Entscheidungsstichwort (Thema)
Lese-Rechtschreib-Störung (Legasthenie) als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig und unmittelbar nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH seit dem Urteil vom 14.2.1980, VI R 218/77, BStBl II 1980, 295 in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergibt.
2. Denentsprechend können auch die Kosten für die Behandlung einer Lese-Rechtschreib-Störung (Legasthenie) regelmäßig nur dann als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen werden, wenn dem Finanzamt ein vor Beginn der Behandlung erstelltes amtsärztliches Gutachten vorgelegt wird, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahmen klar ergibt.
3. Im Streitfall bedurfte es keiner (nachträglichen) Einholung eines amtsärztlichen Attestes. Die medizinische Notwendigkeit der dargelegten Therapiemaßnahmen zur Behandlung konnte nur durch ein vorher erstelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest nachgewiesen werden. Ein Sachverhalt, der zu einer ausnahmsweisen Berücksichtigung eines nachträglichen Attests führen könnte, wurde weder dargelegt noch ist ein solcher ersichtlich.
Normenkette
EStG § 33
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die für den Veranlagungszeitraum 2001 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war im Streitjahr bei der Bundespolizei (Bundesgrenzschutz), die Klägerin als Verwaltungsangestellte beim Landratsamt X beschäftigt. Die Kläger haben zwei (leibliche) Kinder, den am 1987 geborenen Sohn K und die am 1990 geborene Tochter S. Beide Kinder sind zusammen mit der Klägerin bei der AOK krankenversichert, dem Kläger wird freie Heilfürsorge gewährt.
Mit ihrer am 30. Dezember 2003 beim Beklagten (dem Finanzamt –FA–) eingereichten Einkommensteuererklärung machten die Kläger Aufwendungen (von 30 DM [Attestgebühren zur Feststellung der Legasthenie, Bl. 29 der Rechtsbehelfsakten –im folgenden: RbSt-Akten–], 3.661,31 DM [siehe hierzu nachfolgende Ausführungen], 996 DM [Fahrtkosten] und 240 DM [Parkgebühren], insgesamt: 4.927,31 DM –Hinweis auf Bl. 21 der RbSt-Akten–) in Zusammenhang mit der Behandlung einer Lese-Rechtschreib-Störung (im folgenden: LRS –veraltet: Legasthenie –Hinweis auf: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl., 2007, Stichworte: Legasthenie und Lese-Rechtschreib-Störung) ihrer Tochter S als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes –EStG– geltend. Lt. der Rechnung vom 23. November 2001 des Lehrinstituts für Orthographie und Schreibtechnik wurden den Klägern für 160 Unterrichtsstunden im Zeitraum 1. Dezember 2000 – 10. Januar 2002 1.872 EUR [= 3.662 DM] berechnet.
Zusammen mit der Einkommensteuererklärung legten die Kläger (auch) das Attest vom 23. Februar 2001 der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie c C vor (Bl. 30 der RbSt-Akten). Danach liege bei der Tochter der Kläger, S, eine isolierte Rechtschreibstörung familiärer Genese vor. Sie sei –so a.a.O. weiter– bereits im Lehrinstitut für Orthographie und Schreibtechnik (in X –im folgenden: LOS–) angemeldet und habe zusätzlich in der Schule eine Stunde Förderunterricht.
Das FA berücksichtigte diese Aufwendungen, zu denen die für die Tochter S zuständige AOK keine Kostenerstattung geleistet hat, nicht im angegriffenen Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 27. Januar 2004, weil diese Aufwendungen für eine Legasthenie-Therapie nur hätten angesetzt werden können, wenn vor Beginn der Behandlung deren medizinische Notwendigkeit durch ein amtsärztliches Gutachten nachgewiesen worden wäre (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 7. Juni 2000 III R 54/98, BStBl II 2001, 94).
Mit Schreiben vom 15. Februar 2004 –eingegangen beim FA am 16. Februar 2004– legten die Kläger Einspruch ein gegen die Bescheide für 2001 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Arbeitnehmersparzulage. Während des Einspruchsverfahrens reichten die Kläger beim FA die Bescheinigung vom 3. Februar 2004 der Kinderärzte Dres. K ein (Bl. 63 der RbSt-Akten). Danach sei die Tochter S seit dem 5. März 1990 in ihrer kinderärztlichen Behandlung. Am 7. August 2000 sei von ihnen die Diagnose Lese-Rechtschreib-Schwäche festgestellt worden mit der Empfehlung, pädagogischerseits Hilfen zu installieren (z.B. LOS, Befreiung von der „Diktat” Note usw.). Darüber hinaus sei eine Überweisung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin angeregt worden, um etwaige andere Teilleistungsschwächen zu eruieren.
Das FA wies den Einspruch wegen Einkommensteuer 2001 im Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens als unbegründet zurück (Hinwei...