Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus
Leitsatz (amtlich)
1. Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde gegen eine Steuer– Veranlagung kann das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob Art. 2 Abs. 1 GG dadurch verletzt ist, daß die der Veranlagung zugrunde liegende Vorschrift aus formellen Gründen nichtig ist.
2. § 21 Abs. 2 EStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
3. § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (RGBl I S. 99) ist mit dem Grundgesetz und dem Einkommensteuergesetz vereinbar.
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Normenkette
GG Art. 2-3; EStG § 21
Tatbestand
A.
I. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines Einfamilienhauses. Ihre Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Veranlagungen zur Einkommensteuer für 1954 und 1955, soweit diese auf einer Anwendung des § 21 Abs. 2 EStG und des § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (RGBl I S. 99) – im folgenden: VO – beruhen.
Nach § 21 Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 3 Ziff. 6 EStG) auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Dieser Nutzungswert kann nach § 29 Abs. 3 EStG in einem Hundertsatz des zuletzt festgestellten Einheitswerts des Grundstücks bemessen werden. Auf Grund dieser Ermächtigung und des § 12 der Reichsabgabenordnung hat der Reichsminister der Finanzen die Verordnung vom 26. Januar 1937 erlassen, deren § 2 über den Nutzungswert folgendes bestimmt:
„(1) Als Grundbetrag für den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus einschließlich der zugehörigen sonstigen Räume und Gärten (§ 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes) sind die folgenden Hundertsätze des maßgebenden Einheitswerts des Grundstücks (§ 3) anzusetzen:
- 3 vom Hundert, wenn das Gebäude vor dem 1. Januar 1925 bezugsfertig geworden ist;
- 3½ vom Hundert, wenn das Gebäude nach dem 31. Dezember 1924 bezugsfertig geworden ist.
(2) Von dem Grundbetrag sind bis zu seiner Höhe die Schuldzinsen abzusetzen, die mit der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.”
Der Begriff „Einfamilienhaus” ist in § 32 Abs. 1 Ziff. 4 der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz vom 2. Februar 1935 (RGBl I S.81)/22. November. 1939 (RGBl I S. 2271) bestimmt. Danach gelten als Einfamilienhäuser solche Wohngrundstücke, die nach ihrer baulichen Gestaltung nicht mehr als eine Wohnung enthalten; dabei werden Wohnungen, die für das Hauspersonal bestimmt sind, nicht mitgerechnet.
II. 1. Der Einheitswert des Einfamilienhauses der Beschwerdeführer, das nach dem 31. Dezember 1924 bezugsfertig geworden ist, beträgt DM 23 400. Für zwei auf dem Grundstück ruhende Hypotheken entrichteten die Beschwerdeführer im Jahre 1954 DM 1137,50 und im Jahre 1955 DM 2761 – Zinsen. Das Finanzamt hat bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1954 und 1955 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit DM 0,– angesetzt und die den Grundbetrag im Sinne des § 2 VO übersteigenden Schuldzinsen bei der Berechnung der Einkünfte nicht einkommensmindernd berücksichtigt; es ist daher nicht zur Feststellung eines mit anderen Einkünften ausgleichbaren Verlustes gelangt. Nach erfolglosem Einspruch haben die Beschwerdeführer Berufung eingelegt, über die das Finanzgericht noch nicht entschieden hat.
2. Die Beschwerdeführer halten § 21 Abs. 2, § 29 Abs. 3 EStG, § 2 Abs. 2 VO und die darauf beruhenden Veranlagungsbescheide für verfassungswidrig.
§ 21 Abs. 2 EStG sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil nur der Nutzungswert der; Wohnung im eigenen Haus zu den Einkünften gehöre, nicht dagegen der Nutzungswert sonstiger Wirtschaftsgüter. Aus der Nichtigkeit dieser Bestimmung folge die Unwirksamkeit der Verordnung. Diese sei auch deshalb verfassungswidrig, weil der von dem Reichsminister der Finanzen als Ermächtigung in Anspruch genommene § 29 Abs. 3 EStG als eine zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ermächtigende Rechtsvorschrift auf Grund des Art. 129 Abs. 3 GG erloschen sei, § 29 Abs. 3 EStG lasse außerdem eine Besteuerung nach Durchschnittsätzen zu und verstoße damit gegen den Grundsatz der Individualbesteuerung. Der Reichsminister der Finanzen habe ferner durch den Erlaß des § 2 Abs. 2 VO die ihm erteilte Ermächtigung überschritten. Da diese Vorschrift den Abzug der Schuldzinsen beschränke, verstoße sie gegen § 2 Abs. 4 Ziff. 2 EStG. Die nur beschränkte Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen sei auch mit dem System des Einkommensteuerrechts unvereinbar, da. die den Grundbetrag übersteigenden Zinsen beim Schuldner nicht einkommensmindernd berücksichtigt, gleichwohl aber beim Gläubiger als Einkünfte besteuert würden. Schließlich sei die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar; sie benachteilige einmal kapitalschwache Eigentümer von Einfamilienhäusern gegenüber solchen, die das von ihnen bewohnte Einfamilienhaus im wesentlichen mit Eigenkapital finanziert haben; sie benachteilige ferner kapitalschwache Eigentümer von Einfamilienhäusern gegenüber Eigentümern von Mehrfamilienhäusern.
