Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Holding, Unternehmereigenschaft, Steuerbarkeit, Nichtrealisierter Anteilsverkauf
Leitsatz (amtlich)
Die Art. 2, 9 und 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass eine geplante, aber nicht durchgeführte Veräußerung von Aktien wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nicht ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der betreffenden Gesellschaft hat oder nicht eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 2, 9, 168
Beteiligte
C&D Foods Acquisition ApS |
Verfahrensgang
Vestre Landsret (Dänemark) (Beschluss vom 15.08.2017; Abl.EU 2017, Nr. C 347/20) |
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vestre Landsret (Landgericht der Region West, Dänemark) mit Entscheidung vom 15. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 18. August 2017, in dem Verfahren
C&D Foods Acquisition ApS
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer J.-C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter A. Arabadjiev und C. G. Fernlund (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der C&D Foods Acquisition ApS, vertreten durch T. Frøbert und K. Bastian, advokater,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren als Bevollmächtigten im Beistand von D. Auken, advokat,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und N. Gossement als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. September 2018
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der C&D Foods Acquisition ApS (im Folgenden: C&D Foods) und dem Skatteministerium (Finanzministerium, Dänemark) wegen dessen Weigerung, ihr den Abzug der Vorsteuer zu gestatten, die sie auf Beratungsleistungen entrichtet hatte, die sie im Rahmen einer geplanten, aber nicht durchgeführten Veräußerung von Aktien einer Enkelgesellschaft, der sie Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen erbrachte, in Anspruch genommen hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;
…”
Rz. 4
Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„(1) Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”
Rz. 5
Art. 168 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
…”
Dänisches Recht
Rz. 6
Zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt ergaben sich die einschlägigen Bestimmungen des Momslov (Mehrwertsteuergesetz) aus der Gesetzesbekanntmachung Nr. 966 vom 14. Oktober 2005 in geänderter Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz).
Rz. 7
§ 3 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes bestimmt:
„Steuerpflichtige sind juristische oder natürliche Personen, die selbständig eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.”
Rz. 8
§ 4 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.”
Rz. 9
In § 13 Abs. 1 Nr. 11 des Gesetzes heißt es:
„Folgende Waren und Leistungen sind von der Steuer befreit:
11. folgende finanzielle Aktivitäten:
…
e) Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung –, die sich auf Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und sonstigen Papieren, die bestimmte Rechte, insbesondere N...