Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen der berufstätigen Eltern für Kinderbetreuung
Leitsatz (redaktionell)
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß berufstätige, zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten die Kosten für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe zur Kinderbetreuung in den Streitjahren 1984 und 1985 weder bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastung steuerlich absetzen können.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; EStG §§ 9, 33
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 02.10.1989; Aktenzeichen VI B 3/89) |
Niedersächsisches FG (Urteil vom 28.09.1988; Aktenzeichen IX 365/87) |
Gründe
Die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zugrundeliegenden Vorschriften lassen, soweit ihre Prüfung zum Gegenstand des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens gemacht worden ist, einen Grundrechtsverstoß nicht erkennen. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß der mit ihrem berufstätigen Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Beschwerdeführerin die Kosten für die Beschäftigung einer Haushaltshilfe zur Kinderbetreuung in den Streitjahren 1984 und 1985 weder bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten (§ 9 EStG) noch als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) anerkannt worden sind.
1. Zwar mindert die für die Steuerpflichtigen unvermeidbare Sonderbelastung durch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Steuerpflichtigen ohne solche Unterhaltsverpflichtungen, und sie darf deshalb ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG weder vom Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪86 f.≫ m.w.N.) noch – im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten – von der Rechtsprechung unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerfGE 58, 369 ≪374≫). Das bedeutet jedoch nur, daß der Staat bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit den Unterhaltsaufwand für Kinder der Steuerpflichtigen in dem Umfang als Gegenstand der Besteuerung außer Betracht lassen muß, in dem die Unterhaltsaufwendungen zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder erforderlich sind (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪88≫). Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten, die beide berufstätig sind und zur Betreuung eines Kindes in der berufsbedingten Abwesenheit von der Familienwohnung eine Hausgehilfin beschäftigen müssen, in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gegenüber zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Ehegatten mit gleich hohem, aber von einem Ehegatten allein erzieltem Erwerbseinkommen beeinträchtigt sind, weil im letzteren Fall die Kosten für eine Fremdbetreuung regelmäßig eingespart werden können, so gibt es gleichwohl kein Verfassungsgebot, Kinderbetreuungskosten grundsätzlich zum Abzug zuzulassen. Entscheidend ist vielmehr, daß durch den allgemeinen Kinderlastenausgleich (Kinderfreibeträge, Kindergeld) die Aufwendungen der Eltern für ihre Kinder steuerlich – bezogen auf das Existenzminimum – hinreichend abgegolten werden (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪91 f., 95 f.≫). Da unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes elterliche Betreuungsleistungen gleichwertig neben den sonstigen Unterhaltsleistungen durch Bereitstellung der notwendigen Barmittel stehen und es somit verfassungsrechtlich keinen Unterschied macht, ob diese Betreuungsleistungen von den Eltern persönlich erbracht werden oder ob sie eine andere Person, z. B. eine Hausgehilfin, zu ihrer Erfüllung verpflichten (vgl. BVerfGE 47, 1 ≪24≫), kann es keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG darstellen, wenn Kosten für Unterhalt und Betreuung von Kindern im Rahmen des Kinderlastenausgleichs grundsätzlich nur pauschal – ohne Beachtung der Einzelfälle – berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪91 f.≫; auch BVerfGE 84, 348 ≪359 f.≫). Die Verfassungswidrigkeit des allgemeinen Kinderlastenausgleichs ist von der Beschwerdeführerin indessen nicht geltend gemacht worden. Daß für Alleinerziehende bezüglich der Kinderbetreuungskosten andere Maßstäbe gelten, hat das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt (vgl. BVerfGE 61, 319 ≪349 ff.≫).
2. Im übrigen lassen sich auch keine Anhaltspunkte finden, die einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 2 GG begründen könnten.
Eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG ist zwar dann möglich, wenn diejenigen, die eine berufliche Tätigkeit aufnehmen möchten, dazu nur unter der Voraussetzung in der Lage wären, daß sie die Aufwendungen für eine Hausgehilfin steuerlich absetzen könnten (vgl. BVerfGE 47, 1 ≪21 f.≫). Hiervon kann aber bei der Beschwerdeführerin, gemessen an der mit ihrem Ehemann gezeigten steuerlichen Leistungsfähigkeit, keine Rede sein.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Versagung der Abzugsfähigkeit von Kosten einer Haushaltshilfe nicht nur Frauen betrifft (vgl. BVerfGE 43, 213 ≪225≫; 48, 346 ≪365 f.≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
BB 1992, 2349 |
NJW 1993, 647 |