Die Beschwerdeführer beantragen, über die Verfassungsbeschwerde vor Erschöpfung des Rechtswegs zu entscheiden.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundesminister der Finanzen und dem Finanzminister des Landes X Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Bundesminister der Finanzen, der allein Stellung genommen hat, ist der Ansicht, daß die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG nicht vorliegen; er hält im übrigen die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
Mit der Besteuerung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus habe der Gesetzgeber beabsichtigt, den Inhaber einer solchen Wohnung und den Mieter einer Wohnung einander wirtschaftlich möglichst gleichzustellen. Die Nutzung einer Wohnung im eigenen Haus und die Nutzung anderer Wirtschaftsgüter seien, vom Steuerrecht her gesehen, nicht vergleichbare Tatbestände. Die Ermächtigung in § 29 Abs. 3 EStG beruhe auf dem Grundgedanken, daß eine genaue Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus für jeden Einzelfall und für jeden Veranlagungszeitraum praktisch unmöglich sei. Die Besteuerung nach Durchschnittsätzen vereinfache das Veranlagungsverfahren wesentlich. Im Einzelfall könne die Anwendung des § 2 VO zwar zu einem Nutzungswert führen, der höher oder niedriger sei als ein auf individueller Grundlage ermittelter Nutzungswert. In aller Regel trete aber im Laufe eines längeren Zeitraumes ein Ausgleich ein, so daß § 2 VO dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in ausreichender Weise Rechnung trage.
Im übrigen verweist der Bundesminister der Finanzen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Gültigkeit des § 2 VO.
4. Die Beschwerdeführer haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
I. Die Beschwerdeführer haben den Rechtsweg nicht erschöpft, weil das Berufungsverfahren vor dem Finanzgericht noch anhängig ist. Eine Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtswegs ist jedoch geboten.
Wenn § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bestimmt, daß eine Verfassungsbeschwerde erst erhoben werden kann, nachdem der Beschwerdeführer den Rechtsweg erschöpft hat, so liegen dem folgende Erwägungen zugrunde: Nach Möglichkeit soll der von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechtsbeschwer schon durch die Gerichte des zuständigen Gerichtszweiges abgeholfen werden; außerdem soll dem Bundesverfassungsgericht vor seiner Entscheidung Gelegenheit gegeben werden, die Fallanschauung und die Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere des jeweiligen oberen Bundesgerichts, kennenzulernen (vgl. den zur Veröffentlichung bestimmten Beschluß vom 23. Oktober 1958 – 1 BvR 458/58 –, S. 6, 9). Nach dem Sinn des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist daher die Erschöpfung des Rechtswegs objektiv nicht geboten und einem Beschwerdeführer subjektiv nicht zuzumuten, wenn im Hinblick auf eine gefestigte jüngere und einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung auch im konkreten Einzelfall kein von dieser Rechtsprechung abweichendes Erkenntnis zu erwarten ist.
Diese Überlegungen führen dazu, die Beschwerdeführer nicht auf den Rechtsweg zu verweisen. Die Finanzgerichte bejahen übereinstimmend die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 2 VO (Karlsruhe in EFG 1955 Nr. 366; Schleswig-Holstein in EFG 1955 Nr. 367; Hamburg in EFG 1956 Nr. 154; Nürnberg in DStZ (B) 1956 S. 127; Düsseldorf in DStZ (B) 1956 S. 197; München, Urteil vom 20. September 1955-I 331/55 –). Der Bundesfinanzhof hat § 2 Abs. 2 VO stets als rechtsgültig behandelt (vgl. Urteile vom 13. Mai 1954 – BStBl III S. 199 – und vom 9. Dezember 1954 – BStBl 1955 III S. 173 –). In seinem Urteil vom 25. Januar 1957 (BStBl III S. 131) hat er sich eingehend mit den Einwendungen gegen die Rechtsgültigkeit der Verordnung vom 26. Januar 1937, insbesondere der Begrenzung des Schuldzinsenabzugs in § 2 Abs. 2 VO, auseinandergesetzt und ihre Stichhaltigkeit verneint.
