Entscheidungsstichwort (Thema)
In einem anderen Mitgliedstaat entrichtete Erbschaftsteuer, Nichtanrechnung auf Erbschaftsteuer im Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Erblassers, Doppelbesteuerung
Leitsatz (amtlich)
Die Art. 56 EG und 58 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, nach der bei der Berechnung der Erbschaftsteuer, die von einem Erben mit Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat auf Kapitalforderungen gegen ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Finanzinstitut geschuldet wird, die in dem anderen Mitgliedstaat entrichtete Erbschaftsteuer auf die im erstgenannten Mitgliedstaat geschuldete Erbschaftsteuer nicht angerechnet wird, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens seinen Wohnsitz im erstgenannten Mitgliedstaat hatte.
Normenkette
EGVtr Art. 56, 58
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Kapitalverkehrsfreiheit ‐ Art. 56 EG und 58 EG ‐ Erbschaftsteuer ‐ Nationale Regelung, nach der die vom Erben in einem anderen Mitgliedstaat entrichtete Erbschaftsteuer, wenn es sich bei den Nachlassgütern um Kapitalforderungen handelt, nicht auf die Erbschaftsteuer angerechnet werden kann, die in dem Mitgliedstaat geschuldet wird, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens seinen Wohnsitz hatte ‐ Doppelbesteuerung ‐ Keine Beschränkung“
In der Rechtssache C-67/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2008, in dem Verfahren
Margarete Block
gegen
Finanzamt Kaufbeuren
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Ó Caoimh (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues, J. Klŭcka und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Frau Block, vertreten durch Rechtsanwalt S. Gorski,
‐ des Finanzamts Kaufbeuren, vertreten durch M. Stock als Bevollmächtigten,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. Noort als Bevollmächtigte,
‐ der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von S. Ford, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG und 58 EG über den freien Kapitalverkehr.
2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Block, die Erbin einer in Deutschland verstorbenen Person ist, und dem Finanzamt Kaufbeuren (im Folgenden: Finanzamt) über die Berechnung der Erbschaftsteuer auf Kapitalforderungen der Erblasserin gegen in Spanien ansässige Finanzinstitute.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrags [aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam] (ABl. L 178, S. 5) lautet:
„(1) Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.
(2) Die mit dem Kapitalverkehr zusammenhängenden Zahlungstransaktionen erfolgen zu den gleichen Devisenbedingungen, die bei Zahlungen für laufende Transaktionen gelten.“
4
Der Kapitalverkehr im Sinne des Anhangs I der Richtlinie 88/361 umfasst gemäß Rubrik XI dieses Anhangs den „Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“, worunter Erbschaften und Vermächtnisse fallen.
Nationales Recht
5
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in seiner im Jahr 1999 geltenden Fassung (BGBl. 1997 I S. 378, im Folgenden: ErbStG) ist der Erwerb von Todes wegen ein nach Maßgabe dieses Gesetzes steuerpflichtiger Vorgang.
6
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bestimmt unter der Überschrift „Persönliche Steuerpflicht“:
„(1) Die Steuerpflicht tritt ein
1. in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer … ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall. Als Inländer gelten
a) natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe...