Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Rechtshilfevertrags zwischen Deutschland und Österreich. Rückwirkung völkerrechtlicher Verträge
Leitsatz (amtlich)
Zum Rechtshilfevertrag vom 11. September 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich.
Leitsatz (redaktionell)
1. Artikel 1 Satz 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 11. September 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten vom 29. Juli 1971 (Bundesgesetzbl. II S. 1001) in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c, Artikel 11 Absatz 2 Satz 1, Absatz 4, Absatz 5, Absatz 6 Satz 1 dieses Vertrages ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Eine Rückwirkung des Vertrages auf der völkerrechtlichen Ebene liegt vor, wenn der Beginn seines zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt vor dem Vertragsschluß (Zustandekommen, Existentwerden des Vertrages) festgelegt wird; eine Rückwirkung des Vertrages auf der innerstaatlichen Ebene liegt vor, wenn der Beginn seines völkerrechtlichen zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor der innerstaatlichen Verlautbarung, daß der Vertrag zustandegekommen ist, liegt.
3. Vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, vollstreckbare österreichische Abgabentitel ohne deren materiellrechtliche Überprüfung anzuerkennen und vollstrecken zu lassen, mit dem Grundgesetz vereinbar. Es trifft nicht zu, daß der deutsche Schuldner hilflos möglicherweise willkürlichen Steuerzugriffen eines ausländischen Staates ausgesetzt wäre; vielmehr hat der Schuldner hier ausreichende Möglichkeiten, sich gegen Abgabenforderungen zu wehren, die mit dem Wesensgehalt seiner Grundrechte unvereinbar wären. Daß er sich hierbei nicht auf Verteidigungsmaßnahmen vor deutschen Behörden und Gerichten beschränken, sondern sein Recht auch unter Umständen in Österreich suchen muß, ist sachgerecht und zumutbar.
Normenkette
ZRHiVtrAUTG Art. 1 S. 1; ZRHiVtr AUT Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 11 Abs. 2 S. 1, Abs. 4-6; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Gründe
A.
Der Beschwerdeführer, deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, wendet sich gegen die Vollstreckung österreichischer Abgabenbescheide im Wege der Rechtshilfe durch die deutschen Finanzbehörden in der Bundesrepublik Deutschland.
I.
1. Im Jahre 1965 führte der Beschwerdeführer aus der Bundesrepublik Deutschland mehrmals unversteuerte Zigaretten aus. Er ließ die Warenbegleitscheine bei deutschen Grenzzollämtern an der Grenze nach Österreich erledigen. Die Zigaretten übergab er unter deutscher zollamtlicher Überwachung den ausländischen Käufern. Österreichisches Zollgebiet betrat er nicht. Die Abnehmer versuchten, die Zigaretten nach Österreich einzuschmuggeln. Dabei wurden sie vom österreichischen Zoll festgenommen.
In Österreich wurde der Beschwerdeführer vom Obersten Gerichtshof am 5. Juli 1967 wegen vollbrachten gewerbs- und branchenmäßigen Schmuggels und vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols verurteilt.
Bereits zuvor hatte das Zollamt Innsbruck wegen der Beteiligung an dem Zigarettenschmuggel zwei Abgabenbescheide gegen den Beschwerdeführer erlassen. Sie waren ihm mit eingeschriebenem Brief gegen Rückschein übersandt und ausgehändigt worden. Der Beschwerdeführer hatte schriftlich Berufung eingelegt; sie wurde im Januar 1966 als unbegründet zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde durch Hinterlegung bei der österreichischen Abgabenbehörde zugestellt. Sie erwuchs am 2. Februar 1966 in Rechtskraft; weitere Rechtsbehelfe waren nicht eingelegt worden.
2. Am 11. September 1970 wurde der Vertrag über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich (im folgenden: Rechtshilfevertrag) abgeschlossen, dem der deutsche Gesetzgeber durch Vertragsgesetz vom 29. Juli 1971 zustimmte (Art. 1 Satz 1 des Gesetzes; BGBl. II S. 1001). Der Vertrag trat am 12. Dezember 1971 völkerrechtlich in Kraft (Bekanntmachung vom 17. Dezember 1971, BGBl. 1972 II S. 14). Ein Änderungsvertrag vom 12. Dezember 1979, Zustimmungsgesetz vom 5. September 1980 (BGBl. II S. 1244), ist am 1. Mai 1981 völkerrechtlich in Kraft getreten (Bekanntmachung vom 17. Februar 1981, BGBl. II S. 116).
Der Rechtshilfevertrag ist laut Präambel getragen von „dem Wunsch, die gegenseitige Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten zu regeln”. Gemäß Art. 1 Abs. 1 verpflichten sich die Vertragsparteien, einander auf der Grundlage der Gegenseitigkeit nach den Bestimmungen dieses Vertrages im Bereich der Zollvorschriften und der Vorschriften über Verbrauchsteuern und Monopole, deren Verwaltung jeweils dem Bund obliegt, Rechts- und Amtshilfe zu leisten. Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c ist Rechts- und Amtshilfe auch in Vollstreckungsverfahren zu leisten, im strafrechtlichen Bereich jedoch nur zur Vollstreckung von Geldstrafen, Geldbußen und Kosten.
Art. 4 sieht vor, daß Rechts- und Amtshilfe verweigert werden darf, wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, daß die Erledigung des Ersuchens geeignet ist, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung (ordre public) oder andere wesentliche Interessen seines Landes zu beeinträchtigen.
Nach Art. 7 Abs. 1 ist bei der Erledigung der Ersuchen das Recht des ersuchten Staates anzuwenden. Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 bestimmt, daß Zustellungen im unmittelbaren Verkehr zwischen den Finanz-(Zoll-)behörden der Vertragsstaaten vermittelt werden und die Zustellung eines Schriftstückes durch eine mit der Angabe des Zustellungstages versehene Empfangsbestätigung des Empfängers oder durch eine Bescheinigung der ersuchten Behörde über die Form und die Zeit der Zustellung nachgewiesen werden.
Der Änderungsvertrag vom 12. Dezember 1979 hat einen weiteren Artikel (Art. 10a) in den Rechtshilfevertrag eingefügt. Dort ist bestimmt, daß Bescheide, Entscheidungen und andere Schriftstücke der Finanz-(Zoll-)behörden in Verfahren, die nicht Vollstreckungsverfahren sind, an Personen im anderen Vertragsstaat auch ohne Einschaltung der zuständigen Finanz-(Zoll-)behörden des anderen Vertragsstaates unmittelbar durch die Post zugestellt/Bekanntgegeben werden können, wenn dies nach Art und Inhalt des Schriftstückes zweckmäßig ist. Die Zustellung/Bekanntgabe unter Einschaltung der zuständigen Finanz-(Zoll-)behörde des anderen Vertragsstaates soll dadurch nicht ausgeschlossen werden.
Art. 11 des Rechtshilfevertrages lautet:
Vollstreckung
(1) Dem Ersuchen um Vollstreckung ist eine Ausfertigung des Exekutionstitels (Entscheidung, Rückstandsanzeige, Rückstandsausweis) sowie eine Bescheinigung der zuständigen Oberfinanzdirektion oder der zuständigen Finanzlandesdirektion beizufügen, daß die dem Ersuchen zugrunde liegende Entscheidung unanfechtbar und vollstreckbar ist.
(2) Exekutionstitel, die den Bestimmungen des Absatzes 1 entsprechen, sind von der zuständigen Oberfinanzdirektion oder Finanzlandesdirektion des ersuchten Staates anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Artikel 4 bleibt unberührt.
(3) Die Vollstreckung wird in der Währung des ersuchten Staates durchgeführt. …
(folgen Umrechnungsvorschriften)
(4) Die Exekutionstitel werden in der gleichen Weise wie gleichartige Exekutionstitel des ersuchten Staates vollstreckt.
(5) Über Einwendungen gegen die Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3 sowie gegen die Zulässigkeit oder die Art der Vollstreckung entscheidet die zuständige Behörde des ersuchten Staates nach dessen Recht.
(6) Einwendungen gegen das Bestehen, die Höhe oder die Vollstreckbarkeit des Anspruches, dessen Erfüllung erzwungen werden soll, sind von der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates nach dessen Recht zu erledigen. Werden solche Einwendungen bei der ersuchten Behörde erhoben, so sind sie der ersuchenden Behörde zu übermitteln, deren Entscheidung abzuwarten ist; Maßnahmen zur Sicherung der Vollstreckung können getroffen werden.
3. Im März 1972 ersuchte die Finanzlandesdirektion für Tirol das Hauptzollamt München-Schwanthalerstraße um die Beitreibung von insgesamt 211 136,97 österreichische Schilling Eingangsabgaben und Mahngebühren, die der Beschwerdeführer laut Rückstandsausweis des Zollamts Innsbruck aufgrund der beiden rechtskräftigen Abgabenbescheide schuldete. Die Oberfinanzdirektion München erkannte den Rückstandsausweis als Exekutionstitel an und erklärte ihn für vollstreckbar. Der Schillingbetrag wurde in 29 084,11 DM umgerechnet. Über diesen Betrag erließ das Hauptzollamt München-Schwanthalerstraße ein Leistungsgebot gegen den Beschwerdeführer; aufgrund dessen wurde die Zwangsvollstreckung eingeleitet.
4. Der Beschwerdeführer legte zunächst Beschwerde gegen das deutsche Leistungsgebot ein; sie wurde von der Oberfinanzdirektion zurückgewiesen. Hiergegen erhob er Klage zum Finanzgericht und nach deren Abweisung erfolglos Revision zum Bundesfinanzhof.
II.
Der Beschwerdeführer hält die gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckung und ihre Rechtsgrundlage – Art. 11 des Rechtshilfevertrages in Verbindung mit dem deutschen Zustimmungsgesetz – für unvereinbar mit seinen „ihm jedenfalls über Art. 2 Abs. 1 GG unmittelbar als subjektive Rechte zustehenden Rechten aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip” sowie seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und 103 Abs. 1 GG.
