Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastungen bei Unterhaltsleistungen für die Unterbringung in einem Pflegeheim. zumutbare Belastung bei getrennter Veranlagung. keine Einheitstheorie bei personenbezogenen Verpflichtungen
Leitsatz (redaktionell)
Bei verfassungskonformer Auslegung bleibt der Gesamtbetrag der Einkünfte der getrennt veranlagten Ehefrau bei der Berechnung der zumutbaren Belastung des getrennt veranlagten Ehemannes außer Betracht, soweit die außergewöhnliche Belastung durch eine persönlichen Unterhaltspflicht des Ehemannes begründet wird.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 26a Abs. 2, § 33 Abs. 1, 3; SGB XI §§ 14, 15 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Einkommensteuerbescheide für 2001 vom 29. Juli 2002 und für 2002 vom 22. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004 werden dahingehend abgeändert, dass die zumutbare Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG in 2001 mit 6 vom Hundert aus 90.301 DM sowie in 2002 mit 6 vom Hundert aus 43.959 EUR berücksichtigt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit den geänderten Inhalten nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Liegt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch im Wert bis zu 1.500 EUR, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann der Beklagte die Vollstreckung durch einfache Erklärung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet.
Tatbestand
Streitig ist Höhe der zumutbaren Belastung bei Durchführung einer getrennten Veranlagung.
Der Kläger ist verheiratet und lebt im Güterstand der Gütertrennung. In den Streitjahren 2001 und 2002 erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Seine am 11. März 2003 verstorbene Mutter, A.B. (geb. am 24. Dezember 1916) bedurfte wegen ihrer Herzschwäche der ständigen Pflege und wurde im März 2000 ausschließlich aufgrund ihrer Krankheit in ein Pflegeheim eingewiesen und ihr eigener Haustand aufgelöst. Aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit wurde sie gem. §§ 14, 15 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) zugeordnet. Da die eigenen Einkünfte der Mutter – zusammen mit dem Pflegegeld – nicht ausreichten, die Heimkosten zu decken, beantragte die Mutter Sozialhilfe. Diese wurde zunächst gewährt, jedoch ab April 2002 mit dem Hinweis, der unterhaltsverpflichtete Kläger habe aufgrund seines Einkommens für diese Mehrkosten aufzukommen, wieder abgelehnt. Mit Schreiben vom 13. September 2001, auf das wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 16 f. der ESt-Akten – getrennte Veranlagung –), zog das Sozialamt der Stadt X. aufgrund der vorübergehend gewährten Sozialhilfezahlungen den Kläger als einzigen seiner Geschwister zum Unterhalt für seine Mutter heran. Die der Mutter gewährten Sozialhilfezahlungen wurden bis einschließlich März 2002 durch die Unterhaltsaufwendungen des Klägers in voller Höhe ersetzt. Ab April 2002 entrichtete der Kläger die durch die eigenen Einkünfte und Bezüge der Mutter nicht gedeckten Heimkosten direkt an das Pflegeheim. Die Mutter erzielte in den beiden Streitjahren eigene Einkünfte und Bezüge, die sie für ihren Unterhalt einsetzte und die sowohl über den Regelsätzen nach dem Bundessozialhilfegesetz der betreffenden Jahre als auch über dem von der Verwaltung als Haushaltsersparnis anzusetzenden Wert lagen. Die Zahlungen des Klägers an das Sozialamt bzw. an das Heim in Höhe von 15.548,66 DM in 2001 sowie in Höhe von 6.900 EUR in 2002 wurden ausschließlich für krankheitsbedingte Aufwendungen (Unterbringung, Pflegeleistungen und Verpflegung) seiner Mutter verwendet.
Zusammen mit selbstgetragenen Krankheitskosten entstanden dem Kläger in 2001 außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 16.148 DM in 2001 sowie von 6.954 EUR in 2002.
Aufgrund der am 5. April 2002 beim beklagten Finanzamt (Beklagter – FA –) eingegangenen Einkommensteuer(ESt-)erklärung führte das FA für das Streitjahr 2001 mit Bescheid vom 29. Mai 2002 zunächst eine Zusammenveranlagung für den Kläger und dessen Ehefrau durch. Auf deren gemeinsamen Einspruch hin hob das FA den Zusammenveranlagungsbescheid wieder auf und veranlagte den Kläger auf dessen Antrag mit Bescheid vom 29. Juli 2002 getrennt. Hierbei ermittelte das FA den Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers mit 90.301 DM, l...