Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung eines Richterablehnungsgesuchs. mit Unschuldsvermutung nach Art. 6 EMRK begründeter Antrag auf Restitution des Vollziehungsaussetzungsverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Richterablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn darin lediglich vorgetragen wird, die von den Richtern getroffenen Entscheidungen in früheren Verfahren seien falsch, ohne dass bestimmten Richtern Tatsachen vorgehalten werden, die etwas über ihre persönliche Einstellung gegenüber der Antragstellerin aussagen. Es bedarf keiner Einholung einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richter, wenn der für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erhebliche Sachverhalt unstreitig feststeht.
2. Zur schlüssigen Begründung eines Restitutionsantrags ist es erforderlich, einen Grund für den Antrag näher darzulegen, sowie schlüssig auszuführen, dass die Voraussetzungen des § 580 ZPO in einer seiner Ziffern erfüllt ist. Andernfalls ist der Antrag unzulässig.
3. Sind die nach einer Steuerfahndungsprüfung ergangenen Steuernachforderungsbescheide bestandskräftig geworden, ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bereits gerichtlich abgelehnt worden und hat sich die Steuerpflichtige nach Ergehen eines Haftbefehls bis heute an einen unbekannten Ort abgesetzt, so ist ein Antrag auf Restitution des Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung der Bescheide unzulässig, wenn zur Begründung vorgetragen wird, solange nicht ein Strafgericht die Ergebnisse, die sich aus dem strafrechtlichen Verfahren der Steuerfahndung herleiten würden, als richtig festgestellt habe, müsse die Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gelten, und bis dahin seien allenfalls Sicherungsmaßnahmen, nicht aber Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des FA wegen der Steuernachforderungen zulässig.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1, §§ 134, 69; ZPO §§ 42, 44 Abs. 2-3, § 580; EMRK Art. 6; GG Art. 103
Nachgehend
Tenor
1. Der Antrag auf Ablehnung der Finanzrichter … und … wegen Besorgnis der Befangenheit wird als offensichtlich unzulässig verworfen.
2. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens 6 V 42/99 wird als unzulässig zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
4. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
I.
Streitig ist, ob ein Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (AdV) von Vermögensteuer (VSt) wieder aufzunehmen ist.
Die Antragstellerin (Astin) war Zahnärztin. Ihr Ehemann war ebenfalls Zahnarzt und verstarb 1970. Mit ihrem Sohn, dem Prozessbevollmächtigten Nr. 2, wurde sie bis 1. Januar 1991 zusammen zur VSt veranlagt. Dieser machte die Ausbildung zum Zahnarzt. Ab 1. Januar 1995 betrieben sie die Zahnarztpraxis gemeinsam. 1996 endete die Tätigkeit der Astin. Im Rahmen von Ermittlungen bei der … fanden die Finanzbehörden Unterlagen, aus denen sie den Schluss zogen, dass die Astin DM 2,8 Mio. auf ein Konto bei der … transferiert habe.
Am 19. März 1996 wurde gegen die Astin das Steuerstrafverfahren eingeleitet. Die Astin entzog sich dem Strafverfahren durch die Verlegung ihres Aufenthalts an einen unbekannten Ort, der bis heute verschwiegen wird. Am 19. Dezember 1996 erging gegen sie wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr ein Haftbefehl und am 27. Januar 1997 ein internationaler Haftbefehl. Die Fahndungsprüfung dauerte bis 1999.
Am 4. Oktober 1996 wurden im Wege des Arrestes Sicherungshypotheken auf zwei Gründstücken der Astin eingetragen. Am 3. Dezember 1996 wurden Einkommensteuer (ESt) – Bescheide für 1987–1994 erlassen. Am 7. September 1999 ergingen VSt-Bescheide auf den 01.01.1989 bis 01.01.1992, am 29. September 1999 ergingen VSt-Bescheide auf 01.01.1993 und 01.01.1994, und am 8. September 1999 ergingen VSt-Bescheide auf 01.01.1995 und 01.01.1996.
Am 4. Oktober 1999 beantragte die Astin die Aussetzung der Vollziehung der vorgenannten VSt-Bescheide. Dieser Antrag wurde vom Senat mit Beschluss vom 20. Dezember 1999 abgelehnt. Auf den Beschluss in dem Verfahren 6 V 42/99 wird verwiesen. Ein weiterer Antrag auf AdV vom 18. März 2003 wurde mit Beschluss des Senats vom 27. Mai 2003 (6 V 18/03) zurückgewiesen. Die außerordentliche Beschwerde dagegen wurde mit Beschluss vom 2. Juli 2003 zurückgewiesen. Mit Urteil vom 27. November 2003 wurde die Klage wegen der Bescheide über Vermögensteuer zum 01.01.1998 bis 01.01.1996 abgewiesen. Auf das Urteil 6 K 291/99 wird verwiesen.
Am 10. Dezember 2001 beantragte die Astin Restitution gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hinsichtlich des Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung der Vermögensteuerbescheide, weil eine bestimmte Entscheidungsgrundlage weggefallen sei. Sie trägt vor, der Bundesfinanzhof (BFH) hab...