Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Zahlungs- und Überweisungsverkehr, Zuschlag zum Entgelt bei Kreditkartenzahlung, Haupt- und Nebenleistung
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Erhebung der Mehrwertsteuer stellt das zusätzliche Entgelt, das ein Erbringer von Telekommunikationsdiensten seinen Kunden berechnet, wenn sie diese Dienste nicht im Lastschriftverfahren oder durch BACS-Überweisung bezahlen, sondern per Kredit- oder Debitkarte, per Scheck oder in bar am Schalter einer Bank oder einer zur Entgegennahme der Zahlung für Rechnung des betreffenden Leistungserbringers ermächtigten Stelle, keine Gegenleistung für eine eigenständige, von der in der Erbringung von Telekommunikationsdiensten bestehenden Hauptleistung unabhängige Leistung dar.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 2
Beteiligte
Everything Everywhere Ltd |
Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs |
Verfahrensgang
High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) (Urteil vom 08.04.2009; Abl.EU 2009, Nr. C 267/29) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Befreiung ‐ Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1 und 3 ‐ Vermittlung von Krediten ‐ Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr ‐ Vorliegen von zwei eigenständigen Dienstleistungen oder einer einheitlichen Leistung ‐ Zusätzliches Entgelt, das bei Verwendung bestimmter Zahlungsweisen für Telekommunikationsdienste berechnet wird“
In der Rechtssache C-276/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 8. April 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2009, in dem Verfahren
Everything Everywhere Ltd, vormals T-Mobile (UK) Ltd,
gegen
Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Everything Everywhere Ltd, vormals T-Mobile (UK) Ltd, vertreten durch J. Peacock, QC, und M. Angiolini, Barrister,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos, M. Germani und V. Karra als Bevollmächtigte,
‐ Irlands, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von B. Doherty, Barrister,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1 und 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie), wonach u. a. die Vermittlung von Krediten sowie Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr von der Mehrwertsteuer befreit sind.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Everything Everywhere Ltd, vormals T-Mobile (UK) Ltd (im Folgenden: Everything Everywhere), und den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) über die mehrwertsteuerliche Behandlung des Entgelts, das Everything Everywhere ihren Kunden in Rechnung stellt, wenn sie bestimmte Methoden zur Begleichung ihrer monatlichen Rechnungen wählen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
Rz. 4
Art. 13 Teil B („Sonstige Steuerbefreiungen“) der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
…
d) die folgenden Geschäfte:
1. die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber,
…
3. die Umsätze ‐ einschließlich der Vermittlung ‐ im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der [Einziehung] von Forderungen,
…“
Nationales Recht
Rz. 5
Die in Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1 und 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung ist im Vereinigten Königreich durch Schedule 9 Group 5...