1. Der Beschwerdeführer hält die Erstreckung der Rechtshilfe auf seinen Fall für eine mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Rückwirkung:
Zur Zeit der in Österreich gegen ihn durchgeführten Verfahren habe er sich in Deutschland vor österreichischen Maßnahmen sicher fühlen können. Mangels einschlägiger zwischenstaatlicher Rechtshilfevereinbarungen habe er sich darauf verlassen können, in Deutschland dem Zugriff der österreichischen Behörden entzogen zu sein; deshalb habe er es auch nicht für nötig befunden, sich in diesem Verfahren mit vollem Einsatz zu verteidigen und alle Rechtsbehelfe auszuschöpfen. Es bedeute einen Vertrauensbruch, wenn der deutsche Gesetzgeber durch die Eröffnung der Möglichkeit der Rechtshilfe ihn nunmehr dem Zugriff der österreichischen Abgabenbehörden aussetze.
2. Der Beschwerdeführer sieht ferner in der Gewährung von Rechtshilfe zur Vollstreckung von Abgabenforderungen eines ausländischen Staates einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Er hält eine derartige Rechtshilfe für verfassungsrechtlich unzulässig (unter Bezugnahme auf: Papier/Olschewski, DVBl. 1976, S. 475 (478 f.)):
Im gewaltenteilenden, Grund- und Freiheitsrechte seiner Bürger achtenden Rechtsstaat müsse jeder Eingriff einem bestimmten sachlichen, über die unmittelbare Eingriffswirkung hinausgehenden Zweck dienen. Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz forderten, daß stets zwischen Bedeutung und Gewicht des Eingriffs für den betroffenen Bürger abgewogen werden müsse. Dem Bürger werde die Hinnahme eines Eingriffs immer nur unter der Voraussetzung zugemutet, daß der mit dem Eingriff verfolgte Zweck von größerem Gewicht als sein betroffenes Interesse sei. Die darin liegende Beschränkung der Möglichkeit staatlichen Eingriffs stelle eine wesentliche, unverzichtbare Freiheitsgewährleistung dar.
Diese Gewährleistung entfalle im Bereich der Abgabenerhebung, die ausschließlich der Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs diene. Kennzeichen insbesondere der Steuer sei es gerade, daß sie nicht in Beziehung zu einem bestimmten, einzelnen Zweck erhoben werde, sondern ausschließlich zur Beschaffung allgemeiner Finanzmittel. Bei ihr lasse sich mithin eine die Abwägung ermöglichende Beziehung zwischen dem Gewicht des Eingriffs und dem durch den Eingriff geförderten öffentlichen Interesse nicht herstellen.
Da materielle Verhältnismäßigkeitskriterien für den Abgabeneingriff fehlten, stelle in diesem Bereich das Erfordernis, daß der Zugriff auf das Geld der Bürger nur kraft förmlicher Bewilligung der Legislative gestattet sei, die einzige Beschränkung der öffentlichen Gewalt gegenüber den Grund- und Freiheitsrechten der Bürger dar. Das Erfordernis, daß eine Steuererhebung nur aufgrund Gesetzes erfolgen dürfe, sei folglich unverzichtbar.
Mangels Verknüpfung zwischen Abgabenpflichtigkeit und staatlichen Ausgabenzwecken beruhe die Berechtigung staatlicher Abgabenerhebung im demokratischen Rechtsstaat nicht auf einer besonderen, individuellen Pflichtigkeit des in Anspruch genommenen Bürgers, sondern ausschließlich auf seiner staatsbürgerlichen Stellung als solcher und der damit untrennbar verbundenen Mitwirkungsmöglichkeit an den ihn betreffenden Gesetzesbeschlüssen. Der Steuereingriff sei dem Bürger nur deshalb zuzumuten, weil er auf dem Entschluß eines auch ihn repräsentierenden Gesetzgebungsorgans beruhe.
Hieran aber fehle es, wenn im Wege der Rechtshilfe der Zugriff eines ausländischen Staates wegen einer Abgabenforderung auf einen Deutschen im (deutschen) Inland ermöglicht werde. Das Vertragsgesetz zum Rechtshilfevertrag regle ebensowenig wie der Rechtshilfevertrag die Steuertatbestände und Steuerpflichten, sondern verweise auf die jeweiligen Abgabengesetze der Vertragsstaaten. Die inhaltliche Entscheidung darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Steuerpflicht welchen Inhalts begründet werde, werde ausschließlich vom ausländischen Staat getroffen, an dessen Gesetzgebung der der Rechtshilfemaßnahme ausgesetzte Deutsche nicht im Wege demokratischer Repräsentation beteiligt sei.
3. Der Beschwerdeführer hält die Zwangsvollstreckung auch deshalb für verfassungswidrig, weil die ihr zugrundeliegenden österreichischen Abgabentitel ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden seien. Er hält insbesondere die Zustellung der Abgabenbescheide durch eingeschriebenen Brief für einen Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts und die deutsche öffentliche Ordnung. Die von den deutschen Behörden gewährte Rechtshilfe zur Vollstreckung der Abgabenbescheide verstoße deshalb gegen seine Grundrechte aus Art. 103 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG.
4. Der Beschwerdeführer sieht schließlich Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG als verletzt an (im Anschluß an Papier/Olschewski, a.a.O., S. 479 ff.):
Bei der Vollstreckung österreichischer Abgabenbescheide nach dem Rechtshilfevertrag werde ebensowenig das Bestehen des Abgabenanspruchs wie die Vereinbarkeit der Inanspruchnahme des Abgabepflichtigen mit den deutschen Rechtsvorschriften einschließlich der deutschen Verfassung geprüft. Lediglich im Teilbereich der Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung werde gegebenenfalls deutsches Recht angewendet. Diese Beschränkung sei mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar.
Den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sei bei der Vollstreckung ausländischer Abgabenbescheide im Wege der Rechtshilfe nur dann genügt, wenn auch im Vollstreckungsverfahren die Berechtigung der ausländischen Abgabenforderung unter Berücksichtigung der deutschen Rechts- und Verfassungsvorschriften umfassend geprüft, mithin eine r vision au fond ermöglicht werde.
Dem könne man nicht die Möglichkeit ausländischen Rechtsschutzes entgegenhalten. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG meine Rechtsschutz durch deutsche, an die deutsche Rechtsordnung und Verfassung gebundene Gerichte am Maßstab jedenfalls auch des deutschen Rechts und der deutschen Verfassung. Andernfalls könne der deutsche Gesetzgeber durch schlichte „Anerkennung” ausländischer Entscheidungen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unterlaufen. Das Grundgesetz lasse – Art. 24 GG – nur ausnahmsweise eine Zuweisung von Hoheitsrechten, wozu auch die Gewährung staatlichen Rechtsschutzes gehöre, an nichtdeutsche Hoheitsträger zu.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat für die Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen Stellung genommen:
1. Der Rechtshilfevertrag entfalte keine Rückwirkung. Das Verfahren, gegen das sich der Beschwerdeführer wende, sei erst nach Inkrafttreten des Rechtshilfevertrages eingeleitet worden. Die Einbeziehung bereits entstandener Vollstreckungstitel in eine neue Vollstreckungsregelung sei verfassungsrechtlich unbedenklich.
Im übrigen könne nicht die Rede davon sein, daß ein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers verletzt werde. Zwar habe es beim Abschluß des gegen den Beschwerdeführer in Österreich durchgeführten Verfahrens noch keine Vollstreckungsmöglichkeit in der Bundesrepublik Deutschland für österreichische Abgabenbescheide über Eingangsabgaben gegeben. Jedoch sei bereits im Schlußprotokoll zu dem deutsch-österreichischen Rechtshilfevertrag vom 4. Oktober 1954 über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen (BGBl. 1955 II S. 834) ausdrücklich eine besondere Vereinbarung über Rechtsschutz und Rechtshilfe auch in Zoll- und Verbrauchsteuerangelegenheiten in Aussicht genommen worden. Mit einer derartigen Regelung habe deshalb gerechnet werden müssen.
2. Eine Verletzung des Demokratieprinzips sei nicht ersichtlich. Die Anerkennung und Vollstreckung österreichischer Abgabenbescheide beruhe auf der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, in Anknüpfung an den im Ausland zustandegekommenen Vollstreckungstitel die Leistungspflicht des deutschen Bürgers gegenüber dem ausländischen Staat anzuerkennen und durchzusetzen. Ohne derartige Entscheidungen des deutschen Gesetzgebers sei jede zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe praktisch unmöglich.
3. Die von den österreichischen Behörden vorgenommenen Zustellungen verstießen nicht gegen Völkerrecht.
Die Abgabenbescheide des Zollamts Innsbruck seien dem Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit den österreichischen Rechtsvorschriften in einer Art und Weise zugestellt worden, die auch dem innerdeutschen Zustellungsrecht nicht fremd sei; die deutschen Zollbehörden und Finanzgerichte hätten dieses Verfahren, auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 4 des Rechtshilfevertrages, nicht beanstandet.
Auch habe der Beschwerdeführer die betreffenden Bescheide persönlich erhalten und sich nach Erhalt derselben auf das Verfahren eingelassen, indem er Berufung eingelegt habe.
4. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verlange nicht, daß auch Maßnahmen ausländischer öffentlicher Gewalt der Überprüfung durch deutsche Gerichte unterliegen müßten. Rechtsschutz gegen derartige Maßnahmen komme deshalb allein nach der Rechtsordnung des ausländischen Staates in Betracht.
Im übrigen seien Maßnahmen der deutschen Behörden aufgrund der Anerkennung ausländischer Hoheitsakte ihrerseits jedenfalls im Rahmen des Vorbehalts der öffentlichen Ordnung der Überprüfung durch deutsche Gerichte zugänglich. Eine weitergehende Nachprüfung ausländischer Bescheide auf ihre sachliche Rechtmäßigkeit und die Ordnungsmäßigkeit ihres Zustandekommens sei mit den Bedürfnissen zwischenstaatlicher Zusammenarbeit, die auch ein wesentliches Anliegen des Grundgesetzes selbst sei, nicht vereinbar.
