Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegatten als Einheit bei der Kürzung des Vorwegabzugs bei Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG; beschränkter Sonderausgabenabzug von Versicherungsbeiträgen (Streitjahr 1994)
Leitsatz (redaktionell)
1. Dass die vollständige Kürzung des den Ehegatten nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG zustehenden Vorwegabzugs in Höhe von 12.000 DM (sog. übergreifende Kürzung) auch dann vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen nur in der Person eines Ehegatten erfüllt sind, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Ehegatten haben gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest "eheneutral" auswirkt. Auch die Kürzungsregelung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG i. d. F. des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 war eheneutral.
3. Soweit die Verfassungsbeschwerde eine ungenügende Berücksichtigung von Beiträgen zum Ärzteversorgungswerk, zu Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 10 Abs. 3 EStG geltend macht, fehlt vor dem Hintergrund des Urteils des BVerfG zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) und der Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Alterseinkünftegesetz die hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13. 2. 2008, 2 BvR 1220/04 und 2 BvR 410/05).
4. Soweit es um die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Beiträgen zu Krankenversicherungen geht, sind die verfassungsrechtlichen Fragen durch den Beschluss des Zweiten Senats des BVerfG vom 13.2.2008, 2 BvL 1/06 geklärt. Danach hat der Gesetzgeber für eine Neuregelung mit Wirkung zum 1.1.2010 zu sorgen. Vor diesem Hintergrund kann keine für das Streitjahr 1994 günstigere Regelung erreicht werden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die Hälfte der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
1. a) Die Beschwerdeführer sind zusammenveranlagte Ehegatten. Sie haben ein nach § 32 EStG berücksichtigungsfähiges Kind. Im Streitjahr 1994 erzielte die Beschwerdeführerin als Ärztin Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG. Beide Ehegatten erzielten außerdem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG. Dabei wurden jeweils steuerfreie Zukunftssicherungleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG erbracht. Bei der Einkommensteuer machten die Ehegatten Vorsorgeaufwendungen geltend, und zwar Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge der Ehefrau zum Ärzteversorgungswerk, private Krankenversicherungsbeiträge sowie Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungsbeiträge. Das Finanzamt begrenzte den Abzug der Vorsorgeaufwendungen der Höhe nach unter Anwendung von § 10 Abs. 3 EStG. Dabei wurde der den Ehegatten gemeinsam zustehende Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in Höhe von 12.000 DM wegen der hohen Einkünfte des Ehemanns aus nichtselbständiger Arbeit vollständig und übergreifend gekürzt. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht Münster durch Urteil vom 31. Januar 2001 – 2 K 7718/97 E – abgewiesen. Die zum Bundesfinanzhof erhobene Nichtzulassungsbeschwerde war erfolglos (BFH, Beschluss vom 24. Juli 2003 – XI B 51/01 –, BFH/NV 2003, S. 1573).
b) Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer mehrere Grundrechtsverstöße. Zum einen sei die Beschwerdeführerin als selbständige Ärztin wegen der betragsmäßigen Relation von maximal steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG und Höhe des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Ohnehin genügten die abzugsfähigen Höchstbeträge nach § 10 Abs. 3 EStG nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Steuerfreiheit des Existenzminimums. Auch seien die Beiträge der Ehefrau an das Ärzteversorgungswerk und an ihre private Krankenversicherung als Betriebsausgaben und nicht als Vorsorgeaufwendungen zu qualifizieren. Schließlich verstoße die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG.
c) Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesministerium der Finanzen Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
2. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Soweit es insbesondere um Beiträge zum Ärzteversorgungswerk sowie zu Unfall-, Lebens- und Haftpflichtversicherungen geht, fehlt der Verfassungsbeschwerde vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Rentenbesteuerung (BVerfGE 105, 73) und der Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz – AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BGBl I S. 1427) die hinreichende Aussicht auf Erfolg. Insoweit wird auf den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 – 2 BvR 1220/04 und 2 BvR 410/05 – verwiesen.
b) Soweit es um die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Beiträgen zu Krankenversicherungen geht, sind die verfassungsrechtlichen Fragen durch den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 – 2 BvL 1/06 – geklärt. Danach hat der Gesetzgeber für eine Neuregelung mit Wirkung zum 1. Januar 2010 zu sorgen. Vor diesem Hintergrund können die Beschwerdeführer keine für das Streitjahr 1994 günstigere Regelung erreichen. Ihnen war insoweit lediglich eine teilweise Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zuzusprechen (§ 34a BVerfGG).
c) Auch soweit die Beschwerdeführer sich gegen die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs wenden, fehlt ihrer Verfassungsbeschwerde die hinreichende Erfolgsaussicht.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Ehegatten gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im Ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest “eheneutral” auswirkt und wenn die gesetzlichen Vorteile denen zugute kommen, die zu den von der Benachteiligung Betroffenen gehören. Auf dieser Grundlage hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts für frühere Veranlagungszeiträume entschieden, dass die übergreifende Kürzung des Vorwegabzugs nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 GG verstößt (Beschluss vom 16. Januar 1991 – 2 BvR 1400/90 –, HFR 1991, S. 672; vgl. auch BVerfGE 32, 260 ≪269≫; 75, 361 ≪366 f.≫).
bb) Auch die Kürzungsregelung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S. 2310) war eheneutral im genannten Sinne. Die hierzu vom Bundesfinanzhof in der angegriffenen Entscheidung gemachten Ausführungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BFH/NV 1998, S. 1466; BFH/NV 2001, S. 773; BFH BStBl II 2003, S. 650 = BFHE 201, 437).
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1959797 |
BFH/NV Beilage 2008, 245 |
HFR 2008, 753 |