Da die Beschwerdeführer bei einer Fortsetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht mit einer anderen Entscheidung rechnen können, sind sie nicht auf den Rechtsweg zu verweisen.
II. Die gegen die Beschwerdeführer ergangenen Steuerbescheide verletzen keine Grundrechte, soweit sie in Anwendung des § 2 Abs. 2 VO den Abzug von Schuldzinsen beschränken.
Eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführer könnte entweder darin liegen, daß § 2 Abs. 2 VO selbst nichtig oder daß § 21 Abs. 2 EStG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist; würde nämlich der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus nicht zu den Einkünften zählen, so ergäbe sich die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen als Sonderausgaben aus § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.
1. § 21 Abs. 2 EStG steht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang.
Der Nutzungswert (Mietwert) der Wohnung im eigenen Haus wurde schon seit jeher in den Einkommensteuergesetzen deutscher Länder zu den Einkünften gerechnet (vgl. z.B. § 28 Abs. 5 des preußischen Gesetzes, betreffend die Einführung einer Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer vom 1. Mai 1851 – GS S. 193 –i § 15 Ziff. 1 des sächsischen Einkommensteuergesetzes vom 2. Juli 1878 – GVBl S. 129 –; § 7 Ziff. 2 des preußischen Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891 – GS S. 175 –; § 7 Abs. 1 des bayerischen Einkommensteuergesetzes vom 14. August 1910 – GVBl S. 493 –). Das (Reichs-) Einkommensteuergesetz vom 29. März 1920 (RGBl S. 359) bestimmte in § 6 Ziff. 2, daß zum Einkommen aus Grundbesitz auch der Wert der Nutzung einer Wohnung im eigenen Haus gehört. Seit dem Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925 (RGBl I S. 189) wird der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus als Teil der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt (§ 6 Abs. 1 Nr. 6, § 38 Abs. 3). Durch das Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1005) hat § 21 Abs. 2 seine heutige Fassung erhalten.
Der Nutzungswert einer Wohnung im eigenen Haus ist von dem Gesetzgeber aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit der Einkommensteuer unterworfen worden. Er ließ sich dabei von der Überlegung leiten, daß das Wohnbedürfnis allgemein ist und daß derjenige, der im eigenen Haus wohnt (Eigenwohner), im Vergleich zu anderen die Aufwendungen erspart, die er machen würde, wenn er sich eine Wohnung mieten müßte (Becker, Das Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925 (1933), Bem. 6 zu § 38; Vangerow, Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (1936) Anm. 7 zu § 21, S. 320); Briedrich in BB 1954 S. 407). Da der Mietzins als Aufwendung für die Lebensführung eine nicht abzugsfähige Ausgabe im Sinne des § 12 EStG ist, hat der Gesetzgeber, der an den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden ist (BVerfGE 6, 55 [70]), die Nutzung der Wohnung im eigenen Haus als Teil der Einkünfte behandelt. Für die verfassungsrechtliche Betrachtungsweise ist es dabei ohne Belang, ob der Ersparnisgedanke dem System des Einkommensteuerrechts entspricht oder ob man im Hinblick darauf, daß das Einkommensteuerrecht ersparte Ausgaben nicht als Einkommen ansieht, mit der herrschenden Meinung den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus als unmittelbare Einnahme betrachtet und damit den Eigenwohner als dem Vermieter gleichgestellt ansieht (RFHE 23, 46 [47]; RFH in StW 1927, Nr. 579, Sp. 824 [826 f]; Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925 (1927), Anm. 36 zu § 6, S. 514, Becker, a.a.O.).
