Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Richtervorlage wegen Kinderbetreuungskosten Alleinstehender
Leitsatz (redaktionell)
Der Vorlagebeschluß des Niedersächsischen Finanzgerichts hinsichtlich der Frage, ob § 33c EStG i. d. F. des StBereinG 1985 (BGBl I 1984, 1493 – EStG 1985), insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, als er Kinderbetreuungskosten Alleinstehender als außergewöhnliche Belastung nicht in der tatsächlich entstandenen Höhe einkommensmindernd berücksichtigt, ist mangels Prüfung, ob § 33c EStG 1985 nicht einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist, unzulässig.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1; BVerfGG § 80 Abs. 2; EStG 1985 § 33c Abs. 1, § 33 Abs. 1, 3, § 53b Abs. 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Beschluss vom 03.10.1985; Aktenzeichen VII 624/84) |
Niedersächsisches FG (Vorlegungsbeschluss vom 09.07.1985; Aktenzeichen VII 624/84) |
Gründe
Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 33 c des Einkommensteuergesetzes i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 (BGBl I 1984, S. 1493 – EStG 1985), der die steuerliche Anerkennung von Kinderbetreuungskosten alleinstehender Steuerpflichtiger als außergewöhnliche Belastung regelt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verstößt.
I.
Durch Art. 3 Nr. 19 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 vom 14. Dezember 1984 wurde § 33 c in das Einkommensteuergesetz eingefügt. Die Vorschrift hat – soweit hier von Interesse – folgenden Wortlaut:
„Kinderbetreuungskosten Alleinstehender
(1) Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt eines Alleinstehenden gehörenden Kindes (§ 32 Abs. 4 Satz 1), das unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und zu Beginn des Kalenderjahrs das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gelten als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33, soweit die Aufwendungen wegen Erwerbstätigkeit erwachsen. Die Aufwendungen können nur berücksichtigt werden, soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten, sportliche und andere Freizeitbetätigungen werden nicht berücksichtigt.
(2) Alleinstehend sind Unverheiratete sowie Verheiratete, die von ihrem Ehegatten dauernd getrennt leben. Als alleinstehend gelten auch Verheiratete, deren Ehegatte nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist.
(3) …
(4) Für Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1 wird bei Alleinstehenden mit einem Kind (Absatz 1 Satz 1) mindestens ein Pauschbetrag von 480 Deutsche Mark im Kalenderjahr abgezogen. Der Pauschbetrag erhöht sich für jedes weitere Kind um 480 Deutsche Mark. Absatz 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.”
Nach der bis 1985 gültigen Gesetzeslage konnte zwangsläufiger Betreuungsaufwand erwerbstätiger alleinerziehender Elternteile nur bis maximal 1.200 DM für eine hauptberufliche und bis 600 DM für eine nur stundenweise beschäftigte Haushaltshilfe berücksichtigt werden.
Mit der Neufassung des § 33 c EStG 1985 wurde zugleich die rückwirkende Geltung der Vorschrift angeordnet. Für den im Ausgangsverfahren im Streit befindlichen Veranlagungszeitraum 1975 bestimmte der durch Art. 3 Nr. 49 Steuerbereinigungsgesetz 1985 eingefügte § 53 b Abs. 3 EStG:
„Für die Kalenderjahre 1971 bis 1979 sind § 33 c und § 50 Abs. 1 letzter Satz hinsichtlich des § 33 c anzuwenden, wenn sich § 33 c zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt; dabei sind Aufwendungen, die durch die Beschäftigung einer Hausgehilfin (Haushaltshilfe) erwachsen sind, insoweit nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 53 a des Einkommensteuergesetzes 1979 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 zu berücksichtigen, als sie Aufwendungen im Sinne des § 33 c Abs. 1 sind. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.”