B. – I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Sie greift die Entscheidung des Finanzgerichts und die Revisionszurückweisung durch den Bundesfinanzhof an. Sie erstreckt sich ferner, entsprechend dem Streitgegenstand vor den Finanzgerichten, auf das der Vollstreckung zugrundeliegende Leistungsgebot des Hauptzollamts München-Schwanthalerstraße und auf die diesem zugrundeliegende Entschließung der Oberfinanzdirektion München über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des österreichischen Rückstandsausweises.
2. Die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers ist jedenfalls im Hinblick auf die von ihm als verletzt gerügten Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gegeben.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Verfassungsrechtlich ist die den angegriffenen Akten zugrundeliegende Auslegung und Anwendung des Rechtshilfevertrages als solche nicht zu beanstanden.
In der Auslegung durch den Bundesfinanzhof erfaßt der sachliche Anwendungsbereich des Rechtshilfevertrages gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 11 auch die Rechtshilfe bei der Vollstreckung von unanfechtbaren und vollstreckbaren Vollstreckungstiteln, die vor dem Inkrafttreten des Vertrages wirksam geworden sind. Diese Auslegung ist naheliegend und vertretbar; sie ist deshalb für die verfassungsrechtliche Prüfung zugrundezulegen.
2. Der Rechtshilfevertrag verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG – Rechtsstaatsprinzip – i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG). Eine Rückwirkung in bezug auf den Beschwerdeführer liegt nicht vor:
a) Eine Rechtsnorm entfaltet dann Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist.
Rechtlich existent werden nach deutschem Staatsrecht Normen des geschriebenen Rechts mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung, das heißt regelmäßig im Zeitpunkt der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes. Der (davon zu unterscheidende) Zeitpunkt des Beginns des zeitlichen Anwendungsbereichs wird häufig im Gesetz (Verordnung, Satzung) selbst als der „Tag des Inkrafttretens” bestimmt; für die förmliche Rechtsetzung auf Bundesebene bestimmt Art. 82 Abs. 2 GG hierzu, daß bei Fehlen solcher Bestimmungen ein Gesetz oder eine Verordnung mit dem 14. Tage nach Ablauf des Tages in Kraft treten, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist. Der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs kann einheitlich oder unterschiedlich für einzelne Bestimmungen festgelegt sein.
b) Bei völkerrechtlichen Vertragsnormen ergeben sich Besonderheiten. Sie beruhen darauf, daß völkerrechtliches Verbindlichwerden (der „Abschluß” des Vertrages), völkerrechtliches Inkrafttreten (im Sinne des Beginns des zeitlichen Anwendungsbereichs) und der Zeitpunkt der innerstaatlichen Anwendungsfähigkeit einer Vertragsnorm häufig auseinanderfallen. Innerstaatlich anwendungsfähig wird ein völkerrechtlicher Vertrag nach deutschem Staatsrecht grundsätzlich erst, wenn er auf der völkerrechtlichen Ebene zustandegekommen ist (z. B. durch Austausch der Ratifikationsurkunden) und sein Wortlaut sowie sein Zustandekommen in einem innerstaatlichen Verkündungsorgan verlautbart sind.
Da dieser Zeitpunkt der innerstaatlichen Verkündung des völkerrechtlichen Zustandekommens später liegt als der Zeitpunkt des völkerrechtlichen Zustandekommens und nicht selten später als der Zeitpunkt des (zumeist im Vertragstext selbst bestimmten) völkerrechtlichen „Inkrafttretens”, tritt hier regelmäßig eine rückwirkende Anwendungsfähigkeit des Vertrages ein; denn da ein Vertragsstaat, von Vorwirkungen abgesehen, völkerrechtlich mit dem Abschluß des Vertrages gebunden ist, haben seine Organe, etwa seine Gerichte, den Vertrag spätestens von diesem „völkerrechtlichen”) Zeitpunkt an zu beachten (der ihnen innerstaatlich aber regelmäßig erst später verlautbart wird).
Von dieser generellen Anwendungsfähigkeit des Vertrages insgesamt ist die Frage zu unterscheiden, auf welchen Zeitpunkt der Vertrag selbst sein Inkrafttreten, das heißt den Beginn seines zeitlichen Anwendungsbereichs (oder einzelner seiner Normen) festlegt.
Eine Rückwirkung des Vertrages auf der völkerrechtlichen Ebene liegt vor, wenn der Beginn seines zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt vor dem Vertragsschluß (Zustandekommen, Existentwerden des Vertrages) festgelegt wird; eine Rückwirkung des Vertrages auf der innerstaatlichen Ebene liegt vor, wenn der Beginn seines völkerrechtlichen zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor der innerstaatlichen Verlautbarung, daß der Vertrag zustandegekommen ist, liegt.
c) Für den vorliegenden Fall ergibt sich:
aa) Der am 11. September 1970 unterzeichnete Rechtshilfevertrag kam völkerrechtlich mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden zustande (Art. 18 Abs. 1). Nach seinem Art. 18 Abs. 2 trat er einen Monat nach diesem Austausch in Kraft; der Austausch der Ratifikationsurkunden erfolgte am 12. November 1971. Mit Bekanntmachung vom 17. Dezember 1971 im Bundesgesetzblatt 1972 II, S. 14, ausgegeben am 20. Januar 1972, wurde verlautbart, daß der Vertrag am 12. Dezember 1971 (völkerrechtlich) in Kraft getreten ist. Vom 20. Januar 1972 an war mithin der Vertrag von deutschen Behörden und Gerichten anzuwenden und zwar rückwirkend ab 12. Dezember 1971.
bb) Im Ausgangsverfahren waren die Abgabenbescheide der österreichischen Finanzbehörden nach österreichischem Recht am 2. Februar 1966 bestandskräftig geworden; um ihre Beitreibung nach Maßgabe des Rechtshilfevertrages ersuchten die österreichischen Behörden im März 1972, also zu einem Zeitpunkt, als der Vertrag von deutschen Behörden und Gerichten innerstaatlich angewendet werden durfte (und mußte).
Die Anwendung des Rechtshilfevertrages auf das Beitreibungsersuchen durch die deutschen Behörden und Gerichte im Falle des Beschwerdeführers fällt mithin nicht in den Zeitraum, in dem der Vertrag aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung Rückwirkung entfaltete. Die Verletzung eines verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbotes gegenüber dem Beschwerdeführer scheidet im vorliegenden Fall demnach aus.
cc) Keine Frage des Beginns seines zeitlichen Anwendungsbereichs – und damit keine Frage der Rückwirkung – ist, ob der Rechtshilfevertrag auch auf solche Beitreibungsverfahren anzuwenden ist, denen als Vollstreckungstitel Abgabenbescheide zugrunde liegen, die vor der völkerrechtlichen (12. Dezember 1971) oder der innerstaatlich-deutschen (20. Januar 1972) Anwendbarkeit des Vertrages bestandskräftig geworden sind, wie im vorliegenden Fall. Es ist dies vielmehr eine Frage des sachlichen Anwendungsbereichs des Vertrages.
3. a) Allerdings hat die Anwendung des Rechtshilfevertrages auf den Fall des Beschwerdeführers zur Veränderung einer bereits vor Abschluß und Inkrafttreten des Vertrages bestehenden verfahrensrechtlichen Lage des Beschwerdeführers geführt. In dieser zeitlichen Komponente der sachlichen Anwendungsbreite des Rechtshilfevertrages mögen Auswirkungen für den Grundrechts- und Freiheitsraum des betroffenen Bürgers liegen, die verfassungsrechtlich von erheblichem Gewicht sind. Diese Auswirkungen beruhen jedoch nicht auf der Rückerstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm, mithin nicht auf ihrer Rückwirkung, sondern darauf, daß der Rechtshilfevertrag für die Zukunft (ab seiner innerstaatlichen Anwendbarkeit) auch bereits „vorgefundene” Verfahrensrechtslagen regeln will und damit notwendigerweise auch an in der Vergangenheit liegende Umstände anknüpft.
Rechtsnormen enthalten regelmäßig derartige Anknüpfungen. Denn sie regeln nahezu immer tatbestandlich umschriebene Sachverhalte, die ihre „Vergangenheit” haben, deren Ursachen und Umstände aus Zeiträumen vor dem Inkrafttreten der Norm herrühren. Allein um eines solchen Befundes willen liegt indessen nicht schon eine verfassungsrechtlich unzulässige Anknüpfung vor.
Grundrechte und Rechtsstaatsprinzip ziehen allen Hoheitsakten, die belastend in verfassungsmäßig verbürgte Rechtsstellungen eingreifen, enge Grenzen. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt einmal, daß der Bürger sich darauf verlassen können muß, daß sein dem jeweils geltenden Recht nicht widersprechendes Verhalten auch fürderhin von der Rechtsprechung nicht nachträglich als rechtswidrig qualifiziert wird (BVerfGE 45, 142 (167 f.)); Art. 103 Abs. 2 GG hat dem für das materielle Strafrecht Ausdruck gegeben; dies muß aber auch etwa für Verwaltungsunrecht und zivilrechtliches Deliktsrecht gelten, allgemein für alle belastenden Regelungen, die an ein nachträglich als rechtswidrig deklariertes Verhalten anknüpfen.
