Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Aufrechnungsverbot nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens sowie in der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens besteht kein Aufrechnungsverbot mehr. § 96 InsO, der ein Verbot der Aufrechnung vorsieht, greift nicht (mehr) ein. Denn das in dieser Vorschrift normierte Aufrechnungsverbot gilt nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens. Mit der Aufhebung des Verfahrens entfallen die Beschränkungen der §§ 94 ff. InsO.

2. Auch in der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens besteht kein Aufrechnungsverbot, so dass das FA mit Insolvenzforderungen gegen Umsatzsteuererstattungsansprüche des Schuldners aufrechnen kann, die nach der Insolvenzeröffnung begründet worden sind.

3. Ein Aufrechnungsverbot ergibt sich auch nicht aus dem Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 InsO.

 

Normenkette

InsO §§ 96, 174 Abs. 1, § 294 Abs. 1, 3; AO § 226 Abs. 1, § 218 Abs. 2, § 47; BGB §§ 387, 389

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 14.10.2010; Aktenzeichen VII R 34/10)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist das Bestehen eines Aufrechnungsverbots des Finanzamts (FA) nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens während der sogenannten Wohlverhaltensperiode im Restschuldbefreiungsverfahren.

Der Kläger schuldete dem beklagten FA Steuern und mit diesen zusammenhängende Nebenforderungen i.H.v. 11.157,37 Euro, die das FA in dem am 18. August 2006 vom Amtsgericht X über das Vermögen des Klägers eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren XXX gemäß § 174 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) am 11. Oktober 2006 anmeldete. Ausweislich des Auszugs aus der Insolvenztabelle vom 31. Oktober 2006 wurden die Abgabenforderungen vom Treuhänder nach Prüfung anerkannt. Eine Quote konnte an die Insolvenzgläubiger nicht ausgeschüttet werden. Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist durch Beschluss des Amtsgerichts X vom 17. März 2008 aufgehoben und dem Kläger die Restschuldbefreiung angekündigt worden.

Anfang Mai 2009 bestand folgender Erstattungsanspruch des Klägers gegen das FA:

Abgabenart

Zeitraum

Betrag EUR

Umsatzsteuer

2004

67,09

Umsatzsteuer

10/05

119,91

Umsatzsteuer

10/05

40,09

Umsatzsteuer

11/05

35,25

insgesamt

262,34

Gegen diesen Anspruch des Klägers rechnete das FA am 5. Mai 2009 mit folgender Gegenforderung auf:

Abgabenart

Zeitraum

Betrag EUR

Einkommensteuer

2007

67,09

Einkommensteuer

2007

119,91

Solidaritätszuschlag

2007

40,09

Solidaritätszuschlag

2007

35,25

insgesamt

262,34

Über die Aufrechnung erhielt der Kläger eine Mitteilung. Gegen diese wandte sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 1. Juli 2009, in welchem sie die Auffassung vertrat, eine Aufrechnung sei wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Gläubiger nicht möglich, und bat um Erteilung eines Abrechnungsbescheids.

Am 10. September 2009 erging ein Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO), in welchem das FA gem. § 47 AO das Erlöschen des Erstattungsanspruchs auf Grund der Aufrechnung feststellte.

Hiergegen legte der Kläger am 16. September 2009 Einspruch ein, den das FA durch Entscheidung vom 26. November 2009 als unbegründet zurückwies.

Zur Begründung seiner am 2. Dezember 2009 erhobenen Klage lässt der Kläger folgendes vortragen: Das über sein Vermögen eröffnete Insolvenzverfahren sei zwischenzeitlich beendet. Das FA rechne nun mit Steuererstattungsansprüchen gegen eine unstreitige Insolvenzforderung auf. Dies sei nicht zulässig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Abrechnungsbescheid vom 10. September 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. November 2009 aufzuheben und das Guthaben i.H.v. 262,34 Euro auszuzahlen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es erwidert auf das Klagevorbringen, die Aufrechnung sei rechtmäßig, da mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens auch die Einschränkungen der §§ 94 bis 96 InsO entfallen seien. Schließe sich bei natürlichen Personen ein Restschuldbefreiungsverfahren an, bestünden während der Wohlverhaltensphase keine Aufrechnungsverbote.

Durch Beschluss vom 27. April 2010 ist der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden (§ 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat in diesem Verwaltungsakt zutreffend festgestellt, dass der Anspruch des Klägers auf Erstattung von Umsatzsteuer 2004 und 2005 erloschen ist. Die vom FA erklärte Aufrechnung des Steuererstattungsbetrags mit rückständiger Einkommensteuer 2007 sowie rückständigem Solidaritätszuschlag 2007 ist wirksam und führte gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Erlöschen des Steuerguthabens aus den Jahren 2004 und 2005. Die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 387 BGB) lagen vor, insbesondere standen dem FA die geltend gemachten fälligen Steu...

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