Danach ist der neu geschaffene § 33 c EStG 1985 rückwirkend nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen anzuwenden. Soweit allerdings Kosten einer Hausgehilfin (Haushaltshilfe) Aufwendungen im Sinne des § 33 c EStG 1985 darstellen, soll eine Berücksichtigung nach § 53 a EStG 1979 entfallen (§ 53 b Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. EStG 1985).
II.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens war verheiratet. Seine Ehefrau starb an den Folgen eines im Jahr 1972 erlittenen Autounfalls. Aus der Ehe ist eine im Jahr 1967 geborene Tochter hervorgegangen.
Bis 1974 legte das Finanzamt der Veranlagung des Klägers den Splittingtarif zugrunde. Ab 1975 wendete es entsprechend der geänderten Gesetzeslage nur noch den zu einer höheren Einkommensteuer führenden Grundtarif an. Hiergegen wandte sich der Kläger und erhob – nachdem die Klage vor den Finanzgerichten erfolglos geblieben war – Verfassungsbeschwerde. Mit Beschluß vom 17. Oktober 1984 (BVerfGE 68, 143) hob das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 3. November 1982 (BVerfGE 61, 319) die von dem Beschwerdeführer angegriffenen finanzgerichtlichen Entscheidungen, welche auf einer bereits als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Regelung beruhten, auf. Die Ausgangsverfahren an die Finanzgerichte wurden zurückverwiesen.
Der Kläger begehrt die steuerliche Anerkennung von 1.050 DM für außer Haus eingenommene Mittagsmahlzeiten seines Kindes und 1.200 DM für die Inanspruchnahme einer Betreuungsperson. Der Kläger ist der Meinung, der die Kinderbetreuungskosten regelnde § 33 c i.V.m. § 53 b Abs. 3 EStG 1985 finde in seinem Fall keine Anwendung, weil er als Witwer nicht zu dem Personenkreis gehöre, für den § 33 c EStG 1985 gelte. Aber selbst wenn § 33 c EStG 1985 anwendbar wäre, dürfe die Vorschrift wegen Verfassungswidrigkeit nicht der Besteuerung zugrundegelegt werden, da in seinem Fall nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung nur der Pauschbetrag von 480 DM zum Ansatz käme, der in keiner Weise der tatsächlichen Belastung Rechnung trage. § 33 c EStG 1985 sei auch deswegen verfassungswidrig, weil die Bestimmung nur Betreuungskosten und nicht auch Kosten für Mittagsmahlzeiten außer Haus anerkenne.
III.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob der aufgrund des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 erlassene § 33 c i.V.m. § 53 b Abs. 3 EStG insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, als er Kinderbetreuungskosten Alleinstehender nicht in der tatsächlich entstandenen Höhe einkommensmindernd berücksichtigt. Zur Begründung führt das Finanzgericht im wesentlichen aus:
Soweit der Kläger Bedenken gegen die Gleichstellung von Alleinstehenden und Witwern äußere und den steuermindernden Abzug von Verpflegungsmehraufwand im Rahmen der Kinderbetreuung geltend mache, werde dem nicht gefolgt. Welcher Personenkreis unter die Begriffsbestimmung des § 33 c EStG 1985 falle, sei in Absatz 2 dieser Vorschrift genau umschrieben. Verwitwete Personen seien zwar in der Gesetzesbestimmung nicht ausdrücklich genannt, diese müßten jedoch durch Auslegung des Begriffes „Unverheiratete” in diese Gruppe mit einbezogen werden. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.
§ 33 c EStG 1985 sei auch nicht deswegen verfassungswidrig, weil die Bestimmung nicht die Absetzbarkeit von Verpflegungsmehraufwand für Kinder von Alleinstehenden regele. Aufwendungen für die Ernährung seien grundsätzlich Lebenshaltungskosten. Eine Verfassungswidrigkeit durch eine steuerliche Nichtberücksichtigung derartiger Aufwendungen könne auch im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 1982 nicht angenommen werden.
