Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für die operative Behandlung einer Liposuktion sind keine außergewöhnliche Belastungen, wenn vor der Operation kein amtsärztliches Attest erstellt wurde.
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen für die operative Behandlung einer Liposuktion sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich zu berücksichtigen, wenn vor der Operation kein amtsärztliches Attest erstellt wurde.
2. Ein nachträglich erstelltes Sachverständigengutachten kann die vorherige Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens nicht ersetzen.
3. Das Erfordernis, Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen, begegnet keinen rechtsstaatlichen Bedenken.
4. Dem formalisierten Nachweisverlangen ist in allen Fällen Rechnung zu tragen, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.
Normenkette
EStG 2007 § 33; EStDV § 64 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 84 Abs. 3f; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2, Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Behandlung einer Liposuktion als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind, ohne dass ein vorheriges amtsärztliches Attest vorlag.
Die Klägerin war als … nichtselbständig tätig, ihr Ehemann arbeitete bei einer …. Mit der Einkommensteuererklärung 2007, die am 31. März 2008 beim beklagten Finanzamt einging, machte die Klägerin Aufwendungen in Höhe von insgesamt 12.228 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend (ESt-Akten Bl. 6 und 21), wovon der größte Betrag von 11.520 EUR auf die Vorauszahlung von Operations- und sonstigen Kosten an eine Firma X GmbH im Therapiezentrum A, sowie Arztrechnungen des dort tätigen Dr. Y entfielen. Ausweislich des Kontoauszugs wurde die Zahlung am 16.11.2007 im Voraus geleistet. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen. Daneben waren Beträge von 2 × 30,34 EUR für Rezeptgebühren vom 12.12. und 28.12.2007, Rezeptgebühren Krankengymnastik vom 14.8.2007 von 18,64 EUR, eine Kompressionsstrumpfhose vom 14.12.2007 mit 10 EUR, ein amtsärztliches Zeugnis vom 18.12.2007 mit 71,30 EUR enthalten. Beigefügt war eine nachgereichte Anlage, in der zusätzlich Fahrtkosten zum Therapiezentrum mit 337,20 EUR und ein Schnuppertag medizinische Leistung gemäß Anlage mit 99 EUR ergänzt worden waren, so dass die gesamten außergewöhnlichen Belastungen insgesamt 12.228 EUR betrugen. Die Operation vom 27.11.2007 erfolgte zunächst an den Beinen außen, außerdem waren Aufwendungen für den Aufenthalt im Therapiezentrum vom 26.11.2007 bis 2.12.2007 mit einem Rechnungsbetrag von 1.129,08 EUR enthalten. In der Folgezeit erfolgten weitere Operationen am 15.1.2008, bei denen die Beine innen operiert wurden, hierzu erfolgte ein Aufenthalt vom 14.1.2008 bis 20.1.2008, die Rechnung über die Schnuppertage über 99 EUR datierte vom 13.6.2007 für den Aufenthalt vom 11.6. bis 13.6.2007. Die Operation der Arme erfolgte am 7.4.2008.
Beigefügt war ein privatärztliches Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. B, C und D vom 26.7.2007, bei dem dargestellt wurde, dass im Sommer 2006 ein Lipödem diagnostiziert worden war, zwischenzeitlich eine Gewichtsreduktion um 15 Kilo erreicht worden und die Patientin mit flachgestrickten Kompressionsstrümpfen versorgt worden sei, diese betreibe mehrmals in der Woche Aquajogging. Bei der klinischen Untersuchung finde sich das deutliche Lipödem nicht nur an den Beinen, sondern diese begännen nun auch an den Oberarmen. Als Empfehlung wurde eine Fortführung der bisherigen entstauenden Maßnahmen vorgeschlagen, eventuell Liposuktion.
Die Klägerin beantragte bei ihrer Krankenkasse, der Z in E, die Kostenübernahme für eine Liposuktion. Durch Bescheid vom 8. November 2007 lehnte die Z dies ab. Zur Begründung führte sie aus, laut Aussage des medizinischen Dienstes der Krankenkasse handele es sich bei der beantragten Liposuktion um eine unkonventionelle Behandlungsmethode. Diese sei so lange von der vertraglichen Kassenleistung ausgeschlossen, bis der gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Empfehlung abgegeben habe. Eine solche Empfehlung liege über diese Methode bisher nicht vor. Es stünden aus schulmedizinischer Sicht Behandlungsmöglichkeiten, nämlich die konservative Behandlung mittels komplexer physikalischer Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompression, Krankengymnastik) zur Verfügung. Eine Kostenübernahme könne deshalb nicht erteilt werden. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsentscheidung vom 27.3.2008 zurückgewiesen. Die darauf eingelegte Klage vor dem Sozialgericht blieb erfolglos.
Die Klägerin legte Attest...