Der Gesetzgeber hat nur den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus als Einkünfte behandelt, während er den Nutzungswert anderer Wirtschaftsgüter nicht zur Einkommensteuer herangezogen hat. Diese Regelung verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG; denn in § 21 Abs. 2 EStG wird nicht willkürlich Gleiches verschieden behandelt, vielmehr ist die Regelung an dem Gedanken der Steuergerechtigkeit orientiert und dient der Verwirklichung dieses Zieles. Der Gesetzgeber hat bewußt darauf verzichtet, allgemein an die Nutzung von Wirtschaftsgütern steuerliche Folgen zu knüpfen. Er hat vielmehr die Allgemeinheit des Wohnbedarfs als Ausgangspunkt gewählt und eine Regelung zu treffen gesucht, die eine ungleiche Behandlung der Eigenwohner und der Mieter vermeidet. Damit ist er innerhalb seines gesetzgeberischen Ermessens geblieben. Er hat sein Ermessen auch nicht dadurch überschritten, daß er das Wohnen im eigenen Wohnwagen oder Hausboot – worauf die Beschwerdeführer hingewiesen haben – nicht dem Wohnen im eigenen Haus gleichgestellt hat. Wie das Bundesverfassungsgericht schon früher ausgesprochen hat, beruht die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen, die nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind. Es ist Sache des gesetzgeberischen Ermessens, zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (BVerfGE 6, 273 [280]).
2. § 2 Abs. 2 VO ist rechtswirksam erlassen worden und mit dem Grundgesetz sowie mit dem Einkommensteuergesetz vereinbar.
a) Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, diese Vorschrift verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz; sie ziehen ferner ihre Gültigkeit in formeller Hinsicht in Zweifel. Damit machen sie geltend, das Finanzamt sei infolge Anwendung des § 2 Abs. 2 VO nicht zur Feststellung eines mit ihren sonstigen Einkünften ausgleichbaren Verlustes aus Vermietung und Verpachtung gelangt und habe sie deshalb auf Grund einer ungültigen und somit nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung gehörenden Rechtsvorschrift zu einer höheren Steuer herangezogen. Die Beschwerdeführer rügen also im Grunde eine Verletzung ihrer durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit durch die Veranlagung zu einer Steuer, die ihrer Höhe nach von einer Rechtsverordnung abhängig ist, die nach Auffassung der Beschwerdeführer nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört (vgl. BVerfGE 6, 32 [41]; 7, 111 [115]).
Zur Handlungsfreiheit, die in umfassendem Sinne durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, gehört auch das Grundrecht des Bürgers, nur auf Grund solcher Rechtsvorschriften zur Steuer herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits im Urteil vom 16. Januar 1957 ausgesprochen hat (BVerfGE 6, 32 [37, 41]), kann sich der Bürger bei Eingriffen der öffentlichen Gewalt in seine Freiheit – auch in seine Freiheit in wirtschaftlicher Hinsicht – auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen, soweit nicht einzelne Lebensbereiche durch besondere Grundrechte geschützt sind. In die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen greift aber die öffentliche Gewalt nicht nur durch Gebote und Verbote, sondern auch durch Auferlegung von Steuern ein.
Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde gegen eine Steuerveranlagung kann das Bundesverfassungsgericht deshalb auch prüfen, ob eine der Veranlagung zugrunde liegende Vorschrift aus formellen Gründen nichtig ist und die Veranlagung damit das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
b) Die Verordnung vom 26. Januar 1937 ist auf Grund des § 29 Abs. 3 EStG wirksam erlassen worden.
(1) Die Verordnung nennt als Ermächtigungsgrundlagen § 12 der Reichsabgabenordnung – damals in der Fassung des § 21 Ziff. 3 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 925) – und § 29 Abs. 3 EStG. Es bedarf keiner Prüfung, ob die letztgenannte Vorschrift – § 12 AO ist durch Art. I Ziff. 2 des Gesetzes zur Änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 11. Juli 1953 (BGBl I S. 511) aufgehoben worden – etwa, wie die Beschwerdeführer meinen, auf Grund des Art. 129 Abs. 3 GG erloschen ist. Denn selbst wenn § 29 Abs. 3 EStG eine Ermächtigung zur Änderung oder Ergänzung des Einkommensteuergesetzes oder zum Erlaß von Rechtsvorschriften an Stelle von Gesetzen im Sinne von Art. 129 Abs. 3 GG enthalten sollte, würde hierdurch die Rechtswirksamkeit der Verordnung vom 26. Januar 1937 nicht berührt werden. Es ist allgemein anerkannt, daß eine im Zeitpunkt ihres Erlasses auf gesetzlicher Grundlage ergangene Rechtsverordnung nicht durch den Fortfall der Ermächtigungsvorschrift in ihrer Gültigkeit berührt wird.
