Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer bei der Einfuhr von Falschgeld
Leitsatz (redaktionell)
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob ein Mitgliedstaat nach Artikel 2 der 6. EG-Richtline berechtigt ist, Einfuhrumsatzsteuer für illegal eingeführte Waren, deren Herstellung und Vertrieb – wie bei Falschgeld – in allen Mitgliedstaaten verboten ist, zu erheben. Nach dem Urteil ist die Einfuhrumsatzbesteuerung in diesen Fällen nicht zulässig. Der EuGH setzt mit diesem Urteil seine Rechtsprechung aus den Rechtssachen 50/80, 221/81 und 294/82 – keine Einfuhrumsatzsteuer auf eingeschmuggelte, nicht verkehrsfähige Drogen – sowie aus den Rechtssachen 269/86 und 289/86 – keine Umsatzbesteuerung des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln und Amphetaminen – fort.
Beteiligte
Hauptzollamt München-Mitte |
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
(Sechste Kammer)
„Zölle – Einfuhrumsatzsteuer – Falschgeld”
In der Rechtssache C-343/89
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom Finanzgericht München in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Max Witzemann
gegen
Hauptzollamt München-Mitte
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 3, 9 und 12 bis 29 EWG-Vertrag sowie des Artikels 2 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erläßt
Der Gerichtshof
(Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten G. F. Mancini, der Richter T. F. O'Higgins, M. Díez de Velasco, C. N. Kakouris und P. J. G. Kapteyn,
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: J. A. Pompe, Hilfskanzler,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch ihren Rechtsberater Jörn Sack als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 1990
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Oktober 1990
foldendes
Urteil
1 Das Finanzgericht München hat mit Beschluß vom 21. Juni 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 3, 9 und 12 bis 29 EWG-Vertrag sowie des Artikels 2 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im folgenden: „Sechste Richtlinie”) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Max Witzemann (im folgenden: „Kläger”) und dem Hauptzollamt München-Mitte (im folgenden: „Hauptzollamt”), in dem es um die Zahlung von Zoll und von Einfuhrumsatzsteuer auf das Verbringen von falschen Banknoten in die Bundesrepublik Deutschland geht.
3 Durch Urteil des Landgerichts München I vom 16. Februar 1982 wurde der Kläger wegen einer nach §§ 146 ff. StGB strafbaren Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen dieses rechtskräftig gewordenen Urteils hatte er 1981 falsche US-Dollar-Noten, die er in Italien übernommen hatte, in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eingeführt.
4 Gestützt auf diese Feststellungen forderte das Hauptzollamt von dem Kläger die Zahlung von Zoll und von Einfuhrumsatzsteuer auf das Falschgeld. Die Zollerhebung beruhte offenbar darauf, daß der Gemeinschaftsursprung der Ware nicht nachgewiesen war.
5 Der Kläger focht diese Entscheidung beim Finanzgericht München an und machte geltend, die Erhebung der Zölle und der Einfuhrumsatzsteuer verstoße gegen die Artikel 9 und 12 bis 29 EWG-Vertrag.
6 Das Finanzgericht hat daraufhin das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Vorschriften des EWG-Vertrages (Artikel 3 Buchstabe b, Artikel 9 Absatz 1, Artikel 12 bis 29) und der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Artikel 2 Nr. 2) dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer für illegal eingeführte Waren, deren Herstellung und Vertrieb – wie bei Falschgeld – in allen Mitgliedstaaten verboten ist, zu erheben?
7 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und der Vorgeschichte des Ausgangsrechtsstreits sowie des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
8 Es ist festzustellen, daß die Frage des vorlegenden Gerichts aus zwei Teilen besteht, die sich auf die Erhebung von Zoll beziehungsweise auf die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer auf Falschgeld beziehen.
Zum Zoll
9 Aus den Akten des Ausgangsverfahrens geht nicht eindeutig hervor, aus welchem G...