Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellung und Vertrieb von Filmen durch GbR als freiberufliche künstlerische oder gewerbliche Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine künstlerische Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt nur vor, wenn sämtliche Gesellschafter einer GbR eigenschöpferische Leistungen vollbringen, in denen ihre individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen.
2. Ein Filmhersteller ist nur dann Künstler i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn er an allen Tätigkeiten, die für den künstlerischen Wert des einzelnen Films bestimmend sind, selbst mitwirkt und dabei den entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des Films ausübt.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin mit der Herstellung und dem Vertrieb von Filmen eine freiberufliche künstlerische oder eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus den Brüdern a und b A. Die GbR betreibt ein Unternehmen der Video- und Filmproduktion. Für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1996 erklärte die Klägerin ihre Einkünfte insgesamt als solche aus Gewerbebetrieb. Mit Schreiben vom 9. Juni 1998 beantragte der steuerliche Berater der Klägerin, ab 1998 die Gewerbesteuervorauszahlungen auf 0 DM festzusetzen, und führte aus: „In den Vorjahren hat die Firma gewerbliche und künstlerische Tätigkeiten ausgeübt. Seit 1997 ist eine Trennung dieser Umsätze erfolgt. … Ab 1998 ist die Firma nur noch künstlerisch tätig. Es werden ausschließlich Videoclips für den Fernsehsender X gedreht. Es liegt keine gewerbliche Tätigkeit mehr vor.”
In ihren Feststellungserklärungen für die Streitjahre 1998 und 1999 erklärte die Klägerin ihre Einkünfte als solche aus selbstständiger Arbeit. In den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1998 vom 7. Dezember 2001 und 1999 vom 21. Januar 2002 wurden die Einkünfte zunächst wie erklärt festgestellt.
Eine bei der Klägerin im Jahr 2002 für die Jahre 1997 bis 1999 durchgeführte Außenprüfung gelangte ausweislich des Prüfungsberichts vom 5. August 2002 zu dem Ergebnis, dass die Film- und Videoproduktion der Klägerin eine gewerbliche Tätigkeit sei, weil die Klägerin nicht an allen den künstlerischen Wert der Filme bestimmenden Tätigkeiten mitwirke und entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung ausübe, sondern die Auftraggeber nach Maßgabe der Verträge in großem Maß auf das Produkt Einfluss nähmen. In weiteren Punkten schloss sich die Prüferin den Prüfungsergebnissen des Steueramtes der Stadt O an (Prüfungsbemerkungen der Außenprüferin vom 22. April 2002).
In den nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden für 1998 und 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, jeweils vom 25. November 2002, folgte der Beklagte den Prüfungsfeststellungen und stellte (auf Grund der Prüfung teilweise geänderte) Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest. Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch und trug vor, einen allgemeinverbindlichen Kunstbegriff gebe es im Steuerrecht nicht. Eine künstlerische Tätigkeit in Sinne des Steuerrechts übe deshalb derjenige aus, der eine eigenschöpferische Leistung vollbringe, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck komme und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus aus heutiger Sicht künstlerische Gestaltungshöhe erreiche. Dabei sei es unerheblich, aus welcher Zielsetzung heraus der Künstler schaffe und wozu das von ihm Geschaffene später verwendet werde. Der Steuerpflichtige sei Künstler, wenn seine Tätigkeit zumindest von einer Minderheit der zur fachlichen Beurteilung kompetenten Personen als künstlerisch bewertet werde. Danach übe sie eine künstlerische Tätigkeit aus. Sie erhalte von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) Künstlervergütungen. Die GVL erhalte Gelder von der GEMA. Beide seien öffentliche Institutionen und hätten somit bereits die Anerkennung der Gesellschafter als Künstler hergestellt. Der Einzige, der entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der Produkte ausübe, sei der Regisseur. Die Entwürfe erhalte nicht der Musikverlag, sondern verschiedene Schallplattenfirmen. Sie wirke an allen Tätigkeiten (Drehbuch, Regie, Kameraführung, Schnitt und Vertonung) entscheidend mit. Das Drehbuch werde von b B. erstellt und er sei für dessen Interpretation verantwortlich. Er sei der Regisseur. Der Kameramann sowie alle am Projekt beteiligten Personen seien strikt b B. unterstellt. Schnitt und Vertonung übe b B. selbst aus. Regisseure brauchten wie bildende Künstler keine spezielle Ausbildung. b B. habe überhaupt keine kaufmännische Ausbildung. Er...