Aus diesen Gründen kommt es auch nicht auf den Einwand der Beschwerdeführer an, § 29 Abs. 3 EStG verstoße als Ermächtigung zu einer Besteuerung nach Durchschnittsätzen gegen den das Einkommensteuerrecht beherrschenden Grundsatz der Individualbesteuerung. Dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 läßt sich im übrigen nichts darüber entnehmen, daß der Grundsatz der Individualbesteuerung einer Besteuerung nach Durchschnittsätzen entgegenstehe. Wenn das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat (BVerfGE 6, 55 [67]), das moderne Einkommensteuerrecht beruhe auf dem Grundsatz der Individualbesteuerung, so ist damit – wie sich aus dem Zusammenhang der Gründe eindeutig ergibt – nur das Prinzip der Haushaltsbesteuerung als Fremdkörper im System des Einkommensteuerrechts charakterisiert worden. Aus den Gründen der Entscheidung kann daher nicht auf die Unzulässigkeit einer Besteuerung nach Durchschnittsätzen geschlossen werden.
(2) Durch den Erlaß des § 2 Abs. 2 VO hat der Reichsminister der Finanzen die Grenzen seines Verordnungsrechts nicht überschritten. Dieser in der steuerrechtlichen Literatur gegen die Gültigkeit der Vorschrift erhobene Einwand ist unbegründet.
§ 29 EStG läßt für bestimmte Gruppen von Einkünften ein vereinfachtes Verfahren zur Feststellung der Besteuerungsgrundlage zu. An Stelle individueller Errechnung tritt ein Pauschalierungsverfahren, das von Durchschnittswerten ausgeht und damit bewußt auf die Festsetzung der Steuer an Hand des speziellen Steuertatbestandes verzichtet. Die Besteuerung nach Durchschnittsätzen beruht auf der von der Rechtsprechung entwickelten Typenlehre. Es wird dabei ein typischer Tatbestand angenommen und die Möglichkeit des Gegenbeweises ausgeschlossen. Der Grundsatz der „individuellen Gleichmäßigkeit” der Besteuerung tritt hinter dem Grundsatz der „generellen Gleichmäßigkeit” zurück (Wacke in StW 1947, Sp. 21 [56 f]; FG Karlsruhe in EFG 1955 Nr. 366; vgl. auch BFH in BStBl 1954 III S. 231 [232]).
Nach § 29 Abs. 3 EStG kann der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus in einem Hundertsatz des zuletzt festgestellten Einheitswerts des Grundstücks bemessen werden. Diese Ermächtigung ist durch das Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1005) geschaffen worden. Sie bezweckt, die Schwierigkeiten zu beheben, die sich in der Praxis bei der Besteuerung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten daraus ergeben hatten, daß der Brutto-Mietwert der Wohnung als fiktive Einnahme erst durch umständliche Schätzungen ermittelt werden mußte. Diese Schätzungen bargen viele Fehlerquellen, weil vergleichbare Ermittlungsfälle in der Regel nicht vorlagen. Ebenso schwierig war auch die Feststellung der Werbungskosten, weil Aufzeichnungen hierüber meist fehlten (vgl. Begründung zum Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 in RStBl 1935 S. 33 [47]; BFH in BStBl 1955 III S. 173 [174]).
Durch die Ermächtigung in § 29 Abs. 3 EStG wurde der Reichsminister der Finanzen nicht auf eine Regelung des. Nutzungswerts beschränkt, die nur die (fiktive) Einnahmeseite betrifft (Brutto-Nutzungswert). Unter Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ist vielmehr der Netto-Nutzungswert zu verstehen, also der Mietwert nach Abzug der Werbungskosten. Dies ergibt sich außer aus dem dargestellten Zweck der Verordnung auch aus dem Wortlaut des Einkommensteuergesetzes. § 21 Abs. 2 EStG verwendet den Begriff „Nutzungswert” im Sinne von Einkünften und damit nach der Terminologie des Gesetzes im Sinne des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 4 Ziff. 2 EStG). Nach § 29 Abs. 1 Ziff. 2 EStG können Durchschnittsätze für die Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung aufgestellt werden. Auch die Ermächtigung des § 29 Abs. 3, der einen Unterfall des § 29 Abs. 1 Ziff. 2 EStG darstellt (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 5. Aufl. (1956), § 21 Anm. 26, S. 941; Hartmann-Böttcher-Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 29 Anm. 10, S. 10; Lademann-Lenski-Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 Anm. 7, S. 8), läßt daher die Bemessung des Netto-Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus in einem Hundertsatz des zuletzt festgestellten Einheitswerts zu (so auch Boeker in DStZ (A) 1955, S. 359 [360]; Bubenzer, StW 1954, Sp. 593 [595]; Friedrich in StW 1954, Sp. 597; Hartmann-Böttcher-Grass, a.a.O.; Lademann-Lenski-Brockhoff, a.a.O.; Littmann, a.a.O.; Vangerow in StW 1957, Sp. 535 [538]; vgl. auch BFH in BStBl 1957 III S. 131; FG Karlsruhe in EFG 1955 Nr. 366).