Die Vorschrift des § 33 c i.V.m. § 53 b Abs. 3 EStG 1985 sei jedoch insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, als sie gegenüber der bisherigen Regelung keine ausreichende einkommensteuerliche Entlastung der Alleinstehenden bezüglich der Kinderbetreuungskosten erreiche.
Nach der Übergangsvorschrift des § 53 b Abs. 3 EStG 1985 sei § 33 c EStG 1985 auf das Streitjahr 1975 anzuwenden, wenn er sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirke. Bei der Vergleichsberechnung dürften Aufwendungen, die durch die Beschäftigung einer Hausgehilfin erwachsen seien, insoweit nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 53 a EStG 1979 berücksichtigt werden, als sie Aufwendungen im Sinne des § 33 c EStG 1985 seien. Das Finanzgericht verstehe die vom Wortlaut her wohl verunglückte Vorschrift des § 53 b Abs. 3 EStG 1985 dahin, daß Aufwendungen für die Kinderbetreuung nach der alten Regelung bei der Vergleichsberechnung außer Ansatz zu bleiben hätten, wenn die Hausgehilfin neben der Betreuung der Kinder auch typische hauswirtschaftliche Arbeiten ausführe. Sofern durch die letztgenannte Tätigkeit der gesetzlich vorgesehene Freibetrag von 1.200 DM oder 600 DM erschöpft worden sei, solle nunmehr dem Steuerpflichtigen die Gelegenheit gegeben werden, über § 33 c EStG 1985 Kinderbetreuungskosten geltend zu machen.
Eine Auslegung des § 53 b Abs. 3 EStG 1985 dahingehend, daß Aufwendungen für die Beschäftigung einer Hausgehilfin oder Haushaltshilfe nach § 33 c EStG 1985 und nicht nach § 53 a EStG 1979 zu berücksichtigen seien, wenn es sich um typische Kinderbetreuungskosten handele, sei nicht vertretbar. Sofern nämlich ein Abzug von Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 53 a EStG 1979 ausscheide, sei die Bestimmung des § 33 c EStG 1985 immer günstiger. Die von § 53 b Abs. 3 EStG 1985 geforderte Prüfung, ob sich § 33 c EStG 1985 zugunsten des Steuerpflichtigen auswirke, wäre damit überflüssig. Eine Vergleichsberechnung könne daher nur dann einen Sinn haben, wenn die Abzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten anhand der alten und der neuen Rechtsvorschriften untersucht würden. Da der alte § 53 a EStG 1979 auch typische hauswirtschaftliche Arbeiten erfasse, könnten bei der Untersuchung der Frage, welche Regelung günstiger sei, nur die Aufwendungen verglichen werden, die auf die Kinderbetreuung entfielen.
Für den Streitfall bedeute dies, daß dem Kläger 1975 aufgrund der damals geltenden Vorschrift des § 53 a EStG 1979 600 DM für eine Haushaltshilfe zugestanden hätte. Dieser Betrag mindere die Einkünfte in voller Höhe, weil eine Kürzung um die zumutbare Belastung im Rahmen des § 53 a EStG 1979 nicht vorgesehen sei. Demgegenüber bringe die Neuregelung des § 33 c EStG 1985 dem Kläger lediglich eine steuerliche Entlastung in Höhe des Pauschbetrages in Höhe von 480 DM, denn bei ihm müsse der nach § 33 c EStG 1985 vorgesehene Abzug einer zumutbaren Eigenbelastung vorgenommen werden. Hiernach könne bei dem Kläger lediglich jener Betrag angesetzt werden, der 3 vom Hundert des Gesamtbetrags seiner Einkünfte übersteige. Bei dem im Streitjahr 1975 erzielten Einkünften von 55.711 DM müsse er daher bis 1.671 DM an Kinderbetreuungskosten selber tragen. Dies bedeute, daß der Kläger auf den Pauschbetrag von 480 DM angewiesen bleibe.