Der praktische Schwerpunkt der Problematik liegt indes dort, wo der Gesetzgeber, ohne das frühere Verhalten des Bürgers nachträglich als rechtswidrig zu qualifizieren, an dieses Verhalten oder an sonstige Lebenssachverhalte, die aus der Vergangenheit herrühren, belastende Rechtsfolgen knüpft. Die Lebensbereiche, in denen das geschehen kann, sind vielfältig und unüberschaubar: vom Steuerrecht in all seinen Verzweigungen, über das Berufszulassungsrecht bis hin etwa zum Verwaltungsverfahrensrecht (etwa der „Verschärfung” von Prüfungs- oder Studienordnungen). Hier treffen fundamentale Verfassungsprinzipien aufeinander: auf der einen Seite die Rechtssicherheit, hinter der letztlich der Freiheitswert steht – denn Verläßlichkeit der Rechtsordnung ist wesentliche Voraussetzung für Freiheit, das heißt die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (BVerfGE 60, 253 (268)) –; auf der anderen Seite die unabdingbare Notwendigkeit, die Rechtsordnung ändern, etwa Konjunkturpolitik, Sozialpolitik, Bildungspolitik, Gesellschaftspolitik betreiben zu können, um den Staat handlungsfähig gegenüber dem unvermeidlichen oder politisch gezielt gewollten Wandel der Lebensverhältnisse zu erhalten. Dazu kann es auch erforderlich sein, Normen zu erlassen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Umstände anknüpfen.
b) Der Rechtshilfevertrag verstößt mit dieser Anknüpfung nicht gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG.
aa) Bei den hier zu prüfenden Normen des Rechtshilfevertrages handelt es sich um verfahrensrechtliche Regelungen: Die vertragliche Regelung wurde angesichts dessen getroffen, daß hoheitliches Handeln der Behörden des einen Staates im Hoheitsbereich des anderen Staates ohne dessen Zustimmung grundsätzlich völkerrechtswidrig ist (vgl. W. Rudolf, Territoriale Grenzen der staatlichen Rechtsetzung in Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 11 (1973), S. 7 ff.; Denkschrift der Bundesregierung zu dem Europäischen Übereinkommen vom 24. November 1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland und zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. März 1978 über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland, BRDrucks. 59/80, S. 32 f.; RFHE 17, 159; BFH BStBl. III 1959, S. 181). Rechtshilfevertrag und Zustimmungsgesetz begründen nicht eine (materielle) Steuerpflichtigkeit sondern lediglich eine Eingriffsbefugnis der Vollstreckungsbehörden. Das deutsche Recht enthält sich in diesem Zusammenhang der Regelung einer materiellen Steuerpflicht; zufolge des Rechtsanwendungsbefehls, den das deutsche Zustimmungsgesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG dem Rechtshilfevertrag erteilt hat, ist der Vollstreckungsschuldner lediglich verpflichtet, den Vollstreckungszugriff der deutschen Behörde nach Maßgabe des Art. 11 des Vertrages zu dulden.
bb) Sind mithin die in Rede stehenden Bestimmungen des Rechtshilfevertrages rein verfahrensrechtlicher Art, ist damit gleichwohl nicht schon ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit gegeben. Auch soweit es rein verfahrensrechtliche Bestimmungen betrifft, muß sich das Zustimmungsgesetz zu dem Rechtshilfevertrag an den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes messen lassen; ihre Mißachtung könnte den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzen.
Rechtssicherheit und Vertrauensschutz als verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe sind auch dann gefordert, wenn der Gesetzgeber – sei es auch, wie hier, in der Form eines völkerrechtlichen Vertrages – auf eine bislang gegebene verfahrensrechtliche Lage, in der der Bürger sich befindet, einwirkt. Auch Verfahrensordnungen können Vertrauenspositionen, zumal im Rahmen bereits anhängiger Verfahren oder gegebener Verfahrenslagen begründen. Im Bereich von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren können dem Bürger durch Änderungen der Verfahrensordnungen mit Wirkung für bereits anhängige Verfahren wesentliche Positionen für die aussichtsreiche Wahrung seiner Rechte verkürzt oder abgeschnitten werden. Dabei ist zwischen Bedeutung und Gewicht der verschiedenen Verfahrensregelungen zu unterscheiden. Verfahrensrecht bedeutet nicht selten bloß technische Regelung, „Spielregel”, Ordnungsbestimmung; es kann aber auch elementare Gewährleistungen enthalten.
Die Einführung einer neuen Vollstreckungsmöglichkeit für schon bestandskräftige Akte ist als wesentliche Veränderung einer bisher bestehenden verfahrensrechtlichen Lage des Vollstreckungsschuldners anzusehen. Sie kann den allgemeinen wirtschaftlichen Dispositionen eines Schuldners nachträglich die Grundlage entziehen. Die auf das Vertrauen in den Weiterbestand der gegebenen Vollstreckungsrechtslage gegründete Art und Weise seiner Rechtswahrnehmung in dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren kann ihm hierdurch zum – wirtschaftlichen – Verhängnis werden. Auch wenn in gewissem Umfang das Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen von Verfassungs wegen weniger geschützt ist als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen (etwa im Bereich des Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. BVerfGE 25, 269 (286 ff., 291 ff.); ferner BVerfGE 39, 156 (167) m. w. N.), können doch verfahrensrechtliche Positionen im Einzelfall ihrer Bedeutung und ihres Gewichts wegen im gleichen Maße schutzwürdig sein wie Positionen des materiellen Rechts. So hat das Bundesverfassungsgericht einen nachträglichen Eingriff in die – als Verfahrensrecht qualifizierten – Verjährungsbestimmungen inzident jedenfalls für dann nicht mehr tragbar erklärt, wenn die Verjährung – im Einzelfall der Strafverfolgung – bereits abgelaufen ist; hier werde die Grenze verfassungsrechtlich zulässiger Änderung von Verfahrensrecht überschritten (BVerfGE 25, 269 (286 ff.)).
Auch als rein verfahrensrechtliche Neuregelung muß der Rechtshilfevertrag bereits verfestigte, schutzwürdige verfahrensrechtliche Rechtspositionen des Bürgers ebenso achten, wie eine materiellrechtliche Neuregelung entstandene materiellrechtliche Positionen nach Maßgabe vor allem der Grundrechte zu beachten hat.
cc) Für die Frage des Vertrauensschutzes gegenüber Änderungen von Verfahrensrecht, ist ein wesentlicher Umstand, ob ein rechtlich abgeschlossenes Verfahren vorliegt.
Soweit es um Erkenntnisverfahren geht, setzt hier die materielle Rechtskraft eine Grenze. Weitere Grenzen können, entsprechend dem Gegenstand der Verfahrensregelung, im Abschluß des Rechtszugs, der Rechtshängigkeit und der Anhängigkeit liegen. Derart abgestufte Abgrenzungen nach Einleitung, Verlauf und Beendigung von Verfahren oder von Verfahrensabschnitten können durchaus sachgerecht sein, denn der geregelte „Lebenssachverhalt” ist das Verfahren, nicht der zugrundeliegende, den Streitgegenstand prägende tatsächliche Sachverhalt.
Bei der Zwangsvollstreckung sind demgegenüber zwar Beginn und Beendigung einzelner Vollstreckungsmaßnahmen noch zuverlässig festzustellen; für das Ende der Zwangsvollstreckung, etwa bei erfolglos bleibenden Vollstreckungsversuchen, läßt sich jedoch häufig ein fester Zeitpunkt oder förmlicher Abschluß nicht ausmachen. Entsprechendes gilt in bezug auf den unter Umständen lange währenden Zeitraum, in dem zwar ein vollstreckbarer Titel vorliegt, ein Vollstreckungsverfahren indes noch nicht eingeleitet worden ist.
dd) Auch wenn im Einzelfall ein förmlicher Verfahrensabschluß bei der Zwangsvollstreckung nicht feststellbar ist, stellt sich die Frage des Vertrauensschutzes gleichwohl dann, wenn es, wie im Ausgangsfall, um die Vollstreckbarkeit als solche geht; denn Nichtvollstreckbarkeit bedeutet für den Schuldner zugleich Sicherheit vor dem Zugriff des Gläubigers: Die im Rechtshilfevertrag vom 11. September 1970 eröffnete, bislang nicht gegebene rechtliche Möglichkeit, nunmehr auch österreichische Abgabentitel der in diesem Vertrag festgelegten Art in der Bundesrepublik Deutschland im Wege der Rechtshilfe zu vollstrecken, hat nicht lediglich bislang bestehendes Verfahrensrecht geändert oder erweitert, sondern eine völlig neue generelle Vollstreckungsrechtslage eingeführt.
Dies stellt auch völkerrechtspolitisch einen gewichtigen, in der Staatenpraxis seltenen Schritt dar.
Ein Staat ist nach allgemeinem Völkerrecht grundsätzlich nicht verpflichtet, in seinem Hoheitsbereich die Vornahme oder Vollstreckung von Hoheitsakten eines anderen Staates durch dessen Organe zu dulden (vgl. die Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs im Lotus-Fall, PCIJ Series A, No. 10, S. 18 f., des Internationalen Gerichtshofs im Korfu-Kanal-Fall, ICJ Reports 1949, S. 35 und des Richters Max Huber im Palmas-Fall, ZaöRV Bd. I (1929) Teil 2, S. 3; allgemein vgl. Geck, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet in Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 1960, S. 795 f.) oder dafür – im Wege der Rechtshilfe – seine Hand zu reichen; das Völkerrecht verbietet freilich solche Duldung oder Mithilfe auch nicht; es stellt sie den Staaten frei.