Wenn § 2 Abs. 1 VO als Grundbetrag für den Nutzungswert der Wohnung einen Hundertsatz des Einheitswerts des Grundstücks vorschreibt, so hält sich diese Regelung eindeutig innerhalb der Grenzen der Ermächtigung des § 29 Abs. 3 EStG. Der Reichsminister der Finanzen hat die Ermächtigung aber auch insoweit nicht überschritten, als er in § 2 Abs. 2 VO den Abzug der Schuldzinsen vom Grundbetrag grundsätzlich zugelassen hat. Wenn § 29 EStG dazu ermächtigt, vom Grundsatz der „individuellen Gleichmäßigkeit” der Besteuerung zugunsten einer „generellen Gleichmäßigkeit” abzusehen, so liegt darin eingeschlossen, daß auf Grund des Verordnungsrechts das nach Durchschnittsätzen gewonnene Ergebnis durch Berücksichtigung individueller Merkmale verbessert werden kann. Dieses Verfahren ist nicht ungewöhnlich. So ist anerkannt, daß ein im Wege der Schätzung gewonnenes Buchführungsergebnis nach individuellen Merkmalen des Steuerpflichtigen berichtigt werden kann. Der Reichsminister der Finanzen hat schließlich auch durch die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs auf die Höhe des Grundbetrages die Ermächtigung des § 29 Abs. 3 EStG nicht überschritten. Da er nach dieser Vorschrift befugt war, auf die Berücksichtigung individueller Steuermerkmale überhaupt zu verzichten, kann er die Grenzen seiner Ermächtigung nicht dadurch überschritten haben, daß er individuelle Besteuerungsmerkmale nur begrenzt berücksichtigt hat. Ob hierin etwa ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt, ist an dieser Stelle noch nicht zu prüfen.
Da mithin § 2 Abs. 2 VO bereits in § 29 Abs. 3 EStG eine gesetzliche Grundlage besitzt, braucht nicht untersucht zu werden, ob sich die getroffene Regelung im Rahmen des § 12 AO hält.
c) Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs auf die Höhe des Grundbetrages im Sinne von § 2 Abs. 1 VO verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG. § 2 Abs. 2 VO kann nicht isoliert am Gleichheitssatz gemessen, muß vielmehr im Zusammenhang mit Abs. 1 gewürdigt werden, einer Vorschrift, die sich im allgemeinen für die Eigentümer von Einfamilienhäusern günstig auswirkt.
§ 2 VO beruht auf folgenden Erwägungen: Die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus mit einem Hundertsatz des Einheitswerts und die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs beruhen auf dem Prinzip der Kapitalnutzung, einem Gedanken, der in der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis entwickelt worden ist, um den Schwierigkeiten zu begegnen, die einer Ermittlung des Nutzungswerts regelmäßig entgegenstehen. Danach wird als Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ein Betrag angesetzt, bei dem unter Berücksichtigung des regelmäßigen Aufwands für den Inhaber, auf längere Sicht gesehen, noch eine angemessene Verzinsung des in dem Haus angelegten Kapitals bleibt. Der Aufwand für das Haus (Werbungskosten), der im Einzelfall von den Einnahmen abzusetzen wäre, bleibt außer Betracht; statt dessen wird ein Durchschnittsatz für den Netto-Nutzungswert aufgestellt. Als angelegtes Kapital sieht die Verordnung den Einheitswert für das Grundstück an. Mit dem Hundertsatz von 3 oder 3½ v.H. wird zum Ausdruck gebracht, daß der Eigenwohner einen Nettonutzen in dieser Höhe hat. Ist das Einfamilienhaus nur mit Eigenkapital errichtet worden, so gelten diese Hundertsätze uneingeschränkt. Ist in dem Grundstück auch Fremdkapital angelegt, so müßte nach dem Grundgedanken der Verordnung folgerichtig das Fremdkapital vom Gesamtkapital (Einheitswert) abgezogen und auf den Unterschiedsbetrag der maßgebliche. Hundertsatz angewandt werden. Aus Gründen der Vereinfachung hat die Verordnung den Abzug der Schuldzinsen von der Reinverzinsung des Gesamtkapitals zugelassen und damit eine Regelung getroffen, die für den Steuerpflichtigen günstiger ist, weil der Zinsfuß für Fremdkapital durchweg höher liegt als die Hundertsätze von 3 oder 3½ v. H. Auch der Eigentümer eines Einfamilienhauses, das im wesentlichen mit Fremdkapital errichtet worden ist, würde im Falle der Vermietung des Grundstücks einen Mietzins zu berechnen suchen, der mindestens seinen laufenden Aufwand einschließlich der Schuldzinsen decken würde.
