeit nur kompetenzrechtlichen oder auch materiellrechtlichen Charakter habe.
II.
1. Der Bundesminister der Finanzen, der sich für die Bundesregierung zu der Vorlage geäußert hat, hält die zur Prüfung vorgelegte Norm mit dem Grundgesetz für vereinbar. Er ist der Meinung, schon der Vergleich der steuerbegründenden Tatbestände spreche dafür, daß die Vergnügungssteuer nicht mit der Umsatzsteuer gleichartig sei. Ein die Gleichartigkeit ausschließendes besonderes Merkmal der Vergnügungssteuer liege aber jedenfalls darin, daß diese sich in ihrer Anknüpfung und unmittelbaren Wirkung – ebenso wie die Besteuerung der Abgabe von Getränken „zum Verzehr an Ort und Stelle” – auf den örtlichen Bereich, nämlich das Gemeindegebiet, beschränke. Diese örtliche Radizierung reiche jedenfalls aus, um im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG eine Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer auszuschließen. Andernfalls liefe die den Ländern zugewiesene Gesetzgebungskompetenz für die den Gemeinden zustehenden örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern weitgehend leer.
2. Der Hessische Ministerpräsident hält die Vorlage für unzulässig, im übrigen auch für unbegründet. Der zweite Halbsatz des Art. 105 Abs. 2a GG stelle lediglich klar, daß „örtlich” eine Steuer nur sein könne, die über die Anknüpfung an eine örtliche Gegebenheit hinaus auch in ihren Wirkungen örtlich begrenzt bleibe. Bei der Vergnügungssteuer sei das der Fall.
III.
Im Verfahren nach § 24 BVerfGG kann dahinstehen, ob die Vorlage zulässig ist. Sie ist jedenfalls offensichtlich unbegründet.
§ 1 des hessischen Gesetzes über die Vergnügungssteuer ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Maßgebend für diese Beurteilung sind hier dieselben Gründe, aus denen das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom heutigen Tage – 2 BvR 824/74 – die Verfassungsbeschwerde eines Tanzveranstalters gegen die Heranziehung zur Entrichtung von Vergnügungssteuer nach dem Gesetz über die Vergnügungssteuer in Nordrhein- Westfalen zurückgewiesen hat. Danach verstößt die landesrechtliche Regelung der örtlichen Vergnügungssteuer, für die das Land Hessen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besitzt, nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG. Wie der Senat in seiner vorerwähnten Entscheidung näher ausgeführt hat, ist der vom Bundesverfassungsgericht zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Bereich der konkurrierenden Steuergesetzgebung entwickelte Begriff der Gleichartigkeit mit dem in Art. 105 Abs. 2a GG erstmalig in das Grundgesetz eingefügten gleichlautenden Begriff nicht inhaltsgleich. Indessen bedarf es hier keiner abschließenden Entscheidung, wie das in Art. 105 Abs. 2a GG als zusätzliche Beschränkung der Gesetzgebungsbefugnis der Länder aufgenommene Gleichartigkeitsverbot im einzelnen zu definieren ist. Es genügt vielmehr die Feststellung, daß nach der erkennbaren Vorstellung des Verfassungsgebers die herkömmlichen, d. h. jedenfalls die bei Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes am 1. Januar 1970 üblicherweise bestehenden örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, zu denen auch die örtliche Vergnügungssteuer gehört, mit bundesrechtlich geregelten Steuern nicht gleichartig sind.
Fundstellen
Haufe-Index 1697498 |
BVerfGE, 52 |