Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessungsgrundlage, Erbpachtrecht, Dingliches Recht an einem Grundstück, Vermietung eines mit einem Erbpachtvertrag belasteten Gebäudes
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Wert eines dinglichen Rechts, das seinem Inhaber ein Nutzungsrecht an einer unbeweglichen Sache einräumt, und die Fertigstellungskosten des auf dem betreffenden Grundstück errichteten Bürogebäudes in die Besteuerungsgrundlage einer Lieferung im Sinne von Art. 5 Abs. 7 Buchst. a dieser Richtlinie in geänderter Fassung einbezogen werden können, wenn der Steuerpflichtige die auf diesen Wert und diese Kosten entfallende Mehrwertsteuer bereits entrichtet, sie aber auch sofort und vollständig als Vorsteuer abgezogen hat.
2. In einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in dem ein Grundstück und ein darauf im Bau befindliches Gebäude durch die Begründung eines dinglichen Rechts, das seinem Inhaber ein Nutzungsrecht an diesen unbeweglichen Sachen einräumt, erworben wurde, ist Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass der in die Besteuerungsgrundlage einer Lieferung im Sinne von Art. 5 Abs. 7 Buchst. a dieser Richtlinie einzubeziehende Wert dieses dinglichen Rechts dem Wert der für die Restlaufzeit des dieses Recht begründenden Erbpachtvertrags als Gegenleistung zu zahlenden Jahresbeträge entspricht, die nach derselben Methode korrigiert oder kapitalisiert werden wie derjenigen, die zur Ermittlung des Werts der Begründung des Erbpachtrechts angewandt wird.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b, Art. 5 Abs. 7 Buchst. a
Beteiligte
Staatssecretaris van Financien |
Verfahrensgang
Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 21.02.2014; ABl. EU 2014, Nr. C 159/15) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerwesen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Steuerbare Umsätze ‐ Zuordnung von ‚im Rahmen des Unternehmens‘ erhaltenen Gegenständen für Zwecke des Unternehmens ‐ Gleichsetzung mit einer Lieferung gegen Entgelt ‐ Besteuerungsgrundlage“
In der Rechtssache C-128/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande, Niederlande) mit Entscheidung vom 21. Februar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 18. März 2014, in dem Verfahren
Staatssecretaris van Financiën
gegen
Het Oudeland Beheer BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter F. Biltgen, A. Borg Barthet und E. Levits (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Het Oudeland Beheer BV, vertreten durch A. J. de Ruiter, belastingadviseur,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch K. Bulterman, C. S. Schillemans und M. Noort als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und C. Soulay als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Oktober 2015
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. b und Art. 7 Buchst. a sowie von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. 1995, L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande) und Het Oudeland Beheer BV (im Folgenden: Oudeland) über die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage einer Lieferung im Sinne von Art. 5 Abs. 7 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, die von dieser Gesellschaft vorgenommen wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Sechste Richtlinie ist zwar durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) mit Wirkung vom 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt worden, doch gilt für den Ausgangsrechtsstreit in Anbetracht des streitgegenständlichen Zeitraums weiterhin die Sechste Richtlinie.
Rz. 4
In Art. 2 der Sechs...