Dieser Zweck der Verordnung, von dem auch die steuerrechtliche Literatur allgemein ausgeht, ergibt sich, soweit er nicht schon im Wortlaut selbst zum Ausdruck gelangt, aus dem vom Reichminister der Finanzen gleichzeitig mit der Verordnung veröffentlichten Runderlaß vom 26. Januar 1937 über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (RStBl S. 161). Sowohl die Verordnung wie der Runderlaß sind von derselben Stelle an demselben Tage erlassen worden. Dies rechtfertigt es, den Inhalt des Runderlasses wie eine amtliche Begründung der Verordnung anzusehen (BFH in BStBl 1955 III S. 173 [174 f.]), zumal das autoritäre Regime die im Rechtsstaat wesentliche Unterscheidung zwischen Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift nicht scharf durchgeführt hat.
Der geschilderte Zweck der Verordnung schließt es aus, in der Begrenzung des Schuldzinsenabzugs eine willkürliche Regelung zu erblicken. Vielmehr soll § 2 Abs. 2 VO gerade dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen. Dies kommt in dem Runderlaß vom 26. Januar 1937 (RStBl S. 161 [163]) eindeutig zum Ausdruck, der hierzu folgendes ausführt:
„Auch wenn der Inhaber der Wohnung eigenes Kapital in dem Grundstück nicht angelegt hat, entspricht die Regelung dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Ein Steuerpflichtiger, der eine Mietwohnung innehat, darf den Wohnungsaufwand, zu dem insbesondere die Mietzinsen gehören, bei Ermittlung seines Einkommens nicht absetzen. Bei der Wohnung im eigenen Haus treten an die Stelle der Mietzinsen die Zinsen für das im Haus angelegte Fremdkapital und die Kosten der Erhaltung des Hauses. Würde man dem Inhaber der Wohnung im eigenen Haus den Abzug der Schuldzinsen auch insoweit gestatten, als sie den Grundbetrag (3 oder 3½ v. H. des Einheitswerts) übersteigen, so käme dies im Ergebnis einem Abzug des Wohnungsaufwands gleich. Das würde eine Begünstigung dieser Steuerpflichtigen gegenüber denjenigen sein, die in gemieteten Räumen wohnen.”
Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs ist auch eine zur Verwirklichung der steuerlichen Gerechtigkeit geeignete Maßnahme. Dies kann nicht mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, daß ein Mieter, der den Mietzins durch die Aufnahme eines Darlehens bestreitet, im Gegensatz zum Eigentümer eines Einfamilienhauses die hierfür aufgewandten Zinsen von seinen Einnahmen absetzen kann. Hierbei wird übersehen, daß ein solches Darlehen des Mieters wirtschaftlich einen anderen Charakter hat als ein Kredit, den der Eigentümer eines Einfamilienhauses zum Zwecke des Grundstückserwerbs oder des Hausbaues aufgenommen hat. Der Mieter, der die Miete mit Mitteln eines Darlehens zahlt, schiebt die Zahlung seines Mietzinses aus eigenen Mitteln lediglich auf. Erst mit der Rückzahlung des Darlehens tilgt er – wirtschaftlich gesehen – seine Mietschulden. Demgegenüber erwirbt der Eigentümer in dem Maße, wie er seine Schulden abträgt, lastenfreies Eigentum. Dies rechtfertigt eine verschiedene steuerliche Behandlung der Schuldzinsen beim Mieter und beim Eigenwohner (so auch FG Karlsruhe in EFG 1955 Nr. 366).