Äußerste Zurückhaltung legen die Staaten zumal dort an den Tag, wo es um die Vollstreckung ausländischer Straferkenntnisse oder um die Beitreibung ausländischer Abgabenforderungen in ihrem eigenen Hoheitsbereich geht. Die Auslieferung zum Zweck der Strafvollstreckung (im ersuchenden Staat) ist hier in aller Regel die äußerste Grenze, bis zu der ein Staat zur Rechtshilfe bereit ist (und gerade für Fiskaldelikte behalten sich die Staaten in Auslieferungsverträgen regelmäßig die Freiheit vor, die Auslieferung zu verweigern). Auch im Abgabenbeitreibungsrecht lehnen sie es in aller Regel ab, den ausländischen Abgabentitel im eigenen Hoheitsbereich zu vollstrecken – von Völkerrechts wegen verwehrt ist es ihnen freilich nicht. Die Praxis der Bundesrepublik Deutschland entspricht insoweit der allgemeinen Staatenpraxis. Immerhin kennt sie im Abgabenrecht einige Ausnahmen: in einzelnen (zumeist Doppelbesteuerungs-) Abkommen ist eine gegenseitige Vollstreckung rechtskräftiger Abgabentitel vereinbart; so z. B. in den Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark vom 30. Januar 1962 (BGBl. 1963 II, S. 1311), mit Frankreich vom 21. Juli 1959 (BGBl. 1961 II, S. 397) oder mit Belgien vom 11. April 1967 (BGBl. 1969 II, S. 17).
Der Rechtshilfevertrag mit Österreich vom 11. September 1970 geht im Hinblick auf die Vollstreckungshilfe besonders weit, indem er – im Bereich der Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten des Art. 1 – Vollstreckungshilfe nicht nur für Abgabentitel sondern auch für die Erkenntnisse im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren, soweit die österreichischen Finanz-(Zoll-)behörden im Dienste der gerichtlichen Strafrechtspflege oder die deutschen Zollbehörden für die Ermittlung zuständig sind, vereinbart; insoweit freilich nur für die Vollstreckung von Geldstrafen, Geldbußen und Kosten (Verhaftungen und Vollstreckung von Freiheitsstrafen sind ausgenommen).
Gänzlich neuartig sind die durch den Rechtshilfevertrag von 1970 eröffneten gegenseitigen Vollstreckungsmöglichkeiten – jedenfalls im Verhältnis zu Österreich – indes nicht; schon der Rechtshilfevertrag von 1954 hatte die Vollstreckungsmöglichkeit für „die öffentlichen Abgaben, soweit sie in den Vertragsstaaten für den Bund, die Länder, die Gemeinden oder die Gemeindeverbände” erhoben werden (Art. 1, 3 ff.), eröffnet; ausgeschlossen waren ausdrücklich die „in den Vertragsstaaten vom Bund verwalteten Verbrauchsteuern sowie die Zölle und Monopolabgaben” (Art. 1 Satz 2). Um eben diese, im Vertrag von 1954 ausgeschlossenen Abgaben, erweitert der Vertrag von 1970 nunmehr die gegenseitigen Vollstreckungsmöglichkeiten. Dies mag als bloße Erweiterung des Kreises vollstreckbarer Titel im Bereich des Abgabenrechts angesehen werden; was bleibt, ist gleichwohl die Schaffung einer neuen (generellen) Vollstreckungsrechtslage bezüglich der Verbrauchsteuern, Zölle und Monopolabgaben.
ee) Hieraus folgt jedoch nicht eine verfestigte, schützenswerte Vertrauensposition dahin, daß „Alt-Titel” nicht dieser neuen Vollstreckungsrechtslage unterworfen werden dürften:
(1) Die bislang (vor Anwendbarkeit des Rechtshilfevertrages 1970) gegebene Lage der Nichtvollstreckbarkeit solcher Titel beruhte nicht auf einem subjektiven Recht oder einer sonstigen, rechtlich geschützten subjektiven Interessenlage des Schuldners. Das völkerrechtliche Verbot, Vollstreckungsakte ohne Einverständnis des betroffenen fremden Staates in dessen Hoheitsbereich vorzunehmen, besteht ausschließlich im Interesse der Staaten als solcher, nicht im Interesse der privaten Einzelnen; diese sind völkerrechtlich nicht in einem Vertrauen darauf geschützt, daß ein solches Einverständnis nicht erteilt werde. Auf eine völkerrechtliche Rechtsposition des privaten Einzelnen läßt sich ein Vertrauenstatbestand mithin nicht gründen. Eine – über Art. 25 GG vermittelte – innerstaatlich beachtliche Rechtsposition besteht aus diesem Grunde nicht.
(2) Aber auch aus der verfassungsrechtlichen Lage ergibt sich ein verfestigter Vertrauenstatbestand, der schützenswert wäre, hier nicht. Die generelle Nichtvollstreckbarkeit ausländischer Abgabentitel ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zunächst eine bloße Gegebenheit, keine Rechtsposition des Bürgers.
Zwar schafft die Abkehr von der generellen Nichtvollstreckbarkeit ausländischer Abgabentitel eine völlig neue Vollstreckungsrechtslage. Sie geht auch in ihrer Wirkung über die bloße Änderung bestehenden Verfahrensrechts hinaus. Doch kommt hier ein Vertrauen auf bestimmte vorgegebene gesetzliche Gewährleistungen und deren Beständigkeit nicht in Betracht.
Es mag von Verfassungs wegen auch Grenzen dafür geben, den sachlichen Anwendungsbereich einer neu eröffneten Vollstreckungsmöglichkeit auf zeitlich weit zurückliegende Vollstreckungstitel zu erstrecken. Doch sind diese Grenzen im Ausgangsfall jedenfalls nicht überschritten:
Einmal mußte bereits aufgrund des deutsch-österreichischen Rechtshilfevertrages von 1954 mit der Einführung der in Aussicht genommenen Vollstreckungsrechtshilfe auch für Abgabentitel in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolsachen gerechnet werden. Hinzu kommt, daß die hier vollstreckten Abgabentitel bei Unterzeichnung des Rechtshilfevertrages von 1970 erst seit wenigen Jahren bestandskräftig waren.
Zum anderen zeichnet sich der Sachverhalt der Vollstreckbarkeit oder Nichtvollstreckbarkeit von – auch ausländischen – Abgabentiteln entscheidend dadurch aus, daß es um die Durchsetzung rechtskräftig oder rechtsbeständig festgestellter materiellrechtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners geht, mögen diese auch gegenüber einem fremden Staat bestehen. Die Regelung, die der Vertrag einführt, ist auch nicht unzumutbar. Zwar ist der Schuldner derartigen verfahrensrechtlichen Änderungen gleichsam ausgesetzt; dieses Ausgesetztsein ist auch zeitlich lang; es ist aber gleichwohl begrenzt. Grundlage der Vollstreckung ist im Regelfall die verfahrensmäßig zustandegekommene, rechtsbeständige förmliche Feststellung der materiellen Leistungspflicht des Vollstreckungsschuldners – bei einem österreichischen Vollstreckungstitel grundsätzlich nicht minder als bei einem inländischen. Das „Ausgesetztsein” des Vollstreckungsschuldners gegenüber Vollstreckungszugriffen beruht mithin letztlich auf dem Umstand, daß der Schuldner den zu vollstreckenden Anspruch nicht befriedigt hat, in einem Zustand der Nichterfüllung verharrt, den er jederzeit durch Leistung beendigen könnte. Damit aber rechtfertigt sich auch seine generelle „Ausgesetztheit” gegenüber den Zugriffen des Gläubigers. Schon vom Ansatz her ist mithin grundsätzlich keine schutzwürdige Position eines Schuldners ersichtlich, generell von Vollstreckungsverfahren verschont zu bleiben. Ein Vertrauen darauf, daß materielles Recht nicht durchgesetzt werde, ist grundsätzlich nicht geschützt.
In der vollstreckungs-verfahrensrechtlichen Lage des Schuldners beim Entstehen des Vollstreckungstitels, in dem Fehlen von Vorschriften über die Möglichkeit von Vollstreckung als solcher und ihr Ausmaß ist nicht eine „wohlerworbene” Verfahrensrechtsstellung des Schuldners zu sehen, die als solche nicht verändert werden dürfte mit der Folge, daß spätere Verfahrensrechtsänderungen sich von Verfassungs wegen zwar auf die Art und Weise schon zuvor gegebener Vollstreckungsmöglichkeiten und verfahrenstechnischen Fragen beziehen, die „erworbene” Verfahrensstellung dem Grunde nach aber nicht mehr antasten dürften.
In diese Richtung geht die Argumentation des Beschwerdeführers, nach der er sich bei Erlaß der österreichischen Vollstreckungstitel darauf verlassen habe, daß diese in der Bundesrepublik Deutschland nicht vollstreckbar seien, und er in diesem Vertrauen geschützt werden müsse. Dem ist entgegenzuhalten, daß die verfahrensrechtliche Regelung der Vollstreckbarkeit im Zeitpunkt des Entstehens des Titels nicht um ihrer selbst willen besteht, sondern nur die verfahrensmäßige Ausgestaltung dessen darstellt, um was es in der Zwangsvollstreckung eigentlich geht, nämlich die Durchsetzung des materiellen Rechts. Die Verfahrensregeln der Zwangsvollstreckung, insbesondere die Regeln über die Möglichkeit der Vollstreckbarkeit selbst und ihr Ausmaß, können deshalb grundsätzlich vom Schuldner nicht im Sinne erworbener Verfahrensstellungen seiner materiellen Erfüllungsverpflichtung entgegengehalten werden. Das bloße Vertrauen auf mangelnde Vollstreckbarkeit oder Vollstreckungshindernisse, das den Schuldner dazu veranlaßt, im Erkenntnisverfahren seine Verteidigung nachlässig zu betreiben, ist nicht schützenswert; das Risiko, daß später doch vollstreckt werden kann, muß er von vornherein tragen.
Das bedeutet für den vorliegenden Fall:
Aus der Sicht des Grundgesetzes mag der Bürger nach Österreich exportieren, dorthin Handel und Geschäfte betreiben und seine Gewinne erzielen; ein Vertrauen darauf, daß österreichische Abgabentitel in der Bundesrepublik Deutschland (unter Beachtung des deutschen Gesetzesvorbehalts) generell nicht vollstreckbar sind oder bleiben, begründet das Grundgesetz nicht.
c) Indessen gibt es verfassungsrechtliche Grenzen für die Einführung der generellen Vollstreckungsmöglichkeit ausländischer Vollstreckungstitel:
Aus dem Rechtsstaatsgrundsatz des Grundgesetzes folgen Mindestanforderungen für die Gewährung von Rechtshilfe durch die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist von Verfassungs wegen nur zulässig, wenn
- das materielle ausländische Abgabenrecht nicht der verfassungsrechtlichen öffentlichen Ordnung (ordre public) der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft, und
- das ausländische Verfahrensrecht, in dem Abgabenverpflichtungen tituliert werden, einem rechtsstaatlichen Mindeststandard an Verfahrensgerechtigkeit genügt.