Damit bringe die Neuregelung keine Verbesserung gegenüber der Vorschrift des § 53 a EStG 1979. Der Kläger werde vielmehr auf die bisherige, vom Bundesverfassungsgericht aber für verfassungswidrig erklärte Vorschrift verwiesen. Ihm wären daher allenfalls 600 DM der insgesamt beantragten 1.200 DM zuzuerkennen. Da das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluß vom 17. Oktober 1984 unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 3. November 1982 die Verfassungswidrigkeit dieser Norm festgestellt habe, sei das Gericht nicht befugt, dem Kläger aufgrund dieser Vorschrift einen bisher nicht gewährten Freibetrag von 600 DM für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe zuzusprechen.
Nach beiden Vorschriften, § 53 a EStG 1979 bzw. § 33 c i.V.m. § 53 b Abs. 3 EStG 1985, könne der Kläger somit nur einen Teil des ihm durch seine Berufstätigkeit zusätzlich entstandenen Betreuungsaufwandes steuerlich absetzen. Da der Gesetzgeber durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aber aufgerufen gewesen sei, Kinderbetreuungskosten in der tatsächlich entstandenen Höhe steuerlich als Minderung des Einkommens zu berücksichtigen, sei zumindest die Anrechnung einer zumutbaren Eigenbelastung verfassungswidrig (vgl. Drenseck, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., 1985, § 33 c Anm. 4 f.). Damit verstoße auch die Neuregelung des § 33 c EStG 1985 i.V.m. § 53 b Abs. 3 EStG 1985 gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG.
IV.
In dem Verfahren haben der Bundesminister der Finanzen namens der Bundesregierung, mehrere Senate des Bundesfinanzhofs und der Kläger des Ausgangsverfahrens Stellung genommen. Nach Meinung des Bundesministers der Finanzen könne eine Interpretation des § 33 c EStG 1985 die Berücksichtigung der zumutbaren Eigenbelastung im Sinne von § 33 Abs. 3 EStG 1985 nicht außer Betracht lassen. Der Bundesfinanzhof ist der Auffassung, die Vorschrift könne verfassungskonform ausgelegt werden. Der Kläger hat im wesentlichen sein Vorbringen im Ausgangsverfahren wiederholt.
V.
Über die Vorlage ist gemäß Art. 8 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl I S. 1442) – ÄndG – nach § 81 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) zu entscheiden.
Der Vorlagebeschluß ist unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht die in Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG geregelte Vorlagepflicht nur dann, wenn das Gericht eine entscheidungserhebliche Gesetzesvorschrift für verfassungswidrig erachtet. Nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muß das vorlegende Gericht in seiner Begründung darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Rechtsnorm abhängt und mit welcher Verfassungsbestimmung diese unvereinbar ist, wobei das Gericht die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm maßgeblichen Erwägungen erschöpfend darzulegen hat (vgl. BVerfGE 78, 165 ≪171 f.≫ m.w.N.).
Das Gericht muß sich zum einen eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen und – soweit Anlaß besteht – die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen zu denkbaren Auslegungsmöglichkeiten erörtern (vgl. BVerfGE 85, 329 ≪333≫; 88, 70 ≪74≫). Weitere mit der angegriffenen Norm in Zusammenhang stehende Vorschriften sind in die rechtliche Würdigung einzubeziehen, sofern sie nur in ihrem Zusammenwirken die entscheidungserhebliche Regelung bilden (vgl. BVerfGE 78, 306 ≪316≫; 80, 96 ≪100 f.≫; 83, 111 ≪116≫). Dabei ist Voraussetzung, daß das Gericht in nachprüfbarer Weise die Tatsachen angibt, die für seine Überzeugung maßgebend gewesen sind (vgl. BVerfGE 17, 135 ≪138 f.≫; 58, 153 ≪158≫; 77, 308 ≪328≫; 80, 68 ≪71≫).