Die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 2 Abs. 2 VO stellt im Hinblick auf die günstige Regelung des § 2 Abs. 1 VO keine gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Benachteiligung der Eigentümer von Einfamilienhäusern gegenüber den Eigentümern von Mehrfamilienhäusern dar. Die Gesamtregelung des § 2 VO ist im Gegenteil in aller Regel den Eigentümern von Einfamilienhäusern günstig. Da auch heute noch für den Einheitswert die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen sind (§ 3a Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum. Reichsbewertungsgesetz in der Fassung des Art. I Ziff. 5 der Verordnung vom 22. November 1939 – RGBl I S. 2271 –), liegen die Einheitswerte wesentlich unter den Verkehrswerten. Zugunsten der Eigentümer von Einfamilienhäusern wirkt sich auch die in § 2 Abs. 1 VO zugrunde gelegte geringe Nettoverzinsung von 3 oder 3 ½ v. H. aus. Schließlich ist es für die Steuerpflichtigen vorteilhafter, daß zur Ermittlung des Nutzungswerts die Schuldzinsen von der Reinverzinsung des Gesamtkapitals (Einheitswert) abgezogen werden, als daß zunächst das Fremdkapital von dem Gesamtkapital abgesetzt und der jeweilige Hundertsatz von dem Differenzbetrag errechnet würde, wie es wohl dem Grundgedanken der Verordnung eher entsprochen hätte. Im Gegensatz dazu wird Hauseigentümern, die im eigenen Mehrfamilienhaus eine Wohnung haben, der Nutzungswert mit der üblichen Miete angesetzt, wie sie auch Fremdmieter zahlen; diese Miete ist aber in aller Regel höher als der Nutzungswert nach § 2 VO (vgl. BFH in BStBl 1957 III S. 131 f.)
§ 2 Abs. 2 VO enthält schließlich keine Verletzung des Gleichheitssatzes zum Nachteil solcher Eigentümer, deren Einfamilienhäuser in erheblichem Umfang mit Fremdkapital finanziert worden sind. Zwar kann sich § 2 VO auf die Eigentümer von Einfamilienhäusern verschieden auswirken. Wenn Eigentümer, die ihr Einfamilienhaus mit erheblichem Fremdkapital gebaut oder erworben haben, schlechter stehen als Eigentümer, bei denen die Zinsen des Fremdkapitals den Grundbetrag nicht übersteigen, so handelt es sich hierbei um Nachteile, die einer Besteuerung nach Durchschnittsätzen regelmäßig anhaften. Da sich die hypothekarische Belastung eines Grundstücks durch Tilgung der gesicherten Forderung verringert, werden nach allgemeiner Lebenserfahrung die Ergebnisse der einzelnen Jahre im Gesamtnutzungszeitraum ausgeglichen (vgl. Littmann, a.a.O., § 21 Anm. 26, S. 940 f; FG München, Urteil vom 20. September 1955 – I 331/55 –). Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob eine Besteuerung nach Durchschnittsätzen, die eine Belastung mit Zinsen für Fremdkapital überhaupt nicht berücksichtigen würde, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstieße; die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs auf die Höhe des Grundbetrages ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Kapitalverzinsung sachlich gerechtfertigt und verletzt daher nicht den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
d) § 2 Abs. 2 VO ist mit dem Einkommensteuergesetz vereinbar.
Das Einkommensteuergesetz bezeichnet, in § 2 Abs. 4 Ziff. 2 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten und behandelt Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, als Werbungskosten (§ 9 Satz 3 Ziff. 1). Nach der allgemeinen Regel des Einkommensteuergesetzes würden daher Schuldzinsen, die mit der Nutzung der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, in voller Höhe die (fiktiven) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mindern. Wenn § 2 Abs. 2 VO durch die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs eine von § 2 Abs. 4 Ziff. 2 EStG abweichende Regelung getroffen hat, so ist diese Vorschrift trotzdem nicht verletzt. Denn der Gesetzgeber hat durch die Ermächtigung, den Netto-Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus – also den Brutto-Mietwert nach Abzug der Werbungskosten – in einem Hundertsatz des Einheitswerts zu bemessen, den Erlaß von Rechtsvorschriften zugelassen, die von dem – Grundsatz des § 2 Abs. 4 Ziff. 2 EStG abweichen. Im Hinblick auf die von dem Gesetzgeber in § 29 Abs. 3 EStG getroffene besondere Regelung ist es verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn die genannten Schuldzinsen einerseits als Einkünfte des Gläubigers behandelt werden, andererseits beim Schuldner nur in begrenzter Höhe abzugsfähig sind. Da die Besteuerung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus eine Besonderheit im System der Einkommensermittlung darstellt, kann sie nicht ohne weiteres mit den allgemeinen Maßstäben des Einkommensteuerrechts gemessen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1029631 |
BStBl I 1959, 68 |