Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschiedliche Besteuerung Zigaretten, West Single Packs, besondere Verbrauchsteuer auf Tabakwaren
Leitsatz (amtlich)
Die Bundesrepublik Deutschland hat durch die Anwendung des Steuersatzes für Feinschnitttabak für selbst gedrehte Zigaretten auf Tabakstränge, die unter dem Namen „West Single Packs“ verkauft werden, gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer und aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 92/79/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten verstoßen.
Normenkette
EGRL 59/95 Art. 4 Abs. 1 Buchst. b; EWGRL 79/92 Art. 2
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Bundesrepublik Deutschland |
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Verbrauchsteuern auf Tabakwaren ‐ Unterschiedliche Besteuerung von Zigaretten und der Tabakstränge West Single Packs‘“
In der Rechtssache C-197/04
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 30. April 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch C.-D. Quassowski, A. Tiemann und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, M. Ilešič und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2005,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Juli 2005
folgendes
Urteil
1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Anwendung des Steuersatzes für Feinschnitttabak für selbst gedrehte Zigaretten auf Tabakstränge, die unter dem Namen „West Single Packs“ verkauft werden, gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. L 291, S. 40) und aus Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 92/79/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten (ABl. L 316, S. 8) verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
2
Nach der vierzehnten Begründungserwägung der Richtlinie 95/59 sind „Tabakstränge, die sich als solche nach einem einfachen Vorgang nicht industrieller Art zum Rauchen eignen, … im Hinblick auf eine einheitliche Besteuerung dieser Erzeugnisse ebenfalls als Zigaretten anzusehen“.
3
Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 95/59 gelten als Zigaretten „Tabakstränge, die durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben werden“.
4
Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/59 in der Fassung der Richtlinie 1999/81/EG des Rates vom 29. Juli 1999 (ABl. L 211, S. 47) bestimmt, dass „[d]ie Bundesrepublik Deutschland … bis zum 31. Dezember 2001 die unter Buchstabe b) genannten Tabakstränge mindestens nach dem für Feinschnitttabak für selbst gedrehte Zigaretten geltenden Satz bzw. mit dem für diesen Tabak geltenden Betrag besteuern [kann]“.
5
Die Richtlinie 92/79 und die Richtlinie 92/80/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten (ABl. L 316, S. 10) setzen die Mindestverbrauchsteuersätze für Zigaretten und Tabak fest. Nach diesen beiden Richtlinien ist die Mindestverbrauchsteuer auf Feinschnittrauchtabak deutlich geringer als die auf Zigaretten.
Nationale Regelung
6
§ 2 Absatz 2 Nummer 2 des Tabaksteuergesetzes setzt Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 95/59 im Wesentlichen mit den gleichen Worten um.
7
§ 4 Absatz 1 Nummern 1 und 3 dieses Gesetzes setzt die Verbrauchsteuersätze für Zigaretten und Feinschnittrauchtabak fest. Diese Sätze stehen mit den in den Gemeinschaftsvorschriften festgesetzten Mindestsätzen in Einklang.
8
Aus den Akten ergibt sich, dass in der Bundesrepublik Deutschland auf „West Single Packs“ der niedrigste Steuersatz angewandt wird, d. h. der für Feinschnitttabak für selbst gedrehte Zigaretten geltende Satz.
Vorverfahren
9
Mit Mahnschreiben vom 18. Oktober 2002 teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit, dass diese nach ihrer Auffassung durch die Anwendung des Verbrauchsteuersatzes für Feinschnitttabak auf das Erzeugnis „West Single Packs“ gegen die Bestimmungen der Richtlinien 95/59 und 92/79 verstoße. Auf dieses Erzeugnis müsse der für Zigaretten geltende Satz angewandt werden.
10
In ihrer Antwort vom 18. Dezember 2002 bestritt die deutsche Regierung den von der Kommission erhobenen Vorwurf. Daraufhin übermittelte ihr die Kommission mit Schreiben vom 11. Juli 20...