Welche Anforderungen an Rechtshilfeverträge (oder auch einseitig-deutsche gesetzliche Regelungen nach Art der §§ 722, 723 ZPO oder § 117 AO) hier im Näheren von Verfassungs wegen gestellt sind, kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben: Weder das materielle österreichische Zollabgabenrecht, das Verfahren zur Titulierung solcher Abgabentatbestände noch die Anwendung dieses Rechts im Falle des Beschwerdeführers erwecken insoweit (deutsche) verfassungsrechtliche Bedenken. Im Einzelfall könnte hier im übrigen die Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art. 4 des Rechtshilfevertrages Abhilfe schaffen. Daß im Ausgangsfall von Verfassungs wegen Anlaß bestanden hätte, von diesem Vorbehalt Gebrauch zu machen, ist nicht ersichtlich.
d) An der Regelung des Rechtshilfevertrages bezüglich der hier in Rede stehenden Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen nicht zuletzt auch gewichtige Interessen des Gemeinwohls. Bereits das deutsche Interesse an der Möglichkeit der Vollstreckung deutscher Abgabentitel in Österreich, einschließlich bereits vor Anwendbarkeit des Rechtshilfevertrages bestandskräftig gewordener Abgabentitel oder entstandener Abgabenverpflichtungen, stellt ein derartiges Interesse dar, zumal Österreich einer der wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik Deutschland ist.
e) Danach kann nicht festgestellt werden, daß der Beschwerdeführer in verfassungswidriger Weise in einem schutzwürdigen Vertrauen verletzt worden wäre, weil die deutschen Behörden die gegen ihn ergangenen österreichischen Abgabenbescheide im Wege der Rechtshilfe vollstrecken. Seine Inanspruchnahme stellt sich vielmehr als zumutbarer, auf gesetzlicher Grundlage beruhender Eingriff dar, der der Durchsetzung materiellen Rechts dient.
4. Ob die Verfassungsbeschwerde zulässigerweise auf die Rüge gestützt werden kann, die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Abgabenbescheide sei mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar „No taxation without representation”), kann dahinstehen; diese Rüge griffe jedenfalls nicht durch:
a) Zwar ist im Bereich der Steuergesetze anders als bei den meisten sonstigen Eingriffsermächtigungen eine Verbindung zwischen Eingriffszweck und Eingriffsgewicht im Einzelfall nicht herzustellen und deshalb auch eine konkrete Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne einer Abwägung der jeweiligen Interessen in der Tat nicht möglich.
Daß jedoch mangels demokratischer Repräsentation der Steuereingriff unkontrollierbar weit gehen könnte, trifft schlechthin ebensowenig zu wie die Hoffnung des Beschwerdeführers, demokratische Repräsentation gewährleiste eine hinreichende Begrenzung möglicher Steuereingriffe: Zwar mag sich die demokratisch verfaßte Gemeinschaft insgesamt nicht eine ihren gesammelten gegenwärtigen Interessen widerstreitende übermäßige Steuerbelastung auferlegen; damit ist noch keineswegs gewährleistet, daß nicht im Einzelfall einer Minderheit von der Mehrheit unmäßige Lasten zugemutet oder auf künftige Generationen überwälzt werden.
Die Verankerung des Steuereingriffs in der demokratischen Repräsentation bedeutet deshalb nur einen beschränkt wirksamen Schutz gegenüber unmäßigen Eingriffen.
Dem Steuerzugriff der deutschen Hoheitsgewalt ist durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls eine äußerste Grenze gesetzt: zumindest die erdrosselnde, konfiskatorische Steuer ist verfassungswidrig, in jedem Fall dann, wenn die Auferlegung der Steuerpflicht „den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würden” (BVerfGE 14, 221 (241)), „ein Eingriff in die Kapitalsubstanz” vorläge (BVerfGE 50, 57 (104 ff.)). Ob darüber hinaus aus Art. 14 GG weitere Grenzen der Besteuerungsmöglichkeiten folgen (vgl. P. Kirchhof/H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981)), bedarf für den vorliegenden Fall nicht der Erörterung. Ferner gewährleistet der aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Steuergerechtigkeit (BVerfGE 9, 291 (297 ff.); 50, 57 (76 ff.)) die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen im Rahmen der jeweiligen Steuer; zudem bedeutet er – bei aller Weite der Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers –, daß die jeweiligen Steuertatbestände gewissen Mindestanforderungen an die Sachgerechtheit der Erfassung der jeweils in Anspruch zu nehmenden steuerlichen Leistungsfähigkeit genügen müssen.
b) Von Völkerrechts wegen bestehen für die abgabenrechtliche Inanspruchnahme eines Ausländers Schranken, die weiter reichen können als die Begrenzungen, die das innerstaatliche Recht eines Staates für die Inanspruchnahme eigener Staatsangehöriger zieht; damit kann im Ergebnis auch ein verstärkter Schutz des Ausländers vor dem Zugriff des ihn belastenden fremden Staates gegeben sein (vgl. Bayer, Steuer und Wirtschaft 1981, S. 69 f., 74). Dies ist auch im Zusammenhang mit der Gewährung von Rechtshilfe für ausländische Abgabenforderungen gegenüber Deutschen im Inland durch die Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen.
Für die Auferlegung von Abgaben gegen einen im Ausland lebenden Ausländer, die an einen Sachverhalt anknüpft, der ganz oder teilweise im Ausland verwirklicht worden ist, bedarf es, soll er nicht eine völkerrechtswidrige Einmischung in den Hoheitsbereich eines fremden Staates sein, hinreichender sachgerechter Anknüpfungsmomente für die Abgabenerhebung in dem Staat, der die Abgaben erhebt (vgl. F. A. Mann, The doctrine of jurisdiction in international law, in: Recueil des Cours, 111 (1964 – I), S. 9 ff., 44 ff., 109 ff.). Diese Anknüpfungsmomente und ihre Sachnähe müssen von Völkerrechts wegen einem Mindestmaß an Einsichtigkeit genügen.
Dieses Erfordernis bildet eine wesentliche tatbestandliche Einschränkung der zulässigerweise von einem Staat mit Regelungen seiner eigenen Rechtsordnung zu erfassenden Sachverhalte, eine Begrenzung seiner internationalen Regelungskompetenz. Der rechtlichen Möglichkeit, Ausländer zu Abgaben heranzuziehen, sind durch das Erfordernis der Anknüpfung etwa an die Staatsangehörigkeit, Niederlassung, Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland, die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes im Inland oder die Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolges im Inland deutliche Grenzen gesetzt (vgl. F. A. Mann, a.a.O., S. 109 ff.; Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd. IV, 1936, S. 436 f.; Leisner, Finanzarchiv Bd. 23 (n. F.), 1963/64, S. 319 (321 ff.)). In dem hierdurch gegebenen zusätzlichen Schutz vor steuerlicher Inanspruchnahme mag man einen gewissen Ausgleich für das Fehlen der demokratischen Beteiligung am Zustandekommen des Steuergesetzes sehen. Jedenfalls besteht kein Anlaß, allein im Fehlen der demokratischen Repräsentation bezüglich der einen Deutschen belastenden Abgabenregelung eines fremden Staates einen mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes nicht zu vereinbarenden Übergriff des fremden Staates zu sehen.
c) Die Folgerungen, die der Beschwerdeführer aus dem Demokratiegrundsatz des Grundgesetzes herleitet, würden vor allem die Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich weithin zur Unfähigkeit verurteilen, sich am internationalen Rechtshilfeverkehr zu beteiligen; sie würden weit darüber hinaus auch die Anwendbarkeit fremden Rechts durch deutsche Behörden und Gerichte lahmlegen. Denn diese Folgerungen ließen sich keineswegs auf die Vollstreckung ausländischer Abgabentitel begrenzen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers böte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht den hinreichenden Ausgleich für fehlende demokratische Repräsentation gegenüber der Anwendung ausländischen öffentlichen oder auch bürgerlichen Rechts. Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfaßten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengesellschaft aus (Präambel, Art. 24 bis 26 GG). Auch das Demokratieprinzip des Art. 20 GG ist im Lichte dieser Einordnung zu sehen. Es verwehrt als solches nicht schon die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Hoheitsakte durch deutsche Behörden und Gerichte im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland.
d) Im Ausgangsfall waren hinreichende sachliche Anknüpfungsmomente für die Erhebung des Abgabenanspruchs durch den österreichischen Fiskus gegeben. Der Beschwerdeführer hat nach den Feststellungen der österreichischen Behörden und Gerichte in Mittäterschaft mit auf österreichischem Boden vorgehenden Tätern gehandelt und einen abgabenrechtlich erheblichen Erfolg auf österreichischem Hoheitsgebiet herbeigeführt, nämlich das Verbringen von Schmuggelgut über die Grenze; hinzu kommt, daß der beabsichtigte Erfolg des gemeinschaftlichen Wirkens des Beschwerdeführers und seiner Mittäter eine Schädigung des österreichischen Fiskus, nämlich die Hinterziehung österreichischer Eingangsabgaben und Verbrauchsteuern, war und auch kurzfristig verwirklicht wurde. Auch der gesonderte Handlungsbeitrag des Beschwerdeführers zum gemeinschaftlichen Tun, nämlich die deutsche zollamtliche Abfertigung der Zigaretten für die Ausfuhr nach Österreich zu veranlassen, war gezielt auf den österreichischen Hoheitsbereich abgestellt und gefährdete bereits selbst die zu erwartenden österreichischen Abgabenansprüche.
