Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachforderungszinsen bei Verlagerung der Besteuerung stiller Reserven in ein anderes Jahr. Ablehnung des Antrags auf Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1991
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Prüfung eines Antrags auf Erlass von Nachforderungszinsen muss der Umstand berücksichtigt werden, dass die Steuerpflichtigen durch eine verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt haben, der durch eine Vollverzinsung nach § 233a AO ausgeglichen werden könnte.
2. Wird die Besteuerung stiller Reserven bei einer Außenprüfung um ein Jahr vorverlegt und kommt es deswegen für die beiden Jahre zu einer Einkommensteuer-Nachforderung (Jahr 01) bzw. zu einer Steuererstattung (Jahr 02), so sind die Nachzahlungszinsen auf die Steuernachforderung für das Jahr 01 insoweit aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, als sie auf den Zeitraum nach Zahlung einer Einkommensteuer-Vorauszahlung für das Jahr 02 entfallen, die der Steuerpflichtige ursprünglich eigens im Hinblick auf die Besteuerung der stillen Reserven im Jahr 02 geleistet hatte.
Normenkette
AO § 227 Abs. 1, § 233a Abs. 2; FGO § 101 S. 1, § 102
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 4.09.2002 wird der Beklagte verpflichtet, Zinsen zur Einkommensteuer 1991 in Höhe von 24.368,18 Euro zu erlassen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festzusetzenden Erstattungsbetrags abwenden, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Streitig ist, ob Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1991 zu erlassen sind.
Die Kläger sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin ist an der Firma O. GmbH & Co KG mit Sitz in … beteiligt. Zum 1.7.1991 trat der Kläger als weiterer Beteiligter in diese KG ein. Anlässlich seines Eintritts wurden in der Gesellschaft vorhandene stille Reserven aufgedeckt und in einer Eröffnungsbilanz zum 1.7.1991 offen gelegt. Die durch die Realisierung entstandenen Gewinne teilten die Beteiligten dem für die Veranlagung der KG zuständigen Teilbezirk mit. Mit Bescheid 28. Juni 1993 wurden die, auf die Klägerin entfallenden Gewinnanteile 1992 gesondert und einheitlich festgestellt. Mit geänderten Bescheid über die Vorauszahlungen von 21. Juli 1993 wurde die voraussichtliche Einkommensteuerschuld 1992 mit 2.106.779 DM festgesetzt. Die Kläger entrichteten die Nachforderung zur Einkommensteuer 1992 in Höhe von 1.746.012 DM am 10.08.1993 und 24.08.1993.
Im erstmaligen Einkommensteuerbescheid 1992 vom 17.05.1994 wurden die Gewinne aus der Beteiligung an der KG entsprechend bei der Ermittlung der Einkommensteuer erfasst.
Ihre Einkommensteuererklärung 1991 gaben die Kläger am 30.06.1993 ab. Der erstmalige Einkommensteuerbescheid 1991 erging am 29.07.1993.
Aufgrund einer bei der KG durchgeführten Betriebsprüfung kam der Beklagte zu der Überzeugung, dass die aufgedeckten stillen Reserven der Firma O. GmbH & Co KG bereits im Veranlagungszeitraum 1991 zu versteuern seien. Dementsprechend änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992; es ergaben sich folgende Festsetzungen
Jahr Bescheiddatum |
festgesetzte Einkommensteuer |
verbleibende Beträge (nach Abzug anrechenbarer Steuern) |
Erstattungsbetrag/Nachzahlung |
festgesetzte Zinsen zur Einkommensteuer |
1991 27.01.1995 |
2.089.286,00 |
2.070.615,00 |
1.516.778,00 |
158.151,00 |
1992 27.01.1995 |
838.815,00 |
794.479,00 |
./. 1.536.791,00 |
7.68.201,00 |
Ob die Einkommensteuerbescheide und die Bescheide über die Zinsen zu Einkommensteuer beider Jahre bestandskräftig geworden sind, ist zwischen den Beteiligten umstritten.
Mit Schreiben vom 24.02.1995 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die für den Veräußerungsgewinn festgesetzte Vorauszahlung von 1.317.801 DM bei der Festsetzung der Zinsen 1991 für den Zeitraum 24.08.1993 bis 31.3.1994 zu berücksichtigen, hilfsweise auf die Festsetzung von Zinsen insoweit zu verzichten. Der Beklagte regte an, das Verfahren bis zum Ausgang des Verfahrens eines weiteren Beteiligten der KG auszusetzen und das Ergebnis des Parallelverfahrens auf die Steuerpflichtigen entsprechend zu übertragen. Die Kläger waren mit dieser Vorgehensweise einverstanden.
Im Klageverfahren des weiteren Beteiligten an der Firma O. GmbH & Co KG mit dem Aktenzeichen 5 K 245/98 hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Erlass der Nachzahlungszinsen zugesagt.
Das Ergebnis dieses Verfahrens wollte der Beklagte auf die Kläger entsprechend anwenden; der Beklagte ermittelte zu erlassende Nachzahlungszinsen mit 46.143 DM. Für einen Erlass in dieser Größenordnung bedurfte der Beklagte der Zustimmung...