Entscheidungsstichwort (Thema)
Umdeutung eines AdV-Antrags in einen Antrag nach § 114 FGO. Begründung eines Antrags auf vorläufige Einstellung der Vollstreckung nach § 258 AO. Unbilligkeit einer Vollstreckung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Änderung eines Antrags auf Gewährung von Aussetzung der Vollziehung (AdV) in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S. von § 114 FGO kann unabhängig vom Vorliegen der einschränkenden Voraussetzungen des § 67 FGO zulässig sein.
2. Wird zulässigerweise beantragt, das Finanzamt im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Vollstreckung von Einkommensteuerbescheiden in Gestalt der Einspruchsentscheidungen (EE) gem. § 258 AO vorläufig einzustellen, nach dem deren AdV nach Erlass der EE endete, ist zur Antragsbegründetheit darzulegen und glaubhaft zu machen, dass durch ein kurzfristiges Zuwarten des Finanzamts oder die Wahl einer anderen als der vom Finanzamt ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen (hier: Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Antrag auf Erlass eines Haftbefehls) der Antragsteller weniger beeinträchtigt wäre, das Finanzamt aber dennoch wegen seiner Steuerforderungen zur Befriedigung gelangen könnte.
3. Eine Vollstreckung ist unbillig i.S. des § 258 AO, wenn vollstreckt wird, obwohl das Erlangte alsbald zurückzugewähren ist.
Normenkette
AO §§ 258, 257 Abs. 1 Nr. 1, § 251 Abs. 1; FGO §§ 69, 114, 67
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage der Unbilligkeit der Vollstreckung (§ 258 der Abgabenordnung – AO 1977 –) hinsichtlich von den Antragstellern mit der Anfechtungsklage angegriffener Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2000 bis 2005.
Die Antragsteller sind Eheleute, die vom Antragsgegner gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Antragsteller ist von Beruf Versicherungsvertreter und erzielte in den Streitjahren aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die vom Finanzamt – FA – L… gesondert festgestellt wurden.
Im Jahr 1993 erwarben die Antragsteller ein in G. (Land Brandenburg) belegenes und mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück (W.straße). Mit der in R. (Land Thüringen) als erstem Wohnsitz wohnhaften F., ihrer Mutter bzw. Schwiegermutter, schlossen sie einen Mietvertrag über eine in diesem Haus befindliche, 150 qm grosse Wohnung (= Erdgeschosswohnung) als Zweitwohnung der Mieterin.
Laut Mietvertrag betrug der monatliche Mietzins 1 000 DM und begann das Mietverhältnis am 1. Juli 1999. Die Entrichtung von Betriebskosten wurde in dem Vertrag nicht vereinbart. Dazu sollten gesonderte Regelungen getroffen werden. Mietobjekt war eine 4-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad. Auch wurden keine Vereinbarungen zum Zeitpunkt und zur Art der Bezahlung der Miete getroffen (bar oder per Banküberweisung etc.).
Im Winter 1995/1996 erwarb der Antragsteller von seiner Mutter, Frau K…, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich fünf unbebaute Grundstücke in H. (Land Niedersachsen). Anschließend übertrug der Antragsteller unentgeltlich jeweils einen hälftigen ideellen Anteil an diesen Grundstücken auf seine Ehefrau als künftige Miteigentümerin. In § 5 des Notarvertrages vom 17. November 1995 (UR-Nr. …/95 des Notars Dr. S.aus W.) heißt es im letzten Absatz:
„Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass die hier übertragenen Grundstücke verpachtet sind. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass die Pachterträge zu Lebzeiten bei der Übertragsgeberin und deren Ehemann H. verbleiben sollen”.
Mangels Einreichung von Einkommensteuererklärungen seitens der Antragsteller für die Streitjahre 2000 bis einschließlich 2005 schätzte der Antragsgegner die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und erließ entsprechende erstmalige Einkommensteuerbescheide (zuletzt am 31. Juli 2006 für das Streitjahr 2005).
Nachdem die Einkommensteuerveranlagungen 2000 bis einschließlich 2004 bestandskräftig geworden waren, führte die Straf- und Bußgeldstelle des Antragsgegners steuerstrafrechtliche Ermittlungen gegenüber dem Antragsteller durch, die dazu führten, dass am 31. Juli 2006 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide betr. die Streitjahre 2000 bis einschließlich 2004 ergingen, mit denen die Einkommensteuer vom Antragsgegner unter Ansatz höherer Einkünfte des Antragstellers aus seiner Vertretertätigkeit als bisher entsprechend heraufgesetzt wurde.
Gegen diese Änderungsbescheide und gegen den Ausgangsbescheid betr. Einkommensteuer 2005 vom selben Tage legten die Antragsteller fristgerecht Einsprüche ein. Zur Begründung reichten sie die bislang fehlenden Einkommensteuererklärungen ein, mit denen sie u.a. negative Einkünfte aus der Vermietung der Wohnung im Hause W.straße in G. steuermindernd geltend machten.
Am 11. Mai 2007 erließ der Antragsgegner für sämtliche Streitjahre nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide, in ...