Aus diesen Gründen ist es völkerrechtlich unbedenklich, daß Österreich gegenüber dem Beschwerdeführer Abgabenansprüche erhebt. Eine derart begründete Abgabenerhebung widerspricht auch nicht der verfassungsrechtlichen öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
e) Es verstößt nach alledem nicht gegen die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes, wenn die deutsche Rechtsordnung durch das Zustimmungsgesetz österreichische Abgabenansprüche anerkennt und für im Inland vollstreckbar erklärt. Einen Mangel an demokratischer Repräsentation in Österreich kann der Beschwerdeführer deshalb, gemessen an den Maßstäben der deutschen Verfassungsordnung, ebensowenig mit Erfolg rügen, wie dies ein Ausländer tun könnte, der von der Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines vergleichbaren Sachverhalts und nach Maßgabe einer entsprechenden Vertragslage in Anspruch genommen würde.
5. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte dadurch rügt, daß die österreichischen Behörden Zustellungsvorschriften verletzt hätten und damit gegen das österreichische Verfahrensrecht und gegen Völkerrecht verstoßen hätten, sind diese Rügen im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde nur insoweit von Bedeutung, als die von den deutschen Fachgerichten und -behörden getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen entweder unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte zustandegekommen sein, auf Willkür beruhen oder eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darstellen könnten.
Die Verletzung einer Zustellungsvorschrift bedeutet nicht schon immer auch eine Verletzung des Grundgesetzes. Dies kann selbst für den Fall nicht angenommen werden, daß die Zustellungen völkerrechtswidrig erfolgt wären oder die deutsche öffentliche Ordnung (ordre public) verletzt hätten und damit Anlaß zur Zurückweisung des Rechtshilfeersuchens gemäß Art. 4 des Abkommens gegeben hätten.
Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten im Verfahren der deutschen Gerichte und Behörden rügt der Beschwerdeführer nicht; es ist auch nichts dergleichen ersichtlich. Daß die deutschen Gerichte und Behörden aufgrund willkürlicher, sachfremder Erwägungen einen Verstoß gegen Völkerrecht und die deutsche öffentliche Ordnung verneint hätten, kann nicht festgestellt werden. Auch die Frage der Verletzung von Völkerrecht, durch die eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland begründet werden könnte (vgl. BVerfGE 58, 1 (34); 59, 63 (89)), stellt sich im vorliegenden Fall nicht, da insoweit ausschließlich das Verhalten österreichischer Staatsorgane in Rede steht.
a) Zwar mag es durchaus fraglich sein, ob die Zustellung der beiden Eingangsabgabenbescheide des Zollamts Innsbruck vom 9. 6. und 16. 6. 1965 mittels eingeschriebenen Briefs als in Deutschland zu bewirkender österreichischer Hoheitsakt völkerrechtlich im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland zulässig war. Zustellungen dieser Art stellen Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet dar und bedürfen der Zustimmung des betroffenen Staates (vgl. die Note des Eidgenössischen Politischen Departments vom 8. Februar 1926, wiedergegeben in: Guggenheim, Repertoire suisse de droit international public, I, S. 376 ff., 378).
Vertragsrechtlich war die unmittelbare Postzustellung zum damaligen Zeitpunkt ebensowenig vorgesehen wie die Zustellung im unmittelbaren Verkehr der Abgabenbehörden. Ihre Einführung – außer für Vollstreckungsverfahren – ist erst das Anliegen des Zusatzvertrages vom 12. Dezember 1979 (vgl. Denkschrift zum Vertrag, II., zu Art. 1 Nr. 3 (BTDrucks. 8/3746)).
Ob insoweit ein „stillschweigendes Einverständnis” der deutschen Behörden genügen konnte, erscheint zweifelhaft, denn es ist durchaus fraglich, ob die hier handelnden deutschen Anerkennungsbehörden im maßgeblichen Zeitpunkt nach deutschem Recht zur Disposition über deutsche Hoheitsrechte gegenüber Österreich befugt waren (vgl. Art. 59 Abs. 1 GG). Auch nach Völkerrecht sind andere als die auswärtigen Organe eines Staates, insbesondere seine untergeordneten Verwaltungsbehörden oder auch seine Gerichte, nicht ohne weiteres vertretungsbefugt, Zustimmungen oder Verzichte solcher Art völkerrechtlich wirksam zu erklären oder konkludent zu bewirken; das Völkerrecht schützt insoweit auch weder einen guten Glauben an die Vertretungsmacht untergeordneter Behörden noch kennt es eine Vermutung zugunsten ihrer Vertretungsmacht.
Selbst wenn es jedoch einen völkerrechtlichen Übergriff bedeutet haben sollte, daß Österreich eigene Hoheitsbescheide ohne Zustimmung der zuständigen deutschen Organe im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland mit der Post zugestellt hat, hätte dies allein jedenfalls eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte des Beschwerdeführers nicht begründet. Dies gilt selbst dann, wenn, wie der Beschwerdeführer vorbringt, ein solcher Völkerrechtsverstoß eine Verletzung allgemeiner Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG darstellt, die Bestandteil des innerstaatlichen deutschen Rechts sind und von deutschen Behörden und Gerichten als objektives, dem Gesetzesrecht vorgehendes und im Rang von Bundesrecht stehendes Recht zu beachten sind (Art. 25 Satz 2 GG). Denn das völkerrechtliche Verbot, Hoheitsakte – ohne Zustimmung oder Duldung des betroffenen Staates – auf fremdem Hoheitsgebiet zu setzen, ist auf der Ebene des Völkerrechts eine ausschließlich staatsgerichtete, dem Schutz der Souveränität als solcher dienende Norm. Art. 25 Satz 2 GG bewirkt zwar, daß sich der Verfahrensbeteiligte im Rahmen der Verfahrensordnungen vor Gericht auch auf solche Normen als objektives Recht berufen kann, und daß diese Normen je nach ihrem Inhalt und dem Streitgegenstand Rechtswirkungen für oder gegen einen Verfahrensbeteiligten haben können; daraus allein erwachsen einem Verfahrensbeteiligten aber nicht schon inhaltlich subjektive Rechte von Verfassungsrang. Auch besagt die hier angesprochene allgemeine Regel des Völkerrechts noch nichts darüber, welche Wirkung völkerrechtswidrig vorgenommenen Zustellungen im innerstaatlichen Bereich des verletzten Staates, hier der Bundesrepublik Deutschland, zukommt.
Im übrigen hat der Beschwerdeführer sich trotz der möglicherweise völkerrechtswidrigen Zustellung der Abgabenbescheide auf das Verfahren in Österreich eingelassen und Rechtsmittel eingelegt. Daß er im Zusammenhang damit bereits eine mögliche Völkerrechtswidrigkeit gerügt hätte, trägt er selbst nicht vor.
b) Bedenken unter dem Grundsatz rechtlichen Gehörs – als Teil der verfassungsrechtlichen öffentlichen Ordnung und eines über Art. 25 GG zu beachtenden, verfahrensrechtlichen Mindeststandards – bezüglich der Zustellung der Berufungsvorentscheidung des Zollamts Innsbruck vom 19. 01. 1966 greifen im Ergebnis gleichfalls nicht durch. Diese Entscheidung wurde lediglich durch Hinterlegung bei der österreichischen Abgabenbehörde zugestellt.
Voraussetzung für diese Zustellungsform ist nach § 100 der österreichischen Bundes-Abgabenordnung (BAO), daß der Zustellungsadressat sich dauernd außerhalb des österreichischen Bundesgebietes aufhält und einer Aufforderung zur Namhaftmachung eines im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten nicht nachgekommen ist. Eine solche Aufforderung ist dem Beschwerdeführer lediglich durch Hinterlegung bei einem Postamt in München zugestellt worden; ein anderer Zustellversuch war gescheitert, weil der Beschwerdeführer seine Wohnung aufgegeben hatte. Bei der Hinterlegung wurde später bei einem zweiten Zustellversuch festgestellt, daß der Empfänger „inzwischen” ebenfalls unbekannt verzogen war; ob er bei Beginn der Hinterlegung noch an der dortigen Anschrift wohnte, ist nicht ersichtlich. Eine Verweigerung der Annahme im Sinn des § 104 BAO, die zur Zustellung durch Hinterlegung berechtigt, lag nicht vor, da der Beschwerdeführer sich nicht zur Frage der Annahme des Schriftstückes geäußert hatte. Ob der Beschwerdeführer bei Hinterlegung des Schriftstückes auf dem Münchner Postamt bereits verzogen war, ist nicht festgestellt (§ 104 Abs. 2 Satz 2 BAO).
Es ist hier nicht zu prüfen, ob die gemäß § 100 BAO erforderliche Aufforderung zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten nach österreichischem Recht ihrerseits nicht ordnungsgemäß zugestellt war und es deshalb für die Zustellung durch Hinterlegung bei der Abgabenbehörde an einer wesentlichen Voraussetzung mangelte. Aber selbst dann, wenn die österreichischen Zustellungsvorschriften nicht ordnungsgemäß befolgt worden sein sollten, ist im Ergebnis ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu verneinen. Denn der Beschwerdeführer, der Rechtsbehelfe ergriffen hatte, hatte jedenfalls die Möglichkeit, hinreichende Vorkehrungen dafür zu treffen, daß die Benachrichtigung (§ 100 BAO) ihn erreichte. Ein verfahrensrechtlicher Mindeststandard ist bei dieser Lage nicht verletzt.
6. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist nicht verletzt.
a) aa) Die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Hoheitsakts in der Bundesrepublik Deutschland kann den Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG betreffen, auch wenn diese Verfassungsvorschrift lediglich die Überprüfbarkeit von Akten deutscher öffentlicher Gewalt gewährleistet (vgl. BVerfGE 58, 1 (26 ff.); 59, 63 (85 ff.)). Denn die Anerkennungsentscheidung und der Vollstreckungszugriff der deutschen Vollstreckungsbehörden stellen Eingriffe der deutschen öffentlichen Gewalt dar.