Zum anderen hat das Gericht auch darzulegen, weshalb es von der Unmöglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung und damit von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt ist, denn eine verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen – als Verbindung von Normauslegung und Normenkontrolle – ist Aufgabe eines jeden Gerichts und nicht nur dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (vgl. BVerfGE 48, 40 ≪45≫; 68, 337 ≪344≫; 71, 81 ≪93≫; 78, 104 ≪117≫; 80, 68 ≪72 f.≫; 88, 187 ≪194≫).
Nach diesen Grundsätzen ist der Vorlagebeschluß unzulässig. Das vorlegende Gericht hat nicht erwogen und damit nicht geprüft, ob die für verfassungswidrig gehaltene Norm nicht einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist.
Ausgehend von dem Ansatz, daß der Gesetzgeber durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgerufen gewesen sei, Kinderbetreuungskosten in der tatsächlich entstandenen Höhe steuerlich als Minderung des Einkommens zu berücksichtigen, kommt das Finanzgericht zu dem Ergebnis, damit sei „zumindest die Anrechnung einer zumutbaren Eigenbelastung verfassungswidrig”. Erörterungen darüber, ob dieses Ergebnis durch eine verfassungskonforme Auslegung beseitigt werden kann, fehlen. Hierzu bestand für das Finanzgericht allein schon deshalb Anlaß, weil es selbst auf die Kommentierung von Drenseck (in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., 1985, § 33 c Anm. 4 f.) Bezug nahm, der frühzeitig eine verfassungskonforme Auslegung vertreten hat. Ob der Wortlaut der Vorschrift und der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers wirklich einer solchen Auslegung entgegenstehen, wie das der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme unter Berufung auf BVerfGE 18, 97 ≪111≫; 67, 382 ≪390≫ meint, bedarf hier keiner Entscheidung. Anzumerken ist nur, daß eine verfassungskonforme Norminterpretation nicht an der subjektiven Vorstellung des Gesetzgebers scheitern muß, sofern nur ein Maximum dessen aufrecht erhalten wird, was der Gesetzgeber gewollt hat (vgl. BVerfGE 8, 28 ≪34≫; 9, 194 ≪200≫; 12, 45 ≪61≫; 33, 52 ≪70≫; 49, 148 ≪157≫; 72, 278 ≪295≫ m.w.N.). Es ist jedenfalls hier nicht offensichtlich, daß von vornherein eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift ausscheidet. Ebenso bedarf es keiner Vertiefung, ob eine verfassungskonforme Auslegung des § 33 c EStG 1985 im Hinblick auf den Ansatz einer zumutbaren Belastung möglicherweise deshalb nicht in Betracht kommt, weil sie zu verfassungsrechtlich unverträglichen Ungleichheiten im Verhältnis zwischen Alleinerziehenden mit Kindern und Ehegatten mit Kindern führen könnte. Entscheidend ist, daß das Finanzgericht die Möglichkeit einer entsprechenden Norminterpretation nicht in Betracht gezogen hat und es deshalb an Darlegungen zur Unmöglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung fehlt.
Im übrigen hat das vorlegende Gericht zwischenzeitlich wie auch der Bundesfinanzhof (Urteil vom 10. April 1992 – III R 184/90, BFHE 167, 436) die Vorschrift im Einklang mit Teilen des Schrifttums (Arndt, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 c Anm. B 35; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz, § 33 c Anm. 75; Kanzler, Finanzrundschau 1986, 1; Glanegger, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., 1995, § 33 c Anm. 4 f.) verfassungskonform dahingehend ausgelegt, daß die nach § 33 c EStG 1985 angefallenen zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten Alleinerziehender ohne Kürzung um die zumutbare Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 und Abs. 3 EStG 1985 abziehbar sind. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichts sind damit offensichtlich angesichts der zwischenzeitlich gefundenen verfassungskonformen Auslegung überholt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen