rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliches Eigentum bei unerlaubtem Eigenbesitz in Abhängigkeit vom Herausgabeanspruch des Berechtigten
Leitsatz (redaktionell)
Unerlaubter Eigenbesitz führt nicht nur dann zu wirtschaftlichem Eigentum, wenn dem nach Maßgabe des Privatrechts Berechtigten ein Herausgabeanspruch zusteht. Hat der tatsächlich Berechtigte es über einen Zeitraum von mehreren Jahren geduldet, dass ein Nichtberechtigter über ein Wirtschaftsgut wie ein Eigentümer verfügt, ist von einem Eigenbesitz i. S. v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 AO auszugehen (hier: Schenkung von Kapitalvermögen mit notarieller Urkunde von der Mutter an den Sohn, Gerichtliche Geltendmachung von Herausgabeansprüchen durch die Schwestern erst Jahre später).
Normenkette
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 2; EStG §§ 20, 8 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Einkommensteuerbescheide vom 16.5.2002 für 1993 und 1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2005 werden dahin geändert, dass die Zinseinkünfte für das Jahr 1993 mit 603.808,00 Schweizer Franken anzusetzen sind und dass die Kapitalerträge für 1998 für das Konto Nr. 17.497 269.395 DM betragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens haben der Kläger 87 Hundertstel und der Beklagte 13 Hundertstel zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob dem Kläger Einkünfte aus von ihm verwaltetem Kapitalvermögen zuzurechnen sind.
Die Eltern des Klägers betrieben bis in die achtziger Jahre einen Großhandel mit Gold und Schmuck, mit dem sie ein größeres Vermögen erwirtschafteten, das sie nur teilweise versteuerten und auf Konten in der Schweiz anlegten. Im Juli 1993 übertrugen die Eltern des Klägers die ihnen gemeinsam zustehenden Konten zunächst auf Frau A, geb. …, die Schwester des Klägers. Dies geschah, weil sie Sorge hatten, ein Verwandter könne dem Finanzamt Mitteilung über ihre nicht erklärten Vermögenswerte machen. Im Dezember 1993 wurden die Konten infolge familiärer Zwistigkeiten teilweise auf die Mutter des Klägers zurückübertragen, die dem Kläger unbeschränkte Vollmachten einräumte. Zum Teil wurde das Vermögen auf Konten übertragen, die auf den Kläger lauteten. Ausweislich einer notariell beurkundeten Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Mutter vom 19.02.2001 geschah dies alles im Wege einer Schenkung.
Der Kläger ging davon aus, dass das elterliche Vermögen endgültig auf ihn habe übergehen sollen. In den von ihm für die Streitjahre eingereichten Einkommensteuererklärungen gab er lediglich geringfügige Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Der Beklagte folgte dem jeweils mit Bescheiden vom 10.11.1994, 29.5.1995, 6.1.1997, 24.10.1997 27.8.1998, 11.8.1999 sowie 31.8.2000.
Nachdem der Vater des Klägers am 3.12.1998 verstorben war, gaben weder der Kläger noch seine Mutter oder seine Schwestern eine Erbschaftsteuererklärung ab. Der Kläger brachte im Jahr 1999 auf Empfehlung seines Vermögensberaters das auf den Schweizer Konten angelegte Vermögen in mehrere liechtensteinische Stiftungen (S-Stiftung, T-Stiftung, X-Stiftung, Y-Stiftung sowie Z-Stiftung (ein.
In der Folge entstand zwischen dem Kläger und seinen Schwestern, Frau A und Frau B, Streit darüber, ob das schweizerische Vermögen in das Erbe nach dem Vater nach falle oder nicht. Mit gemeinschaftlichem Erbschein vom 12.1.2000 stellte das Amtsgericht M fest, dass der Nachlass nach dem Verstorbenen zur Hälfte der Mutter des Klägers und zu je einem Sechstel dem Kläger und seinen Schwestern zustehe.
Am 8.2.2000 erstattete die Mutter des Klägers Selbstanzeige hinsichtlich der Einkommen- und Vermögensteuer ab dem Veranlagungszeitraum 1987 sowie zusammen mit ihren Töchtern, Frau A und Frau B, auch hinsichtlich der Erbschaftsteuer 1998 nach C.
Nachdem der Kläger sich geweigert hatte, die gegen ihn gerichteten Zahlungsansprüche seiner Schwestern zu befriedigen, erhoben diese vor dem Landgericht N Klage, mit der sie die Offenlegung des Nachlasses durch den Kläger verlangten. In diesem Verfahren verteidigte sich der Kläger mit dem Vorbringen, das Vermögen sei ihm schenkweise übertragen worden. Das Landgericht N gab der Klage mit Teilurteil vom 22.2.2000 sowie (nach Zurückweisung der hiergegen gerichteten Berufung des Klägers durch Urteil des Kammergerichts vom 7.3.2001 (mit Schlussurteil vom 24.8.2001 statt.
In der Folge erhoben die Schwestern des Klägers vor dem Fürstlichen Landgericht des Fürstentums Liechtenstein Zahlungsklage u.a. gegen die Z-Stiftung, mit der sie die Herausgabe von jeweils einem Sechstel des Stiftungsvermögens beanspruchten. Dieser Klage gab das Fürstliche Landgericht mit Urteil...