Im vorliegenden Fall war hiergegen der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben; dabei war auch die Überprüfung der deutschen gesetzlichen Grundlage für die betreffenden Eingriffe eröffnet. Diese Grundlage, die im Zustimmungsgesetz zum Rechtshilfevertrag gegeben ist, fordert als gesetzlichen Tatbestand für die Rechtsfolge „Zulässigkeit der Anerkennung und Vollstreckung” allerdings nur das Vorliegen eines formell ordnungsgemäßen österreichischen Exekutionstitels (Art. 11 Abs. 1 und 2 des Rechtshilfevertrages); als negatives Tatbestandsmerkmal ist zu prüfen, ob die deutsche öffentliche Ordnung oder andere wesentliche deutsche Interessen beeinträchtigt sind (Art. 4 des Rechtshilfevertrages).
Die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit haben im Ausgangsfall den ihnen in diesem Umfang eröffneten Prüfungsbereich ausgeschöpft und Rechtsschutz gewährt. Insoweit ist mithin dem Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Genüge getan, da die deutschen Gerichte das Vorliegen der nach deutschem Recht erforderlichen Tatbestandsmerkmale für die Anerkennung und Vollstreckung der österreichischen Abgabenbescheide beurteilen durften und beurteilt haben. Das Bestehen einer Abgabenschuld nach österreichischem Recht und die Ordnungsgemäßheit des österreichischen Verfahrens haben die deutschen Gerichte materiell nicht geprüft, da sie nicht von Gesetzes wegen tatbestandliche Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung nach den deutschen Vorschriften sind.
bb) Allerdings ist es dem Gesetzgeber im Lichte des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht in beliebigem Umfang gestattet, durch entsprechende Fassung des Tatbestandes der gesetzlichen Eingriffsgrundlage die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung von in der Bundesrepublik Deutschland zu vollstreckenden ausländischen Titeln auf wenige, unter Umständen nur formelle Punkte zu beschränken und damit den wirklichen Gehalt der Entscheidung, soweit sie Rechte im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzen kann, richterlicher Überprüfung vorzuenthalten.
Umfang und Wirksamkeit gerichtlichen Rechtsschutzes kann durch eine entsprechende Fassung des gesetzlichen Anerkennungstatbestandes beschränkt sein, die bereits an das Ergebnis eines (hier: ausländischen) Gesetzanwendungsvorganges anknüpft und dessen Überprüfung jedenfalls im Rahmen der konkret anzuwendenden Norm ausschließt oder beschneidet (vgl. auch BVerfGE 8, 274 (325 f.)).
Unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unbedenklich sind solche Regelungen jedenfalls dann, wenn sie einem im Rang mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gleichwertigen verfassungsrechtlichen Interesse Rechnung tragen, und gerichtlicher Rechtsschutz gegen den „vorgeschalteten” Rechtsanwendungsvorgang anderweitig gewährleistet ist. So dient etwa innerstaatlich das Institut der Bestandskraft oder Rechtskraft staatlicher Entscheidungen der Rechtssicherheit; auch bei der Vollstreckung eines inländischen Urteils oder bestandskräftigen Verwaltungsakts wird grundsätzlich nicht mehr überprüft, ob die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen für ihren Erlaß gegeben waren; Tatbestandsmerkmal des Vollstreckungsrechts, das Grundlage für die Eingriffe im Rahmen der Vollstreckung bildet, ist lediglich das Bestehen eines solchen rechtskräftigen Titels.
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist in diesen Fällen auch insoweit Rechnung getragen, als gerichtlicher Rechtsschutz im Rahmen der Entstehung des Vollstreckungstitels möglich war.
Die Möglichkeit der Überprüfung des Tatbestandes der deutschen Eingriffsgrundlage genügt zwar insoweit den Erfordernissen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG; das Fehlen einer Überprüfungsmöglichkeit bezüglich der materiellen Richtigkeit des zu vollstreckenden (ausländischen) Abgabentitels kann aber ein gewisses Rechtsschutzdefizit im Vergleich zu den Rechtsschutzmöglichkeiten bergen, die in bezug auf die sachliche Richtigkeit inländischer Vollstreckungstitel gegeben und angesichts des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Falle der Ausübung deutscher öffentlicher Gewalt geboten sind.
b) Auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sind deshalb an den Abschluß von Rechtshilfeverträgen durch die Bundesrepublik Deutschland oder vergleichbare Rechtsakte, die die Vollstreckung ausländischer Abgabentitel im Inland ermöglichen, verfassungsrechtliche Mindestanforderungen zu stellen, die dem Grundgedanken des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gerecht werden. Damit ist freilich abzuwägen, daß eine Überprüfung der sachlichen Rechtmäßigkeit der ausländischen Vollstreckungstiteln zugrundeliegenden Entscheidungen durch die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland den Rechtshilfeverkehr der Bundesrepublik praktisch zum Erliegen brächte. An der Aufrechterhaltung dieses Verkehrs aber besteht ein auch verfassungsrechtlich begründetes Interesse der Bundesrepublik Deutschland, nicht zuletzt im Hinblick auf ihre vielfältigen internationalen Beziehungen. Die insoweit aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG entspringenden Mindestanforderungen richten sich deshalb in erster Linie an die institutionelle und verfahrensmäßige Ausgestaltung des Rechtsschutzes. Die Vollstreckbarkeit ausländischer Titel darf von Verfassungs wegen (auch) über den Abschluß von Verträgen grundsätzlich jedenfalls dann eröffnet werden, wenn in bezug auf die im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland zu vollstreckenden Titel ein Maß an Rechtsschutz im Ausland tatsächlich eröffnet war, das gewissen Mindestanforderungen an Rechtsstaatlichkeit genügt. Zu diesem Mindestmaß gehört die Möglichkeit des Rechtswegs vor unabhängige und unparteiische Gerichte, ein Mindestmaß an gehörigem Verfahren, insbesondere die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs und rechtskundigen Beistands sowie eine hinreichende, dem Rechtsschutzbegehren angemessene Prüfungs- und Entscheidungsmacht der Gerichte über das Rechtsschutzbegehren. Wo dies nicht generell gewährleistet erscheint, wird es regelmäßig eines Vorbehalts der deutschen öffentlichen Ordnung bedürfen, um den Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu genügen.
c) Die hiernach von Grundgesetzes wegen zu beachtenden Mindesterfordernisse sind im Fall österreichischer Abgabenbescheide, insbesondere aufgrund der im Ausgangsfall maßgeblichen Vorschriften, gegeben. Dies gilt sowohl für das materielle als auch für das Verfahrensrecht.
Materiellrechtlich beruhte jedenfalls die Abgabenforderung im Ausgangsverfahren auf Abgabenvorschriften, die den Ansprüchen eines strengen Gesetzesvorbehalts genügen und vor dem Hintergrund einer den Grund- und Menschenrechten verpflichteten rechtsstaatlichen Ordnung ergangen sind. Ihr Regelungsanspruch geht auch nicht über das hinaus, was im Hinblick auf hinreichende sachliche Anknüpfungspunkte als völkerrechtlich zulässiger Regelungsbereich des österreichischen Rechts anzusehen ist.
Auch verfahrensrechtlich entspricht der in Österreich gegen Abgabenforderungen mögliche Rechtsschutz Anforderungen, die den Mindesterfordernissen eines rechtsstaatlichen Verfahrens genügen.
d) Hinzu kommt, daß im Fall des Rechtshilfevertrages der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung in Art. 4 des Vertrages es den deutschen Anerkennungsbehörden und Gerichten eröffnet, im Einzelfall die Anerkennung und Gewährung von Rechtshilfe zu verweigern, falls aufgrund der allgemeinen Ausgestaltung der im konkreten Fall maßgeblichen österreichischen Rechtsvorschriften oder ihrer Auslegung und Anwendung durch die österreichischen Stellen nicht gewährleistet erscheint, daß die Gewährung von Rechtshilfe mit der deutschen öffentlichen Ordnung vereinbar ist.
Daß im Ausgangsfall des Beschwerdeführers die deutschen Behörden und Gerichte von diesem Vorbehalt in verfassungswidriger Weise keinen Gebrauch gemacht hätten, ist bereits verneint worden.
e) Vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erscheint deshalb nach alledem die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, vollstreckbare österreichische Abgabentitel ohne deren materiellrechtliche Überprüfung anzuerkennen und vollstrecken zu lassen, mit dem Grundgesetz vereinbar. Es trifft nicht zu, daß der deutsche Schuldner hilflos möglicherweise willkürlichen Steuerzugriffen eines ausländischen Staates ausgesetzt wäre; vielmehr hat der Schuldner hier ausreichende Möglichkeiten, sich gegen Abgabenforderungen zu wehren, die mit dem Wesensgehalt seiner Grundrechte unvereinbar wären. Daß er sich hierbei nicht auf Verteidigungsmaßnahmen vor deutschen Behörden und Gerichten beschränken, sondern sein Recht auch unter Umständen in Österreich suchen muß, ist sachgerecht und zumutbar. Insbesondere angesichts der Entscheidung des Grundgesetzes zu Gunsten einer internationalen Zusammenarbeit und des hinter der Gesamtregelung des Rechtshilfeabkommens stehenden deutschen Interesses, auch in Österreich Rechtshilfe zu erhalten, kann die Anerkennung und Vollstreckung österreichischer Abgabentitel in dem Umfang, den der Rechtshilfevertrag festlegt, unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht beanstandet werden.
III.
Gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG ist die Vereinbarkeit der überprüften Vorschriften mit dem Grundgesetz auszusprechen.
Fundstellen
Haufe-Index 1614392 |
BVerfGE, 343 |
NJW 1983, 2757 |